In Schleiden geht der Ofen aus
Gestern Morgen um 7 Uhr war Schicht in der Schleidener Glashütte. Nach rund 100 Jahren schließt der Betrieb seine Pforten, die Firma Ardagh stellt die Produktion in der Eifel ein.
SCHLEIDEN. Während in den Anfängen der traditionsreichen Produktionsstätte Essig hergestellt wurde, verließen seit Kriegsende Glas-, zeitweise auch Kunststoffflaschen das Werk. Doch nun geht im wahrsten Sinne des Wortes der Ofen aus - und rund 90 Mitarbeiter sehen einer ungewissen Zukunft entgegen.
Eigentlich hätte die letzte Schicht in der Glashütte Ende des Jahres gefahren werden sollen, doch die Firma Ardagh-Glass schließt die Produktionsstätte zwei Monate früher als geplant. Mit einem Schreiben vom 31. Oktober wurde den Mitarbeitern die vorgezogene Schließung mitgeteilt. Bei dieser Gelegenheit möchten wir unbedingt die unter diesen Umständen sehr guten, letzten Monatsergebnisse von Schleiden hervorheben, heißt es im Brief der Firmenleitung. Und weiter: Die Motivation der Mitarbeiter war bis zum Schluss wirklich beeindruckend und absolut beispielhaft. Im Namen der Geschäftsführung möchten wir allen Beteiligten Lob und unseren Dank für ihren großartigen Einsatz aussprechen.
In den kommenden Wochen sind Gespräche mit der Arbeitsagentur angesetzte. Während einige wenige Mitarbeiter - auch der Betriebsleiter - ins Ardagh-Werk Germersheim wechseln, sieht die große Mehrheit der Belegschaft einer ungewissen Zukunft entgegen. Obwohl ein Zülpicher Unternehmen Interesse an einigen Spezialisten angemeldet hat, hängt die Mehrheit der Mitarbeiter in der Luft.
Jana Mucholeth aus Euskirchen war vor zwei Jahren der Weg in ihren erlernten Beruf als Krankenschwester verwehrt worden. Arbeit fand sie in der Schleidener Glashütte. Jetzt hofft sie, in ihren erlernten Beruf zurückkehren zu können.
Was sollen wir tun, wir haben doch keine Chance. Betriebsratsvorsitzender Heinz Keupgen klingt ein wenig resigniert. Die Entscheidung über die Betriebsschließung fiel vor Monaten - die Mitarbeiter haben es zu akzeptieren. Sicher ist, dass die Beteiligten erhalten bis zum Jahresende ihren Lohn erhalten.
100 Tonnen
Glas im Ofen
Um kurz nach 7 Uhr machte sich gestern Morgen eine wehmütige Stimmung in der Glashütte breit: Die Produktionsmaschine wurde heruntergefahren, bis kein glühendes Glas mehr floss, aus dem Sektflaschen geformt werden konnten. Einige Männer stellten Kerzen auf, andere malten schwarze Kreuze an die Wand. Währenddessen stand schon eine Spezialfirma bereit, um Löcher in die Schmelzwanne zu bohren, damit das flüssige Glas abfließen konnte. Die Feuerwehr Schleiden half, indem sie Wasser aus der Olef pumpte: Für den Abfluss sind enorme Wassermengen nötig, damit das 1000 Grad heiße, flüssige Glas im Abflussrohr nicht härtet. Nur wenige Minuten, nachdem das flüssige Glas den Ofen verlassen hatte, lag es zerkleinert im Hof. In Germersheim wird es wohl zu neuem Glas eingeschmolzen. Im Ofen befanden sich gestern rund 100 Tonnen Glas. Zwei Tage wird es dauern, bis der Ofen komplett geleert ist. Nach 14 weiteren Tagen ist er soweit abgekühlt, dass er begangen werden kann.
Keupgen zeigte ein wenig Verständnis für die Entscheidung der Konzernleitung. Unser Ofen brauchte eine Generalüberholung. Da war es billiger, das Werk zu schließen und in Germersheim einen größeren, leistungsfähigeren Ofen zu bauen.