Fast wie in ItalienFrühstücken bei Pütz ist Kult

Feinkost-Händler Johannes Pütz (Foto r.) verköstigt seine Kunden bei jedem Wetter. (Foto: Luhr)
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Morgens um Zehn ist die Welt in Ordnung. Dann brummt die Kaffeemaschine am Marktstand von Johannes Pütz im Akkord. An den Stehtischen hocken Fremde und Freunde auf Barhockern eng an eng, vor sich einen cremigen Cappuccino, Ciabatta mit Frischkäse oder ein paar Scheiben garantiert köstliche Salami, die der Feinkost-Händler bei einem fernen italienischen Klein-Wurster entdeckt hat.
Frühstück bei Pütz auf dem Refrather oder dem Bergisch Gladbacher Markt ist Kult. Mittwoch, Freitag und Samstag ist hier der Platz, wo man sich trifft und schnackt, während ringsum die Obst- und Gemüsehändler und Marktmetzger, die Anbieter von Käse, Fisch, Eiern, Nudeln, Gewürzen und sonstigen Waren jedem Supermarkt die Schau stehlen.
Genau so möchte Johannes Pütz es haben, so ist er in seinem Element. „Vor vielen, vielen Jahren habe ich in Lucca zum ersten Mal einen richtig großen, wimmeligen Markt erlebt“, erinnert er sich. „Was mich daran so beeindruckt hat, war die Idee der Gastfreundschaft.“ Überall probieren, hier ein Glas und dort ein Happen: „Die Menschen empfinden ihren Markt als Mittelpunkt ihres sozialen Lebens.“ Diese Kultur wünscht sich Pütz auch bei uns, „am liebsten wäre mir, wenn viel mehr Händler mitmachen würden“. Immerhin: In Gladbach bietet Chantal Vieille Alba jetzt samstags Sekt und Käsehappen, bei Ismail Kilic und anderen türkischen Traitteuren kann man Oliven und Frischkäse verkosten, die Fischfrikadellen bei Tillmann in Bensberg sind auch nicht ohne . . Ein zaghafter Anfang. Wenn es heiß ist, bekommen Flaneure bei Pütz ein Glas Wasser spendiert: „Das kostet mich nicht viel, aber ich sehe dafür am Tag hundert Mal ein Lächeln“, sagt der Gierather und zieht energisch am Hebel der Cappuccinomaschine. „Angefangen hat das 1998 sowieso eigentlich nur, weil ich gern richtig guten Kaffee trinke“, erinnert er sich, und wie gerufen ertönt von hinten „con amore“. Sechs muntere Damen und ein Herr trudeln ein und ordern eine Runde. „Der ist nämlich mit Liebe gemacht“, ruft Renate Ackermann.“ „Seit zwei Jahren treffen wir uns jeden Freitag hier“, erzählt Ingeborg Steffens. „Nach und nach sind immer mehr Leute dazu gestoßen. Das ist einfach viel lebendiger als im Café.“ Die Refratherinnen lieben den Rummel, die Atmosphäre des Marktes, tauschen Neuigkeiten aus, machen Witze, ziehen den einzigen Mann in ihrer Runde auf - was Horst Achilles mit Selbstironie erträgt.
Der „Hausherr“ beobachtet derweil die Szene unter dem rot-weißen Sonnenschirm mit Wohlwollen. Die Damen am Stand in ihren adretten Schürzen verströmen die beste Laune, ein kleines Mädchen bestellt „Kinder-Cappuccino“, eine alte Dame aus dem Seniorenwohnheim kauft eine Scheibe Wildblumenkäse: „Das macht mich glücklich“, sagt Johannes Pütz.