Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Harald Juhnke gestorben

Lesezeit 5 Minuten

Harald Juhnke ist tot.

Berlin - Selten war eine Schauspielerkarriere von soextremen Höhen und Tiefen gekennzeichnet wie die von Harald Juhnke.Das Ende kam nicht unerwartet, denn schon früher hatten in seinerüber 50-jährigen Laufbahn im Theater, auf der Kinoleinwand und imFernsehen oder auf der Showtreppe viele seiner Freunde und Anhängeroft um ihn bangen müssen. Allzu häufig hatte Juhnke bereits dasWechselbad von "Himmelhochjauchzend und Zu-Tode-betrübt" strapaziert,"Barfuß oder Lackschuh", wie der Entertainer auch gerne sang. AmFreitagmorgen starb er nun im Alter von 75 Jahren. In den letzten Jahren seiner "Sieben Leben", wie er seine Memoirennannte, machte Juhnke immer häufiger wegen seiner AlkoholexzesseSchlagzeilen. Nach dem letzten schweren Zusammenbruch im Sommer 2000nach Dreharbeiten in Baden bei Wien machte er die längste Zwangspausein seiner Karriere durch, die trotz aller ärztlichen Bemühungenschließlich im Dezember 2001 in ein Pflegeheim für geistig verwirrteMenschen in Fredersdorf bei Berlin führte. Am 10. Juni 2004 wurde er- in Abwesenheit - in einer ZDF-Gala von Freunden und langjährigenWeggefährten zu seinem 75. Geburtstag geehrt. Seine Frau Susanne, die durch seine Krankheit beinahe am Endeihrer Kräfte war, hatte sich einmal gefragt: "Ich weiß nicht genau,ob er überhaupt weiß, wer er eigentlich ist. Er spielt immer eineRolle." Im Herbst 2003 veröffentlichte Susanne Juhnke ihre Memoiren,in denen sie ihren jahrelangen und schließlich vergeblichen Kampf umihren Mann und gegen seine Alkoholsucht beschreibt. Es sindErinnerungen an den geliebten Mann, vor dem sich die Frau zu Hausemanchmal fürchten muss und der sie im Delirium auch mal anschreit:"Weißt du überhaupt, wer ich bin? Dein Mann? Ich bin Deutschlandsgrößter Schauspieler!" "Tingel-Tangel"-Leben, Klamottenfilme und Unterhaltungsshowswechselten in späteren Jahren mit darstellerischen Höhenflügen ab,die ihm endlich die ersehnte Anerkennung im Feuilleton brachten, unddie doch seine immer häufiger werdenden Abstürze in Depressionen undAlkoholexzesse nicht verhindern konnten. Die Ärzte warnten ihn immereindringlicher, der nächste Schluck könne der letzte sein. Doch dieWarnungen verpufften. Juhnke hatte als Enfant terrible und "blauer Bengel" stets fürSchlagzeilen gesorgt. Es begann schon in den 50er Jahren, als Juhnkeviele der "Quatschfilme" drehte, wie sie der frühere Generalintendantdes Berliner Schiller- Theaters, Boleslaw Barlog, nannte und Juhnkedafür jovial von seinen Bühnenverpflichtungen befreite. Danach folgteeine erstaunliche Bühnenkarriere - in dem Musical "Irma la Douce"wurde 1962 der Showstar und Theaterschauspieler Juhnke entdeckt. MitFranz Molnars "Liliom" (1970), Molière, Eugene O'Neill und PeterTurrini in den 80er Jahren gelang Juhnke zunächst tatsächlich der vonihm so lang ersehnte Sprung "von den Klatschspalten ins Feuilleton",wie er es einmal selbst formulierte. Seine Fernsehkarriere startete Juhnke 1979 mit einem Rückschlag,als er die Peter-Frankenfeld-Nachfolge in der ZDF-Sendung "Musik istTrumpf" offenbar nicht verkraftete. "Wieder war's der Alkohol"lauteten die Schlagzeilen. Mitte der 80er Jahre trennte sich