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EhrenfeldSzene-Klubs werden abgerissen

Lesezeit 2 Minuten

Bald Geschichte: Abfeiern in der Papierfabrik.

KÖLN – Sie sieht heruntergekommen aus. Mit ihren alten Industrieböden ist sie nichts für Stöckelschuhträgerinnen, die lieber über einen roten Teppich vor einer Ring-Disco stolzieren. Vielleicht gerade deshalb zählt die Papierfabrik in Ehrenfeld zu den Top-Locations der alternativen Künstler- und Musikszene. Und da die Tage der Halle gezählt sind, ist die Enttäuschung bei Betreibern wie Fans entsprechend groß. Auch der benachbarte Sensor Club muss weichen: Die GAG erwarb die brachliegenden Flächen am Grünen Weg und plant auf dem 20 500 Quadratmeter großen Grundstück sowie auf dem benachbarten Areal bis zum Melatenfriedhof den Neubau von Wohnungen und kleineren Gewerbe- und Büroeinheiten. Ende März werden die letzten Partys steigen, im April sollen voraussichtlich die Abrissbagger anrollen, erklären die Club-Betreiber.

Während sich gegen das Bauvorhaben auf dem nahe gelegenen Helios-Gelände eine Bürgerinitiative gründete, wird es am Grünen Weg voraussichtlich keine Proteste geben. „Das wird nichts bringen“, erklärt Boris Witschke. „Wir hatten mit der GAG eine Zwischennutzung vereinbart, die alle drei Monate verlängert wurde.“

Was in Ehrenfeld passiert, beschreiben Stadtgeographen mit dem Begriff Gentrifizierung. Darunter wird ein sozialer Umstrukturierungsprozess und im Allgemeinen die Aufwertung eines Stadtteils verstanden.

Parallelen zur Südstadt

Auf den brachliegenden Gewerbe- und Industrieflächen konnten sich junge Künstler und Musiker verwirklichen, so genannte „Pioniere“. In Ehrenfeld entstand eine alternative Szene - ähnlich wie Ende der 70er Jahre in der Südstadt. Die Folge: Investoren entdecken solche Viertel; Häuser und Wohnungen werden aufgekauft und saniert, die Mieten steigen, so dass sich Bevölkerungsstruktur und Charakter des Stadtteils ändern.

„Eine Stadt braucht Freiräume, nur so kann Kreativität entstehen“, ist Boris Witschke überzeugt und nennt die Hauptstadt als Beispiel. „Dieser Sog nach Berlin entstand dadurch, dass es da nach der Wiedervereinigung billigen Platz gab.“ Die Clubkultur in Ehrenfeld brauche sich in Europa nicht zu verstecken. „Café Franck, Sonic Ballroom, Bahnhof Ehrenfeld, Werkstatt, Underground, Live Music Hall - hier gibt es zehn bis zwölf Clubs in unmittelbarer Nähe. In London zum Beispiel ist zuletzt viel plattgemacht worden.“

Witschke und seine Partner Roland Schmitz und Marco Zimmermann, die auch das „Sommer of Music & Arts Festival“, kurz „S.O.M.A.“, veranstalten, suchen nun nach neuen „Freiräumen“, die in Köln rar gesät, aber nötig seien. „Die Szene wird erst einmal weiterhin in Ehrenfeld unterwegs sein. Wenn aber die Clubs fehlen, läuft das Ganze unkontrolliert ab“, sagt Witschke. Probleme mit Anwohnern seien programmiert, „wenn abends hunderte Leute auf der Straße sind“. Der Brüsseler Platz lässt grüßen.