Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

HochwasserpolderIn 16 Stunden läuft Lülsdorfs Wanne voll

Lesezeit 3 Minuten

Ab 11,30 Meter, deuten Helmut Esch (rechts) und Harry Mohn von der Stadt Niederkassel an, kann der Polder kontrolliert geflutet werden. Foto: Mischka)

Niederkassel – Das nächste Hochwasser kommt bestimmt. Ob es dramatische Ausmaße annehmen wird oder nicht, lässt sich heute sehr gut vorhersagen. „Die Prognosen für den Rhein sind sehr genau“, so Diplom-Ingenieur Harry Mohn, der Hochwasserexperte der Stadt Niederkassel. „Da wissen wir schon zwei Tage im Voraus, was auf uns zukommt.

Niederkassel selbst ist gut geschützt vor den Fluten des Rheins, sagt auch Beigeordneter Helmut Esch. Bis zu einem Kölner Pegel von 11,90 Metern, der statistisch nur alle 200 Jahre erreicht wird, sind die Ortsteile sicher. Das letzte fehlende Teilstück des Hochwasserschutzes an der nördlichen Uferstraße in Lülsdorf ist erst kürzlich fertiggestellt worden und muss nur noch verkleidet werden, sagt Mohn.

Die Domstadt Köln ist da bedeutend schlechter dran, bei 11,31 Meter Kölner Pegel läuft die Altstadt voll; Zündorf und der Rheinauhafen sogar schon bei 10,71 Meter. Da helfen auch die Spundwände nicht mehr. Um Schaden von der Altstadt abzuwenden, ist im so genannten Langeler Bogen zwischen Niederkassel-Lülsdorf und Köln-Porz-Langel in zweijähriger Bauzeit zwischen 2007 und 2009 ein Polder geschaffen worden. Dazu wurde der ungefähr 2,6 Kilometer lange Altdeich zwischen Lülsdorf und Porz-Langel saniert, um 20 Zentimeter erhöht und von Süden aus ein neuer zwei Kilometer langer Deich gebaut, der in Lülsdorf an den Altdeich anschließt und am Südrand von Langel an der Lülsdorfer Straße endet. 4,5 Millionen Kubikmeter Wasser fasst das künstliche Becken dazwischen und soll der auf Köln zurollenden Hochwasserwelle im Fall des Falles die Spitze nehmen. Bis zu 4,5 Zentimeter soll das den Pegel abschwächen - klingt auf den ersten Blick wenig, kann aber ganz entscheidend sein. 18 Millionen Euro hat das Land Nordrhein-Westfalen für das Projekt insgesamt ausgegeben.

Landwirte hätten das Nachsehen

Wie im Ernstfall vorgegangen wird, ist minutiös im Hochwasseralarmplan festgehalten. Das Papier enthält alle Anweisungen, die je nach Pegelstand wer, wann und wo zu befolgen hat, schildert Diplom-Ingenieur Mohn. Ab einem Kölner Pegel von 10,60 Meter beginnt die Flutbereitschaft, mit weiter steigendem Wasserstand werden Vorbereitungen zur Flutung des Retentionsbeckens getroffen, beispielsweise landwirtschaftliche Maschinen von den Ackerflächen im Retentionsraum entfernt. Ab einem Pegel von 11,30 Meter sind dann alle Kräfte von Bauhof, Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und DRK im Einsatz und sperren den Polder ab. Das letzte Wort zu seiner Flutung hat die Kölner Hochwasserzentrale. Manuell muss in diesem Fall das Einlassbauwerk geöffnet werden. Es besteht aus 54 Klappen von je 40 Zentimetern Höhe. Wenn alle geöffnet werden, fließen bis zu 90 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in das Becken. 16 Stunden dauert es, bis die „Badewanne“ voll ist, sieben Tage, die 4,5 Millionen Kubikmeter Wasser mit sinkendem Rheinpegel wieder abzulassen.

Leidtragende der Flutung wären natürlich die Landwirte, die auf der 158 Hektar großen Fläche Ackerbau betreiben, unter anderem Spargelanbau. Sie erhalten nämlich keine Entschädigung im Fall des Falles. Zwar möchte niemand im Niederkasseler Rathaus den Teufel an die Wand malen, die Wahrscheinlichkeit, den Polder fluten zu müssen, ist nicht sehr groß.

In den letzten drei Jahrhunderten wäre es nicht notwendig gewesen, so Mohn und Esch. „Aber es ist gut zu wissen, dass wir so ein Ass in der Hinterhand haben.“