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Die „heimliche“ Hymne als Zugabe

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MONSCHAU. „Va pensiero, sull ali dorate . . .“ hallte es zwischen den Burggemäuern, als der weltberühmte „Chor der Gefangenen“ erklang. Es war die Zugabe nach einer glanzvollen „Nabucco“-Aufführung, mit der am Sonntagabend die neunte Open Air Klassik beendet wurde.

Wilhelm Keitel, künstlerischer Leiter der Spiele und erneut einfühlsamer Dirigent, hatte sofort erkannt, was nach Spielende durch Trampeln, Klatschen und Standing Ovations vom Publikum gewünscht war. Eben nochmals „Steig Gedanke, auf goldenem Flügel“, was in der deutschen Opernfassung auch als „Teure Heimat, wann werd ich dich wieder sehn“ gesungen wird.

In Verona singt das italienische Publikum zu Beginn des vierten Satzes das „Va pensiero . . .“ meist mit, gilt das Chorlied in Italien quasi als zweite, „heimliche“ Nationalhymne. Bereits in der Ouvertüre, Verdi handhabt es meist, klingt die Melodie des Chorgesangs an; das animiert die Erwartungshaltung der Opernfreunde.

Drama ist

programmiert

„Nabucco“ - das spiegelt die Feindschaft von Babyloniern und Hebräern wider, es geht um Jerusalem und um einen Juden (Ismael, Neffe des hebräischen Königs), der von zwei Frauen (Ferena, Tochter des Nabucco und Abigaille - angeblich erstgeborene Tochter des Nabucco, aber in Wirklichkeit Sklavin) geliebt wird, aber selbst nur einer - ausgerechnet der Tochter des feindlichen Königs Nabucco - seine Zuneigung zeigt.

Das Drama ist programmiert. Sowohl der Kampf um Jerusalem und die Königskrone als auch der Kampf von Ferena und Abigaille um Ismael. Der weise Hohepriester Zaccaria spricht den Juden Mut zu, zumal man ja Ferena als Gefangene habe. Als Nabucco Jerusalem stürmt, droht der Hohepriester, seine Tochter Ferena zu erdolchen - das verhindert der verliebte Ismael. Er fällt dem Hohepriester in den Rücken, entreißt ihm den Dolch, rettet Ferenas Leben.

Nina Sharubina als Abigaille hatte viele starke Szenen, die vielleicht stärkste zu Beginn des zweiten Aktes, als sie die Enttäuschung einer Frau überbringen musste, die glaubte Königstochter zu sein, durch ein Schriftstück aber erfuhr, dass sie in Wirklichkeit Tochter einer Sklavin war.

Vladimir Petrov, in Monschau bestens bekannt, verkörperte einen Nabucco in allen Facetten, als Eroberer dominant, regelrecht getroffen, als er als Gott angebetet werden wollte, aber von Gott mit Blitz seiner Krone beraubt wurde, als beinah dem Wahnsinn Verfallener und religiöser Überläufer, weil er das Leben der Tochter retten wollte.

Abigaille und Nabucco waren neben dem Hohepriester Ziccaria (Dmitry Kapilov) die prägenden Gestalten auf der Monschauer Bühne, Elvira Rizhanovitch verkörperte die verängstigte, stets vom Tod bedrohte Ferena gefühlvoll, Ismael (Sergei Frankovsky) hatte nicht nur Probleme mit zwei Frauen, sondern auch mit einem kleinen Text-Aussetzer.

Der Chor der Bolschoi Oper Minsk war nicht nur stimmgewaltig, die Akteure setzten ihre Rollen um, verkörperten auch schauspielerisch das Leiden des geknechteten jüdischen Volkes, die Angst vor den Babyloniern und die Hoffnungen an den Gott Jehova. Das war stark. Genau wie die Leistung des Minsker Orchesters, das von Wilhelm Keitel dirigiert wurde, sich nicht in den Vordergrund spielte, sondern die Lautstärke der jeweiligen Dramaturgie anpasste.

Ende gut, alles gut. Nabucco erwacht aus dem Wahnsinn, kann Tochter Ferena und die Krone retten, bekennt sich zum Judentum und lässt die Hebräer heimwärts ziehen. Abigaille aber nimmt Gift, stirbt einen langen Tod - ein starker Abgang.