ImmenburgstraßeSex zwischen Palisadenwänden

Das Verrichtungsgelände befindet sich auf einem Parkplatz ind er Immenburgstraße. (Foto: Böschemeyer)
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BONN – Romantisch sieht anders aus: Ein paar Palisadenwände, wie man sie im Baumarkt findet, ein alter mit Graffiti beschmierter Abfalleimer, graue Pflastersteine - fertig ist die „Liebeslaube“. Sechs dieser im Amtsdeutsch Verrichtungsboxen genannten Abstellkammern sind auf einem Parkplatz an der Immenburgstraße errichtet worden. Seit dem 1. Januar, 20 Uhr, gehen auf diesem Verrichtungsgelände Prostituierte ihrem Gewerbe nach.
Es löst den bisherigen Straßenstrich in der Gerhard-Domagk-Straße und am Probsthof ab, wo es, wie berichtet, zu heftigen Protesten von Anwohnern gegen die Huren und ihre Freier gekommen war. Als dort in den 60er Jahren die ersten Frauen ihre Dienste anboten, hätten sich in der Gegend minderwertige Betriebe wie Schrottplätze befunden, erinnerte sich Günter Dick, der stellvertretende Leiter des Ordnungsamtes. Dann aber siedelten sich am Probsthof Büros an, in der Gerhard-Domagk-Straße die chemischen Institute der Universität - Straßenstrich und Nobelbetriebe vertrugen sich nicht. Studentinnen der Uni wurden von Männern belästigt, Prostituierte fuhren mit ihren Freiern auf Firmenparkplätze und in Wohngebiete, Sexgeschäfte am helllichten Tag empörten Anwohner. Die Bezirksregierung in Köln forderte als Genehmigungsbehörde die Stadt schließlich auf, den Strich zu verlegen.
14 Standorte wurden untersucht, 13 als ungeeignet verworfen, so dass der Stadtrat am 16. Dezember 2009 mit Mehrheit beschloss, als Anbahnungsgelände - also die Strecke, auf der sich die Prostituierten anbieten können - die Immenburgstraße von der Gerhard-Domagk-Straße bis zur Karlstraße auszuweisen. Das gesamte weitere Stadtgebiet wurde zur Sperrzone erklärt. Das Pikante an diesem Beschluss: Die Anbahnungszone liegt in der Nachbarschaft des Bordells in der Immenburgstraße. Das Verrichtungsgelände wurde auf dem ehemaligen Güterbahnhof hergerichtet.
Nach dem Bekanntwerden dieser Ratsentscheidung jubelte vor allem die Uni, Anlieger der Immenburgstraße wie zum Beispiel der Eaton-Konzern oder Knauber protestierten. Die Firma Fressnapf reichte beim Verwaltungsgericht Köln Klage gegen die Sperrgebietsverordnung ein, die von den Kölner Richtern abgewiesen wurde, jetzt aber beim Oberverwaltungsgericht Münster anhängig ist. Es sieht nach Mitteilung der Stadt schutzbedürftige Belange der Klägerin bedroht und schlug eine Verkürzung der Anbahnungszone vor. Die wird jetzt von der Karlstraße und der Straße Am Dickobskreuz begrenzt und ist 400 Meter lang. Die Boxen kosten 120.000 Euro, die Miete für das den Stadtwerken gehörende Areal 65.000 Euro pro Jahr, hinzu kommen 54.000 Euro für den Wachdienst. Der Securitymann sitzt zwischen 20 Uhr und 6 Uhr, den Öffnungszeiten des Verrichtungsgeländes, in einem Container. Dort läuft auch der Alarm auf, den jede Prostituierte in einer der sechs Boxen per Knopfdruck auslösen kann, wenn sie sich bedroht fühlt. Dienstags und donnerstags halten Caritas und der Soziale Dienst der Stadt in einem zweiten Container Sprechstunden für die Huren ab. Sie können sich dort auch einen Kaffee kochen, die Toilette benutzen und sich in einem Waschraum erfrischen.
Seit dem 1. Januar, 20 Uhr, „floriert das Geschäft“ auf dem Parkplatz, hat sich Ordnungsdezernent Wolfgang Fuchs berichten lassen. 20 bis 25 Prostituierte schaffen dort regelmäßig an - von etwa 100 registrierten.