Einmal in die 50er Jahre und wieder zurück
Früher war alles besser. Wer hat diese Aussage nicht schon tausend Mal gehört? Eher müsste es wohl heißen: Früher war alles anders. Diese Erfahrung machte Katharina Blaß aus Euskirchen, die an einem außergewöhnlichen Experiment teilnahm.
Für sechs Wochen avancierte die moderne Frau wieder zum „Fräulein“ und wurde in einer Bräuteschule auf das Leben als Ehegattin und Mutter vorbereitet: Einmal in die 50er Jahre und wieder zurück - für Katharina Blaß ein unvergessliches Erlebnis.
Eher unspektakulär wurde die 22-Jährige auf das Experiment aufmerksam: „Ich saß vor dem Fernseher und dann kam der Werbespot in der ARD“, erinnert sich die Euskirchenerin noch gut. Gesucht wurden junge Damen, die einmal in die traditionelle Frauenrolle der 50er Jahre schlüpfen wollten. „Ich habe mit dem Haushalt eigentlich nichts am Hut“, berichtet Katharina Blaß. Also hat sie beste Voraussetzungen für die Aufnahme in einer Bräuteschule.
Und so war es dann auch. Nach dem zweiten Casting hatte sie sich als eine von zehn Kandidaten gegen rund 1500 Mitbewerberinnen durchgesetzt.
Per Email bekam sie die frohe Botschaft, dass sie für die neue ARD-Vorabendserie „Die Bräuteschule 1958“ ausgesucht worden ist.
Anfang April vergangenen Jahres machte sich die Euskirchenerin, die normalerweise Medienwissenschaft in Passau studiert, mit ihrer besten Freundin Annika Dahmen auf den Weg in den Hunsrück. „Ich wusste nicht, was auf mich zukommt.“ Kein Wunder, denn die vorherigen Kostümanproben wurden mit verbundenen Augen durchgeführt.
Die Internatsschule im originalgetreuen 50er-Jahre-Stil befand sich im Schloss Soonwald in Simmern. Gleich am ersten Drehtag mussten sich die zehn Darstellerinnen nicht nur von ihren Freunden und Angehörigen verabschieden, sondern sogleich auch von allen materiellen Gegenständen des 21. Jahrhunderts.
Egal ob Handy, Schminke, Schmuck oder anderes Accessoires, alles wurde in eine Tüte gesteckt und abgegeben. Doch das war nur der Anfang der experimentellen Reise in die Vergangenheit.
Anschließend mussten sich die jungen Damen abschminken und allen wurde eine 50er-Jahre- Frisur verpasst. „Ich hatte eine große Tolle auf dem Kopf und einen Haarreif an“, berichtet die Studentin, die heute noch über die biedere graufarbene Schuluniform lachen muss. Zudem trug sie einen knielangen Rock, der nicht nur wie heute üblich die Hüften, sondern auch den Bauchnabel bedeckte.
Komplettiert wurde das Ganze durch eine hellgraue Bluse mit weißem Kragen sowie Kniestrümpfen, Strumpfhalter und Liebestöter.
Der Tagesablauf in dem hauswirtschaftlichen Internat war gradlinig strukturiert: Um halb sieben klingelte der Wecker, anschließend mussten die Tiere versorgt werden und erst dann gab es Brot mit Marmelade zum Frühstück. Bis zum Mittagessen folgte theoretischer Unterricht.
Geschult wurden neben Mathe und Deutsch auch die mustergültigen Benimm- und Verhaltensregeln für Frauen der damaligen Zeit. Dazu zählte die Organisation des familiären Alltags, der Umgang mit dem Haushaltsgeld und natürlich die Zufriedenstellung des Ehegatten.
„Das Hauptaugenmerk lag auf Ordnung, Disziplin und Anstand.“ Getreu dem damaligem Rollenverständnis wurden die Pflichten einer guten Ehefrau gepaukt. Dementsprechend wurde nachmittags geputzt, gekocht, gebacken und gehäkelt.
Abwechslung in das tägliche Internatsleben brachten die wöchentlichen Tanzstunden. Der schönste Tag der Woche war der Samstag: Endlich konnte geduscht werden und anschließend ging es in die Milchbar - in die Disco der 50er.
Aus der Jukebox tönten amerikanische Rock n Roll-Songs. Und für ein paar Pfennige konnten Shakes, Zigaretten oder Schokolade gekauft werden. Ärgerlich, dass die anwesenden Männer drei D-Mark mehr Taschengeld dabei hatten. „Doch viel geflirtet haben wir nicht“, meint Katharina Blaß. „Wir mussten die Woche über körperlich hart arbeiten und nutzten die drei freien Stunden, um über die strengen Lehrer zu lästern.“
Schon nach drei Tagen in der Bräuteschule hatte die junge Euskirchnerin die Kameras ganz vergessen. Die neue Situation und der straffe Tagesablauf forderten ihre ganze Aufmerksamkeit. Denn Freude und Wut wurden viel stärker erlebt. So war die Freude der Damen groß, als ihnen statt fadem Wasser fruchtiger Apfelsaft versprochen wurde. „Doch als es dann hieß, den gibt es erst morgen, waren wir extrem wütend.“ Trotz aller Regeln hatte sie sich schnell an das strenge Leben im Internat gewöhnt. Doch nach sechs Wochen im Jahre 1958 freute sie sich über die zurück gewonnene Freiheit und darüber, endlich wieder das tun zu können, was sie will.
Auch wenn sich die emanzipierte Studentin überhaupt nicht mit dem damaligen Rollenbild identifizieren kann, ist sie von der typischen Arbeitsverteilung begeistert: „Damals wusste jeder genau, wofür er verantwortlich war“, erklärt die Enkelin des früheren Euskirchener Stadtdirektors Dr. Heinrich Blaß . Während die Männer das Geld verdienten, managten die Frauen das Familienleben.
„Heute sind die Partner für alles verantwortlich: Geld verdienen, Kinder erziehen und den Haushalt schmeißen.“ Schauspielerin möchte Katharina Blaß, die seit ihrem fünften Lebensjahr begeisterte Balletttänzerin ist, aber nicht werden. Allerdings kann sie sich vorstellen, als Redakteurin zu arbeiten.
Wer das 50er-Jahre-Spektakel im Fernsehen erleben möchte, sollte heute um 18.50 Uhr im Ersten die Premiere mit dem Titel „Die Stunde Null“ sehen. Insgesamt strahlt die ARD 16 Folgen jeweils von dienstags bis donnerstags (18.50 Uhr) bis zum 9. Februar aus.