das ZDFvon Juhnke, nachdem dieser Shows platzen ließ. Doch die ARD empfingden Entertainer mit offenen Armen. Das Fernsehen bediente er mitShows und Serien. Seine brillant gespielte Rolle in Helmut DietlsFilmgroteske "Schtonk" (1992) um die gefälschten Hitler-Tagebücherwar Juhnkes "seriöser Durchbruch" auch beim breiteren Publikum. Mit Grit Boettcher war er in der ZDF-Sketchreihe "Ein verrücktesPaar" zu sehen; der Berliner Star spielte aber auch in mehr als 70Kinofilmen mit. Das US-Branchenblatt "Variety" nannte ihn "dieeuropäische Ausgabe von Walter Matthau" - "da is'n bisschen watdran", sagte Juhnke erfreut. Selbstbewusst nannte er sich auch immerwieder in einem Atemzug mit Frank Sinatra und interpretierte dessenWelthit "I Did It My Way" (Ich ging meinen eigenen Weg) - "Sinatravon der Spree" wurde er auch genannt. 1993 erhielt Juhnke den Ernst-Lubitsch-Preis. Die Hauptrolle als rechtsextremer Demagoge in demFilm "Der Papagei" trug ihm den Bayerischen Fernsehpreis ein. Ein Jahr später glaubte Juhnke, sein Alkoholproblem im Griff zuhaben. Doch zum Jahresende posierte er wieder betrunken vorFotografen und schloss sich mit einer 18-jährigen Schülerin in einemHotelzimmer ein. Nach dem Boulevard-Klassiker "Sonny Boys" kam Juhnkesich und seinem immer wieder verdrängten Alkoholproblem im Sommer1995 mit der Verfilmung von Hans Falladas "Der Trinker" sehr nahe.Damals sagte er: "Meine Karriere ist so weit oben wie noch nie. Eswäre doof, sie zu gefährden und in den alten Schlendrian zu fallen."Wenig später musste Juhnke wegen seiner Alkoholsucht jedoch wiederins Krankenhaus. 1996 triumphierte Juhnke im Berliner Maxim Gorki Theater als"Hauptmann von Köpenick" von Carl Zuckmayer. Regie führte KatharinaThalbach. Im Januar 1997 holte Juhnke der Alkohol nach einemZechgelage mit dem Rocker Udo Lindenberg wieder ein. Die Situationeskalierte, als Juhnke in einem Hotel in Hollywood angeblich einenfarbigen Wachmann mit rassistischen Äußerungen beleidigt. Am 17. August 1997 feierte Juhnke dann das Ende einererfolgreichen Aufführungsserie des "Hauptmann" am Gorki Theaterwieder mit Alkohol. Tagelang betrank er sich Juhnke in seiner Villaim Berliner Grunewald, umlagert von Journalisten. Bilder von Juhnkemit zerschundenem Gesicht - er war auf eine Tischglasplatte gestürzt- und der Weinflasche in der Hand gingen durch den Blätterwald undüber die Bildschirme. Es folgte ein mehrmonatiger Klinkaufenthalt. In seinen 1998 erschienenen Memoiren ("Meine sieben Leben") gibtder Schauspieler Einblick in sein Seelenleben und nennt Gründe fürsein Trinken, die ehrlich klingen: "Ich sehe mich manchmal als einenmüden Mann, der mit sich privat wenig anzufangen weiß - aufdeprimierende Weise wenig anzufangen weiß." Das alte Lied vom Clown,der immer lustig sein soll und spielen muss - "lache Bajazzo", undeigentlich wenig Lust dazu hat, weil er innerlich verzweifelt ist. An seinem 70. Geburtstag im Juni 1999 frohlockte Juhnke, seinAlkoholproblem endlich überwunden zu haben: "Ich habe es geschafft,ich kann es mir auch nicht mehr leisten." Insgesamt drei Jahre blieber "trocken", bis zum 11. Juli 2000, als er nach anstrengenden TV-Dreharbeiten in Österreich wieder zur Flasche griff und die Nacht zumTage machte. Das letzte Kapitel begann. (dpa)