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Die Talsperre, die nie gebaut wurde

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KAISERAU / GIMBORN. Glaubte man zeitgenössischen Zeitungsberichten der späten 1960er und frühen 1970er Jahre, so schien der Baubeginn der damals schon seit Jahrzehnten geplanten Leppetalsperre unmittelbar bevorzustehen. Die Zeitungen vermeldeten Ende Oktober 1969, das zwei oberbergische Talsperrenprojekte, die Steinaggertalsperre im Reichshof und die Leppetalsperre auf dem Gebiet der damaligen Gemeinde Gimborn, von der NRW-Landesregierung in den Fünfjahresplan für Wasserwirtschaft aufgenommen worden seien.

Doch bis heute wurden beide bekanntlich nicht gebaut. „Die Planungen für die Leppetalsperre und die ebenfalls geplante Steinaggertalsperre im Reichshof müssen im engen Zusammenhang mit den Planungen der Naafbachtalsperre gesehen werden“, erläutert heute Professor Lothar Scheuer vom Aggerverband. Beide oberbergischen Talsperrenprojekte hätten in der letzten Ausbaustufe der bei Much geplanten Naafbachtalsperre der Niedrigwasseranreicherung der Agger gedient. Auch eine Freizeitnutzung hätte der Aggerverband für die Leppe- und die Steinaggertalsperre nicht ausgeschlossen.

So groß wie die

Genkeltalsperre

Hintergrund für die damaligen Planungen war der stetig steigenden Wasserverbrauch der Städte an der Rheinschiene. Man rechnete damit, dass sich bis zum Jahr 2030 der Pro-Kopf-Wasserverbrauch nahezu verdoppeln würde. Doch es kam anders: In den 1980er Jahren knickte die Kurve des Wasserverbrauchs ein. Die Planungen für die Naafbach-, die Leppetalsperre und die Steinaggertalsperre wurden ab Mitte der 1980er Jahre nicht mehr weiter verfolgt. Trotzdem finden sich alle drei Talsperren noch heute im Landesentwicklungsplan und im Regionalentwicklungsplan.

„Wobei wir vom Aggerverband auch heute noch die Naafbachtalsperre für die Zukunft nicht verzichtbar halten“, sagt Hubert Scholemann, Leiter des Geschäftsbereichs Talsperren und Fließgewässer beim Aggerverband. „Das Gebiet der Naafbachtalsperre ist eines der letzten planungsrechtlich gesicherten Gebiete für den Talsperrenneubau in Deutschland“, erklärt Axel Blüm vom Vorstandsbüro des AV. „Die Planfeststellungsverfahren sind gesichert, ob wir den Bau wirklich mal umsetzen, wird wahrscheinlich von künftigen Generationen, und dann in Brüssel entschieden“, erläutern die Vertreter des Aggerverbands-Vorstandes.

Neben ihrer Funktion als Zubringertalsperre der Naafbachtalsperre hätte die Leppetalsperre auch dem Hochwasserschutz gedient, ebenso wie die beiden anderen geplanten und genannten Talsperren.

Die Geschichte des Talsperrenprojektes im Leppetal reicht weit zurück. „Für das Leppetal wurde 1922 ein Gutachten des Landvermessers F. Weidenmüller aus Opladen erstellt, das dort den Bau von drei Stauweihern und die Gründung einer eigenen Wassergenossenschaft vorsah. Diese Planung blieb zunächst unberücksichtigt und wurde erst 1933 mit dem Entwurf eines Stauweihers wieder aufgenommen. Dieses Projekt stellte die Aufsichtsbehörde zugunsten einer größeren Leppetalsperre zurück. Erneut war dann zum Beginn der 1940er Jahre vom Bau der Leppetalsperre die Rede. Die Industrie hatte sich im unteren Leppetal so stark entwickelt, dass sogar der Bau vorzeitig durchgeführt werden sollte. Die Baupläne wurden gebilligt, eine Ministerbereisung erfolgte im April 1941“, heißt es in einem Buch zum 50jährigen Bestehen des Aggerverbandes. Wegen der Kriegsereignisse bestand damals jedoch keine Aussicht, die Finanzierung sicher zu stellen und das Bauvorhaben zu verwirklichen.

Die Leppetalsperre sollte rund neun Millionen Kubikmeter Wasser aufstauen und wäre so groß wie die Genkeltalsperre (8,2 bis 10 Millionen Kubikmeter) geworden. Die Steinaggertalsperre wäre mit 13 Millionen Kubikmeter Fassungsvermögen noch größer ausgefallen, da die Geländeformationen hier deutlich steiler ausfallen. In Wilhelmstal bei Karlsthal, etwa 200 Meter oberhalb des Werksgeländes der Firma Ahle sollte der 30 bis 35 Meter hohe Staudamm entstehen. Geplant war, wie es dem damaligen Stand der Wissenschaft und Technik entsprach, ein breiter Steinschüttdamm mit Asphaltbetondecke zur Wasserseite hin, wie man ihn an der Ende 1952 / Anfang 1953 fertig gestellten Genkeltalsperre heute sieht.

Die Staufläche der geplanten Leppetalsperre hätte sich über 2,9 Kilometer Länge durch das gewundene Leppetal erstreckt.

Die Staufläche der Leppetalsperre hätte kurz vor der Ortschaft Hütte, am Nordheller Hammer und der Firma Nockemann & Klein geendet. Im Tal unterhalb von Schloss Gimborn, dass zu einem Nebenarm geworden wäre, hätte die Wasserfläche bis an die alte Mühle und den Schlossteich gereicht. Schon im Jahre 1955 erwarb der Aggerverband Grundbesitz im Leppetal für den Bau der Talsperre. Doch es geschah nichts weiter. Auch die „Zigeunerfichte“, das Naturdenkmal am Gimborner Dreick, steht heute noch.

Ganz billig wäre der Bau der Leppetalsperre sicher nicht geworden: Anfang der 1980er Jahre bezifferte der Aggerverband die Baukosten für die Leppetalsperre bereits auf rund 100 Millionen Mark, so Scholemann. Ob das Projekt jemals noch verwirklicht werden wird, steht in den Sternen, vermutlich wird es für den Hochwasserschutz künftig mehrere kleinere Rückhaltebecken im Leppetal geben, so die AV-Vertreter.