„Ich will mein Leben tanzen“
„Meike hat es leider nicht geschafft: Sie ist heute um 15.45 Uhr gestorben.“ Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, verschickt diese Nachricht am 3. Februar 2005 als Rundmail an Freunde, Verwandte und Bekannte. Er führt damit etwas zu Ende, was seine Tochter Meike angefangen hat. „Dieses Email-Schreiben an euch ist mir sehr zum Bedürfnis geworden“, schreibt sie ihren Freunden im November 2003, als sie bereits einige Monate mit der Diagnose Leukämie im Krankenhaus liegt. Als Tagebuch, versehen mit Zeichnungen, Gedichten und Fotos, hat der Medienverband der Evangelischen Kirche im Rheinland nun Meikes Aufzeichnungen als Buch herausgegeben.
Stress ist Meikes Eigendiagnose, als sie Ende März 2003 unter Kopfschmerzen und Kreislaufproblemen leidet. Nach wenigen Tagen geht es ihr so schlecht, dass der Notarzt kommen muss. Meike glaubt immer noch an ein verschlepptes Pfeiffersches Drüsenfieber. Schließlich stellt sich heraus: In ihrem Blut lassen sich Krebszellen nachweisen, die Leukämie ist bereits weit fortgeschritten. Die 20-Jährige will sich nicht unterkriegen lassen. „Wenn ich Leukämie habe, dann werde ich eben Leukämie überleben.“
Gefühle, Gedanken, Ängste und Hoffnungen schreibt Meike in ihr Tagebuch. „Für Meike war es ein Traum, Schriftstellerin zu werden“, sagt ihre Mutter Anne Schneider. Für die Familie war es eine Art Vermächtnis, dass sie erfüllen wollte. Meike hatte schon an einer Buch-Fassung gearbeitet, als sie die Leukämie nach einer Knochenmarkttransplantation besiegt glaubte. „Das Buch soll für Menschen sein, die eine Krankheit haben, bei der die Wahrscheinlichkeit des Sterbens da ist“, sagt ihre Mutter. Meike verliert auch trotz Chemo-Therapien und langen Krankenhausaufenthalten nicht den Mut, an eine Gesundung zu glauben. Sie schreibt eine Liste mit den Dingen, die sie noch von ihrem Leben erwartet: dass ein Mann ein Lied für sie schreibt, dass ein Buch von ihr veröffentlicht wird, dass sie ihr Studium beendet, heiratet, Kinder bekommt. „Ich bin so, so, so glücklich über mein Leben, dem ich wieder zu vertrauen beginne“, schreibt sie im Winter 2004. Sie tritt bei Jürgen Fliege auf, bei der José-Carreras-Gala. Die Fotos im veröffentlichten Tagebuch zeigen eine junge Frau, die zumeist fröhlich in die Kamera blickt.
Doch dann kommt ein Rückfall, wieder Krankenhausaufenthalte, wieder Schmerzen. Ihr Vater übernimmt die Aufgabe, die Freunde per Mail auf dem Laufenden zu halten. Schließlich stirbt Meike auf der Intensivstation nach einer Lungenentzündung an Herzversagen. „Es tröstet uns auch, dass Meike ohne Schmerzen, Luftnot oder gar Ersticken sterben konnte“, schreibt Nikolaus Schneider.
Als Religionslehrerin und Ehefrau des Präses weiß Anne Schneider, dass viele auch darauf achten, wie sie mit der Situation umgehen: „Viele fragen sich: Trägt das, was die immer predigen?“ Die Mitarbeit an Meikes Vermächtnis hat ihr geholfen, mit dem Tod ihrer Tochter umzugehen. „Für mich ist es gut, wenn ich mich mit etwas beschäftige, darüber rede und weinen kann“, sagt sie. „Und vielleicht ist es auch für andere wichtig zu erfahren, dass man trotz Krankheit wie Meike leben kann“.
Meike Schneider, „Ich will mein Leben tanzen“, 176 Seiten, 18,80 Euro, herausgegeben vom Medienverband der Evangelischen Kirche im Rheinland, Bestellung: Telefon (0211) 4 36 90 - 422.