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Grausige GrachtenfundeRätsel um Amsterdams Wasserleichen

Lesezeit 2 Minuten

Stille Wasser sind tief: In den Grachten von Amsterdam werden oft Wasserleichen gefunden. (Bild: Bernd Schöneck)

AMSTERDAM - Der Taucher ist der Mörder. Wenn er in dem Action-Krimi „Verfluchtes Amsterdam“ zuschlägt, laufen einem Schauer über den Rücken. Fast täglich fischen Polizisten in dem Thriller-Oldie von 1988 Wasserleichen aus den malerischen Grachten der niederländischen Hauptstadt. Im wirklichen Leben passiert das laut Polizeistatistik etwa einmal pro Monat. Immer noch viel zu oft, findet der trauernde Vater Ricky Wittbom aus Schweden. Er will nun, „dass die Grachten durch Hecken oder Zäune sicherer gemacht werden“.

Fast vier Wochen war Wittbooms Sohn Dennis vermisst. Jetzt kam seine bis zur Unkenntlichkeit entstellte Leiche in einem Kanal vor dem Hauptbahnhof an die Oberfläche - zum Entsetzen Hunderter Touristen. Als Zeugen den 24 Jahre alten Schweden zuletzt sahen, war er „ganz schön blau“ und unterwegs zu seinem Hotel an der weltbekannten Rotlichtviertel-Gracht Oudezijds Voorburgwal. Dennoch gilt die Todesursache - wie so oft bei Amsterdamer Wasserleichen - offiziell als nicht mehr völlig eindeutig zu bestimmen.

Auftauchen erst nach langer Zeit

Polizeisprecher Arnout Aben erklärt das unter anderem mit den Unmengen von Schrott und Unrat am Boden der Grachten. „Da liegen Fahrräder, gesunkene Boote und sonstiges Zeugs, an dem sich Tote leicht verfangen“, sagt er. Bis die Strömung sie endlich losreißt, könnten viele Wochen, manchmal Monate vergehen. Solche Leichen seien durch Körpergase und das Wasser schrecklich aufgedunsen. „Gerichtsmediziner haben es dann sehr schwer.“

Von dem Vorschlag, entlang der Kanäle Absperrungen zu errichten, hält die Polizei wenig. Es sei nichts weiter als ein Gerücht, dass im „Venedig des Nordens“ immer wieder zugekiffte Touristen nach dem Besuch von Haschisch-Cafés beim Pinkeln in eine Gracht fallen und ertrinken. „Von den zwölf Wasserleichen des letzten Jahres hatte nur eine einen offenen Hosenschlitz“, sagt Aben. „Und das war ein Amsterdamer.“

Soweit die Ursachen für „Grachtentode“ ermittelt werden können, klingen sie meist recht „profan“: Ein Rentner, der nach einem Herzinfarkt ins Wasser fiel. Eine ältere Selbstmörderin. Gelegentlich auch ein echter Mord, wie ihn vor einiger Zeit ein Zuhälter an einer Prostituierten verübte, deren Leiche er in einer Gracht versenkte.

Berichte über eine „lebensgefährliche Kombination“ von Marihuana-Kneipen und Kanälen mit rutschigen Ufern seien Fantasieprodukte. „Über Ostern hatten wir täglich 50.000 Touristen im Grachtengürtel - und keiner ist ins Wasser gefallen.“ Allerdings hatte 2008 der Tod eines französischen Teenagers für Aufsehen gesorgt, der sich unter dem Einfluss von Psycho-Pilzen von einer Brücke stürzte. Wenig später wurde der Verkauf solcher Pilze landesweit verboten. (dpa)