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Einkaufswagen auf dem Schrott

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BONN. Der Kleinkrieg um gutes Metall ist unter Schrottsammlern groß. Zumindest war es das noch in den Tagen, als sich diese Geschichte um angeblich gestohlene Einkaufswagen im Tannenbusch abgespielt hat: Im Oktober 2008 nämlich landeten mehrere Einkaufswagen eines Supermarktes auf dem Pritschenwagen von Eugen P. (alle Namen geändert), einem 49-jährigen, versierten Bonner Schrottsammler, der die „Beute" jeweils bei einem Schrotthändler ablädt und verkauft.

Beobachtet wurde er von seinem „Kollegen" Mario S., 50 Jahre alt, der sich „super darüber ärgert hat". Denn er selbst war kürzlich erst wegen Diebstahls von Einkaufswagen vom Supermarkt-Detektiv erwischt und vom Gericht verwarnt worden. Er musste es sich verkneifen, die in Tannenbusch „herumstehenden Wägelchen" als herrenlosen Schrott zu verstehen. Mario S. jedenfalls wurde vor Wut zum Denunzianten: Mit seinem Handy machte er Fotos von dem Pritschenwagen, auf dem ein Schwung ineinander geschobener Einkaufswagen gelandet war und zeigte den Fall beim Supermarkt an.

Der Marktleiter spendierte Mario „vor Freude" ein warmes Mittagessen, und rief umgehend den Schrotthändler an, um die Wagen vor der endgültigen Vernichtung zu retten: Die Einkaufswagen seien durchaus noch neuwertig und Eigentum des Supermarktes.

Der Schrotthändler Werner A. (41) reagierte pampig: Was er denn damit zu tun habe, konterte er verärgert, er habe das Zeug nur gekauft und habe sich schwarz auf weiß unterschreiben lassen, dass die Wagen Eigentum des Verkäufers sind und auch, dass er sie verschrotten dürfe. Das mache er immer so, um gar nicht erst in den Verdacht der Hehlerei zu geraten.

Den Marktleiter ärgerte es, und er zeigte sowohl Eugen P., den Schrottsammler, als auch Werner A., den Schrotthändler, wegen Diebstahls und Hehlerei von sieben gebrauchten Einkaufswagen im Wert von 180 Euro an. Immerhin, so erzählte der Vertreter des Supermarktes vor dem Bonner Amtsgericht, koste ein neuer Einkaufswagen 112 Euro, die Warenhauskette zahle jährlich bis zu 50 000 Euro für abhanden gekommene Einkaufswagen - „da muss mal ein Riegel vorgeschoben werden“.

Schrotthändler Werner A. jedenfalls wusch - auf der Anklagebank - seine Hände in Unschuld: Er habe die unterschriebene Quittung als Beweis seiner „Sauberkeit". Im Übrigen habe er bei dem „riesigen Andrang" keine Zeit, sich darum zu kümmern, ob alles, was ihm vor die Tür gefahren werde, auch wirklich Schrott ist.

Eugen P., der Sammler, räumte vor Gericht ein, dass er hin und wieder auch Einkaufswagen auf seinem Pritschenwagen habe. Aber den Aufstand um „die paar verrosteten Dinger", mit denen Kinder mal Karambolage-Rennen gefahren seien, verstand er nicht: „Für die interessiert sich doch keiner mehr." Einen systematischen Klau von Einkaufswagen bestritt er.

Der Händler warf sich für den mitangeklagten Kumpel in die Bresche: „Die Schrottpreise", sagte er mit Nachdruck, „sind so gefallen, so viele Einkaufswagen gibt es in ganz Bonn nicht, dass sich das lohnt“.

Am Ende sprach der Bonner Amtsrichter die beiden Angeklagten frei: Nicht weil er sie für unschuldig hielt, sondern weil die Anklage sich offenbar im Tattag geirrt hatte und den Schrott-Tranfers fünf Tage zu früh gelegt hatte. Gegen den Freispruch ist die Staatsanwaltschaft in Berufung gegangen. Damit ist die Schrott-Geschichte noch nicht zu Ende.