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Fall Anna vor Gericht„Keine Kindeswohlgefährdung gesehen“

Lesezeit 3 Minuten

In Handschellen wird die angeklagte Pflegemutter in den Gerichtssaal geführt. (Bild: Matthias Kehrein)

BONN / KÖNIGSWINTER – „Ich habe keine Kindeswohlgefährdung gesehen“, sagt eine Mitarbeiterin des Jugendamts Königswinter am Montag als Zeugin im Prozess um den Tod des neunjährigen Pflegekindes Anna. Die Erschütterung über den Tod des Mädchens in der Badewanne am 22. Juli 2010 in der Bad Honnefer Wohnung der angeklagten Pflegeeltern ist der 43-jährigen Sozialpädagogin auch vor Gericht noch deutlich anzumerken. Immer wieder bricht sie für kurze Zeit während ihrer mehrstündigen Aussage in Tränen aus.

Gleichwohl erklärt die mittlerweile ins Sozialamt Königswinter versetzte Mitarbeiterin gleich zu Beginn: „Ich denke, ich habe immer korrekt und gut gearbeitet.“ Deswegen habe sie sich auch entschlossen, vor Gericht auszusagen, sagt die 43-Jährige. Da die Staatsanwaltschaft Bonn auch gegen das Jugendamt Königswinter wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung ermittelt, hätte die Sozialpädagogin die Aussage verweigern können. Doch nicht einmal die ihr vorgeworfene Manipulation der Akte des Pflegekindes nach dessen Tod verschweigt die 43-Jährige. Auf „Anweisung“ des Jugendamtsleiters habe sie aus Datenschutzgründen Aktenteile vernichtet beziehungsweise Vermerke zusammengefasst und gekürzt, so die 43-Jährige.

Zur Unterbringung Annas bei den Bad Honnefer Pflegeeltern im Juli 2008 erklärt die 43-Jährige, dass sie ursprünglich für die Vollzeitbetreuung des Kindes in einer Fachpflegefamilie gewesen sei. Allerdings sei Annas leibliche Mutter anwaltlich dagegen vorgegangen und habe selbst die Honnefer Pflegeeltern vorgeschlagen. Annas spätere Pflegemutter habe sie bei einem ersten Treffen „nicht sympathisch“ gefunden, sei aber später immer davon überzeugt gewesen, dass sich die 52-Jährige trotz aller Probleme „sehr liebevoll und engagiert“ um das Mädchen kümmere, so die 43-Jährige. Annas Essprobleme und Selbstverletzungen habe sie beispielsweise immer in Bezug zu Kontakten mit ihrer leiblichen Mutter gebracht.

Allerdings scheint die 43-Jährige nicht immer an den richtigen Stellen nachgehakt zu haben. So glaubte sie nach eigenen Angaben, dass die Pflegemutter mit dem Kind von Beginn an zu einer Therapeutin ging. Auch nach einem Gespräch mit dem besorgten Schulleiter Annas sowie einem Polizeieinsatz in der Pflegefamilie habe sie nicht das Gefühl gehabt, die Pflegemutter sei mit der Betreuung des Mädchens überfordert. Gleichwohl notierte sie in einem Gesprächsvermerk Ende November 2009 die Aussage des Pflegevaters, er sehe die Probleme mit Anna jetzt anders und seine Familie sei mit dem Kind überfordert. „Ich habe damals gesagt, wenn es weiter zu Schwierigkeiten kommt, besteht die Möglichkeit, Anna aus der Pflegefamilie zu nehmen“, erklärt sie. Das aber sei nur ein Angebot an die Pflegeeltern gewesen und nicht, weil sie „als Jugendamt“ gedacht habe, die könnten das nicht.

Im Jahr 2010 habe sie dann nicht mehr so viel Kontakt zu Anna gehabt, da zu Beginn des Jahres ein Diakonie-Mitarbeiter aus Nümbrecht zur Unterstützung bei den Pflegeeltern eingesetzt war. Allerdings habe es nie Überlegungen gegeben, Anna anderweitig unterzubringen, so die 43-Jährige. Der Pflegevater hatte dagegen in seiner Einlassung zu Prozessbeginn angegeben, man sei vom Jugendamt immer wieder vertröstet worden, dass es noch keine andere Unterbringungsmöglichkeit für Anna gebe.