Großer Zapfenstreich in Euskirchen
EUSKIRCHEN. Als belgische Nato-Streitkräfte und deutsche Bundeswehrsoldaten Anfang der 60er Jahre in Euskirchen stationiert waren, da lebte die Stadt förmlich von ihrem Status als Garnisonsstadt. 4500 bis 5000 Menschen trugen hier Uniform oder waren von den Streitkräften abhängig.
Heute haben die Dienststellen der Bundeswehr in der Kreisstadt noch zwischen 1000 und 1100 Soldaten und zivile Mitarbeiter. Und die haben, zusammen mit der Bevölkerung, allen Grund zum Feiern, denn die Bundeswehr ist seit 50 Jahren in Euskirchen vertreten.
Gestern klärte Oberstleutnant der Reserve Joachim Sattler im Rahmen einer Pressekonferenz einen weit verbreiteten Irrglauben auf, die Sprachenschule der Bundeswehr sei die erste Einheit der deutschen Nachkriegsarmee in Euskirchen gewesen. „Es war das Kreiswehrersatzamt, das in der Mittelstraße 38 residierte“, so Sattler, der als begeisterter Militärhistoriker die Geschichte der Bundeswehr in der Region erforscht.
22 Dienststellen in 50 Jahren
Wie viele wichtige Entwicklungen in Euskirchen hat auch die der Bundeswehr Bezüge zur ehemaligen Gaststätte Hilgers, der „Concordia“, denn in einem Hinterzimmer dort, so Sattler, habe ein Wehrmachtsoffizier a.D. erste Organisationsstrukturen für das Euskirchener Kreiswehrersatzamt festgelegt, für das am 10. Januar 1957 eine Zahlstelle eingerichtet wurde. Am 21. Januar nahm die Dienststelle ihre Arbeit auf, am 18. Februar wurden erste Wehrpflichtige des Jahrgangs 1937 aus dem Kreis Euskirchen hier gemustert.
1959 erst kam die Sprachenschule der Bundeswehr nach Euskirchen. Sie residierte damals in der Villa Lückerath in Kessenich, dem so genannten „Haus Friedrichsruh“, in der Soldaten und hochrangige Offiziere, darunter auch Oberst Gerd Schmückle, ihre Sprachkenntnisse auf Vordermann bringen ließen. Der war später als Vier-Sterne-General stellvertretendner Kommandeur der Nato-Streitkräfte in Europa, also Deputy Supreme Allied Commander Europe (Saceur).
Weitere bedeutende Dienststellen kamen in die Kreisstadt westlich von Bonn: Die Schule für Psychologische Verteidigung ins Alte Klösterchen, das Sanitätsdepot der Bundeswehr an den Tuchmacherweg, später in die Veybachstraße, das Luftwaffenparkregiment 2. In der Generalmajor-Freiherr- von-Gersdorff-Kaserne gab es das Jägerbataillon 532 und das Feldartillerie-Bataillon 535 sowie das ABC-Ausbildungszentrum 3 / 2, später auch das Kraftfahrausbildungszentrum Euskirchen.
In der ehemaligen Funkerkaserne, der jetzigen Mercatorkaserne, stellten Soldaten der Fernmeldeweitverkehrskompanie die Funkverbindungen der Bundeswehr sicher, am Jülicher Ring neben der Kreisverwaltung stöpselten Mitarbeiter der Grundnetz- und Vermittlungsstelle der Bundeswehr unterirdisch die Telefonverbindungen für das militärische Netz.
Heute hat Euskirchen seine überragende militärische Bedeutung durch das Amt für Geoinformationen der Bundeswehr in der Mercator-Kaserne und der Gersdorff-Kaserne. Öffentlich für Furore sorgt immer wieder die Big-Band der Bundeswehr, während die SatCom-Stelle der Nato, die weiße Kugel, für weltweite Kommunikation der Streitkräfte sorgt.
Außerdem sind in der Kreisstadt Teile des Heeresamtes IV, das Zentrum für Informationstechnik der Bundeswehr (also die High-Tech-Software-Schmiede der Armee), Teile des Streikräfteamtes, das Familienbetreuungszentrum und das Dienstleistungszentrum Bonn mit seinem Servicebereich Euskirchen stationiert. Hinter dem Namen der hier genannten Dienststelle verbirgt sich die ehemalige Standortverwaltung. Und natürlich gibt es auch das Familienbetreuungszentrum der Bundeswehr, in dem die Angehörigen von Soldaten, die im Auslandseinsatz sind, betreut werden. Auch auf Euskirchener Gebiet liegt das ehemalige Munitionsdepot Rheinbach, das damit ebenfalls zu einheimischen Liegenschaften gehört und mittlerweile zum Munitionslager abgestuft ist.
Bei derart vielen aktuellen und ehemaligen Bundeswehreinheiten und einer 50-jährigen Geschichte in der Kreisstadt will die Armee feiern und daran die Bevölkerung teilhaben lassen. Das soll nicht mit einem Tag der offenen Tür geschehen, wie das in den vergangenen Jahren im Sommer immer wieder einmal der Fall war, sondern durch einen Jubiläumstag mit Empfang, Ausstellung und Großem Zapfenstreich, wie Oberstleutnant Ingo Gennat vom Standort Euskirchen, Oberleutnant Thomas Scheibe und Oberstabsfeldwebel Andreas Peltzer vom Streitkräfteunterstützungskommando sowie Oberstleutnant der Reserve, Joachim Sattler, gestern erläuterten.