„Geldgierige und dumme Menschen“
WALDBRÖL. Jochen Gran ist entsetzt. „Ich hätte nie geglaubt“, sagt der Waldbröler Pfarrer, „dass es hier so einen hohen Prozentsatz rücksichtsloser, geldgieriger und dummer Menschen gibt.“ Nach seiner Sonntagspredigt, in der er die zurzeit im Kreis und den Nachbarregionen grassierende „Seuche“ der so genannten Schenkkreise aufs Korn genommen hatte, seien die Wogen hoch geschlagen, berichtete Gran gestern. Seit zehn Jahren predige er gegen die Geldgier, und jetzt sehe er in der Kirche Gemeindemitglieder, die den großen Reibach gemacht und andere, die alles verloren hätten. Jochen Gran: „Ich fürchte, dass sich dadurch Feindschaften aufbauen, denn in so einer kleinen Stadt weiß doch jeder, wer das dicke Geld abgesahnt und wer sich dafür verschuldet hat.“
Apropos Schulden: Die Volksbank Oberberg beispielsweise hat ihre Sacharbeiter bereits im Frühjahr geschult, als die ersten Schenkkreis-Veranstaltungen „aus Köln zu uns herüberschwappten“, wie es Werbeleiter Thomas Knura formuliert. Fakt sei jedoch, dass die Schenkkreise zwar moralisch verwerflich, aber nicht illegal seien. „Sollte einer unserer Mitarbeiter an so etwas teilnehmen, können wir ihm das nicht verbieten - aber unsere Leute können rechnen.“
Man könne ja kaum noch über die Straße gehen, so Knura, ohne nicht von irgendeinem Bekannten zur Teilnahme animiert zu werden. Er kenne einige Moderatoren, die hätten so viel Überzeugungskraft, „dass sie sogar dem Papst ein Doppelbett verkaufen können“. Die fast täglichen Schenkkreistreffen zeigen Insidern, dass die Weide bald abgegrast ist. Meist freuten sich nur noch die Gastwirte über einen guten Umsatz, berichtet einer, der aus Neugier teilgenommen hat. „Das geht da zu, wie bei einer Evangelisation im amerikanischen Stil.“
Jochen Gran sieht, dass es längst „nicht mehr nur gelangweilte Reiche sind, denen 5 000 oder 10 000 Euro Verlust nicht wehtun“, sondern vermehrt auch Jugendliche oder Mittellose, die hofften, auf einen Schlag alle Sorgen los zu sein.
Die Bank setzt auf Aufklärung. Thomas Knura: „Wenn wir sehen, dass einer einen Kleinkredit für diese Zwecke aufnehmen will, versuchen wir ihn natürlich davon zu überzeugen, dass dieses Geld in den Sand gesetzt ist.“ Verwehren könne man, bei entsprechender Bonität, den Kredit nicht, „wir können ja auch keinem verbieten, das Geld ins Spielkasino zu tragen“.
Dass die Chance, jemals zu den „Beschenkten“ zu gehören, alleine schon mathematisch gegen Null tendiert, schreckt laut Gran kaum jemanden. „Jeder handelt nach dem Prinzip ,nach mir die Sintflut', und dementsprechend brutaler werden die Methoden, andere in den Strudel hineinzuziehen.“ Das werde die Kirche nicht tatenlos hinnehmen. „Bis Weihnachten wollen wir dieses Treiben gestoppt haben.“