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Drei Tote in Kürten„Was ist nur in denen vorgegangen?

Lesezeit 3 Minuten

Ein Blick in das Zimmer, in dem die drei jungen Männer lebten. (Bild: Daub)

Kürten – „Warum jetzt? Die hatten doch gerade eine Lehrstelle?“ Manuel B. (alle Namen geändert) kann immer noch nicht fassen, dass die drei Freunde, die er noch von der Schule im oberbergischen Wipperfürth kannte, tot sind. Zum gemeinsamen Selbstmord hatten sich die drei 20-Jährigen verabredet, da sind sich die Ermittler seit gestern sicher. „Wir haben keinerlei Anhaltspunkt auf ein Tötungsdelikt oder einen häuslichen Unfall“, so Staatsanwalt Alf Willwacher.

Mittlerweile sei auch ein dritter Abschiedsbrief gefunden worden. Zwei hatte die Polizei bereits am Dienstag in der Wohnung gefunden, die Nico N. erst vor wenigen Tagen in der Gemeinde Kürten (Rheinisch-Bergischer Kreis) angemietet hatte. Dort hatte der Vater eines der drei jungen Männer die Leichen am Dienstagnachmittag gefunden. Die Wohnung ist karg eingerichtet: ein Tisch, ein Stuhl, ein Sofa, Umzugskartons, ein Fernseher. Dort, wo früher einmal eine Küchenzeile gestanden hat, liegt eine gelbe Matratze, davor Zigarettenschachteln, Handys und Alkoholflaschen. Auffällig: Unter dem Fenster steht ein Elektrogrill, darauf ein Metalleimer mit Asche. Grillanzünder liegen in der Wohnung verteilt.

Polizei und Staatsanwaltschaft schweigen zum Inhalt der Abschiedsbriefe ebenso wie zu den Todesumständen und der Frage, ob der Elektrogrill dazu diente, durch eine Kohlenmonoxid-Vergiftung zu sterben.

Nico N., der das Appartement gemietet hatte, war erst vor wenigen Wochen aus dem benachbarten Lindlar im Oberbergischen Kreis nach Kürten gezogen. Die neue Nachbarschaft steht nun unter Schock. „Das ist entsetzlich. Wenn ein junger Mensch sich alleine umbringt, das ist schon schlimm. Aber drei auf einmal, entsetzlich“, sagt eine Nachbarin. „Für junge Leute waren die doch sehr ruhig“, sagt die Wohnungsnachbarin, deren Terrasse direkt an die der Tatortwohnung grenzt. Nur am Montagabend habe sie „merkwürdige Geräusche“ gehört, sagt sie. „Als ob jemand schnarcht - aber so monoton habe ich das noch nicht gehört.“ Beobachtet wurde von den Nachbarn ein junges Mädchen, das mit einem der drei befreundet gewesen sein und sogar ein Kind von ihm erwarten soll. „Das Mädchen hat vor der Türe schrecklich geweint. Die Polizei ließ sie natürlich nicht ins Haus und hat sie zur Betreuung gebracht.“

Zwei der jungen Männer stammen aus Kürten: Nils und Steffen galten nicht gerade als „ganz pflegeleicht“, besonders im Umgang mit den Eltern. Doch Nils ging schon mal in die Kneipe um die Ecke. Eine alteingesessene Kürtenerin: „Er wirkte aber nicht so, als wenn er sich als Mitglied in der Dorfgemeinschaft fühlte.“ Erzählt wird, dass die Freunde, wenn sie zu zweit oder zu dritt unterwegs waren, über „Todessehnsüchte“ sprachen. Im nahen Imbiss kann sich der Wirt an Nico N. erinnern. „Nein, einen langen schwarzen Ledermantel, wie behauptet wird, hat er nicht getragen. Einer seiner Freunde ja.“

Der Name des 20-jährigen Nils M. findet sich auch bei www.emotreff.net , einem Netzwerk für die Emoszene, der ein Hang zur Autoaggression und Todessehnsucht nachgesagt wird. Sein Profil wurde aber seit November 2008 nicht mehr aktualisiert.

Ralph Knapp, Kürtens evangelischer Pfarrer, hat Nils vor sechs Jahren konfirmiert und den jungen Mann „in ausgesprochen guter Erinnerung". Er werde nun Kontakt mit der Familie („nette, normale Leute“) aufnehmen. „Ich kann mir nicht erklären, was junge Leute zu so etwas treibt", sagte Knapp.

In einer Videothek lieh sich Nico N. ab und an Filme aus. „Normale Filme“, hieß es in dem Verleih. In der Wohnung liegt ein Film auf dem frischen Mietvertrag. Titel: „Nur noch 60 Sekunden“, ein Action-Thriller mit Nicolas Cage. Mit Todessensehnsüchten hat der Streifen allerdings nichts zu tun. Es geht ums Klauen schneller Autos.

Freunde der drei, die sich gestern in Kürtens Nachbarstadt Wipperfürth trafen, um für eine Todesanzeige zu sammeln, können es nicht verstehen. „Wir können einfach nicht an einen Selbstmord glauben“, sagt einer. „Was ist nur in denen vorgegangen?“ (EB)