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„Ein Richter, der die Todesstrafe verhängt“

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Der Angeklagte Daniel J. C. (M) sitzt vor dem Landgericht in Köln zwischen seinen Anwälten, Iris Stuff (r) und Tim Geißler (l) auf der Anklagebank.

„Ein Mann, der sich die Funktion eines Richters anmaßt und die Todesstrafe verhängt“: Deutliche Worte fand gestern Staatsanwalt Dr. Stephan Neuheuser im „Hilton-Mord“-Prozess vor dem Kölner Landgericht. In seinem Plädoyer hielt er dem Hauptangeklagten Daniel C. vor, aus niedrigen Beweggründen und Heimtücke den Berliner Fotografen Nikolaus G. am Samstag des Weltjugendtags im Hilton-Hotel ermordet zu haben. Der Staatsanwalt forderte nicht nur eine lebenslange Haftstrafe: Zudem sei die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Folgt das Gericht der Anklage, würde Daniel C. nicht automatisch nach 15 Jahren frei kommen.

Für die „Schuldsteigerung“, wie Neuheuser erklärte, gebe es mehrere Gründe: Er beschrieb C. als einen vorbestraften Betrüger, der stets vor der Polizei auf der Flucht gewesen sei und sein Einkommen ausschließlich illegal erzielte. „Er hatte der Rechtsordnung schon längst den Rücken gekehrt.“ Seine „sittliche Verwerflichkeit“ zeige sich in der grausamen Behandlung des Opfers, „das elendig zugrunde gegangen war.“ Zur Erinnerung: Nikolaus G. röchelte noch, nachdem er durch zahlreiche Schläge mit dem Baseballschläger am Boden lag und C. mit seinem Mittäter die Hotelsuite verließ.

Die Verteidigung des 31 Jahre alten Beschuldigten hingegen plädierte auf gefährliche Körperverletzung, indem nur ein zugegebener Schlag von C. geltend gemacht wurde. Die Anwälte hatten am gestrigen 22. Verhandlungstag bis zuletzt erneut zahlreiche Anträge eingereicht, um die Glaubhaftigkeit ihres Mandanten nachzuweisen. Doch das Gericht wies diese allesamt zurück. Als der Vorsitzende Richter um 13.50 Uhr die Beweisaufnahme schloss, erhob sich der Staatsanwalt zu seinem Plädoyer. Auch er geht nach wie vor von einem zweiten Täter bei dem Mord aus. Doch da kein eindeutiger Nachweis geführt werden kann, dass es sich dabei um den mitangeklagten Agron B. handelt, plädierte Neuheuser für diesen auf Freispruch. Das Gleiche fordert, wie nicht anders zu erwarten war, dessen Verteidiger Joachim Müller.

Die Anklage hielt Daniel C. hingegen widersprüchliche Aussagen vor, die durch andere Beweismittel widerlegt worden seien. Die Theorie, dem Fotografen wegen eines Streits um einen Auftrag nur eine „Abreibung“ zu verpassen, sei eine Schutzbehauptung. „Herr Nikolaus G. hätte bei Überleben Herrn C. wiedererkannt“, so Neuheuser. Die Folge wären Anzeige und Strafverfolgung gewesen - bei einem Mann, der wegen eines Haftbefehls auf der Flucht war. Zudem habe C. Angaben gemacht, nach denen er DNA-Spuren hätte hinterlassen müssen. Da aber nur Spuren vom Nachmieter gefunden wurden, folgert der Ankläger, dass die Täter Handschuhe trugen.

Dagegen macht die Verteidigung von C. „Ermittlungspannen“ für das Fehlen von DNA-Spuren verantwortlich. „Dass eine schlechte Beweislage besteht, ist nicht Schuld von Herrn C., sondern liegt an der Arbeit der Polizei“, sagte Rechtsanwalt Tim Geißler. In seinem Plädoyer schloss er Eifersucht als Tatmotiv aus. „Man kann nicht sagen, wer einmal lügt, sagt auch im konkreten Fall nicht die Wahrheit“, so Geißler und betonte den Unterschied zwischen Glaubwürdigkeit und Glaubhaftigkeit. „Mir sind keine Lügen meines Mandanten in diesem Verfahren bekannt.“ Das Urteil soll kommenden Montag gesprochen werden.