Interview mit Biggi Wanninger„Wie kriegen wir das witzig? ”
Im Eiscafé van der Put am Höninger Platz sitzen vor allem Rentner und Besucher des gegenüberliegenden Südfriedhofs. Biggi Wanninger steuert den hintersten Tisch an und bestellt sich eine heiße Waffel mit Kirschen und Sahne.
Als ich diesen Ort vorschlug, haben Sie am Telefon gelacht. Wieso?
Ich hole mir hier zwar öfter ein Eis, zum Beispiel, wenn ich vom Bötchenfahren auf dem Kalscheurer Weiher komme. Aber auf die Idee, mich hier für ein Arbeitsgespräch hinzusetzen, würde ich erst mal nicht kommen.
Warum nicht?
Ich tendiere diesbezüglich eher zur Südstadt. In Raderthal gibt es halt nicht viel zum Ausgehen. Es gibt allerdings viele Friseure und immer mehr häusliche Pflegedienste - und die brauche ich jetzt nicht wirklich.
Sie wohnen an der Schulze-Delitzsch-Straße. Was ist dort besonders?
Die funktioniert im Grunde wie eine große Wohngemeinschaft. Hier leben Leute, mit denen man schnell in Kontakt kommt und auch Freundschaften schließt. Im Sommer ist das die nördlichste Straße Italiens - das ist dann quasi unsere „Stammkneipe“.
Die Schulze-Delitzsch-Straße, benannt nach dem Begründer des deutschen Genossenschaftswesens, ist nicht ganz unbekannt. Sie besteht aus ehemals genossenschaftlichen Arbeiterhäusern. Der Teil zur Brühler Straße hin wurde in neogotischem Stil errichtet und gehört zum Kulturpfad Rodenkirchen.
Wir sitzen hier im Zentrum von Raderthal, da drüben ist der Südfriedhof. Liegen da Verwandte von Ihnen?
Nein, ich komme ja nicht aus Köln, sondern aus Kerpen-Balkhausen. Die Taxifahrer sagen manchmal, wenn sie mich hier absetzen: „Dann haben Sie s ja nicht weit zum Friedhof.“ (lacht)
Sie sind vom kleinen Dorf an der Erft ins große Dorf am Rhein gewechselt.
Ja. Der einzige Unterschied ist, dass in Balkhausen kein Dom steht und die Sparkasse keinen Golfplatz hat. Letztendlich ist es egal, wo ich wohne, entscheidend ist, welche Menschen um mich herum leben.
Sind Sie in Ihrem Viertel auch karnevalistisch engagiert?
Nein. Wir organisieren allerdings jedes Jahr im September einen Straßen-Flohmarkt. Und ich singe da mit den Musikern, die in der Straße wohnen. Ein Großteil der Einnahmen vom Flohmarkt geht dann als Spende an den Schull- und Veedelszoch der Raderthaler Pänz.
Wie steht es denn um das derzeitige Verhältnis von Karneval und Stunksitzung?
Nun ja, nach mittlerweile 25 Jahren ist das Festkomitee jünger als wir.
Von mancher Seite wird Ihnen daraus ein Strick gedreht: Die Stunksitzung sei überaltert und habe ein Nachwuchsproblem.
Wir haben kein Nachwuchsproblem - wir haben nur noch keine Lust aufzuhören. Bei uns gibt es keine Zwangsverrentung. Warum sollte man mit 70 nicht mehr mitmachen dürfen? Man darf doch mit 70 auch noch zugucken. Solange wir die Leute begeistern, ist doch alles okay.
Alter macht milde, sagt man. Macht die Stunksitzung noch Stunk?
Das ist auch ein Vorwurf, den wir häufiger hören. Meistens von Leuten, die aus einem ähnlichen Stall kommen wie wir. Die sehen in uns Stellvertreter jener Aufmüpfigkeit, die sie selber nicht mehr in sich haben. Aber das ist nicht unsere Aufgabe, die sollen sich an die eigene Nase packen.
Die Stunksitzung arbeitet quasi an der Schnittstelle von Kabarett, Comedy und Karneval.
Ich finde, in Deutschland wird immer noch zu starr zwischen E und U getrennt. Diese Kategorisierungen mag ich eigentlich nicht. Ich finde es super, wenn die Leute nach drei Stunden Programm ankommen und sagen: Mensch, ich habe lange nicht mehr so gelacht. Und wenn sie dann noch etwas zum Nachdenken mit nach Hause nehmen können: Umso besser!
Über wen lachen Sie denn?
Über Loriot, immer wieder. Und ich finde Monty Python toll. Aber ich kann auch bei „Genial daneben“ lachen.
Wie entstehen Ihre Nummern? Haben Sie Humorstrategien?
Nein, das meiste entwickelt sich beim Rumspinnen. Wir haben einen Einfall, und dann fragen wir uns zusammen mit den Autoren und der Regie: Wie kriegen wir das lustig?
Was ist lustig?
Zunächst mal spürt man selber, ob etwas witzig ist oder nicht. Und wirklich Bescheid weiß man erst, wenn das Publikum nicht lacht.
Rückmeldung vom Publikum bekommt Biggi Wanninger auch im Duett mit ihrer Kollegin Anne Rixmann. Im gemeinsamen Kabarett-Programm „Zwei ist eine zuviel" gibt Wanninger die temperamentvolle Rheinländerin, Rixmann die nordisch-kühle Blonde.
Sie haben auch ganz klassisches Volkstheater gespielt, am Millowitsch nämlich. Wie kam es dazu?
Ich habe mit Mariele Millowitsch am Bauturm-Theater gespielt, sie hat mich ihrem Vater vorgeschlagen. Wir hatten ein kurzes Gespräch in seinem legendären Büro, und dann war ich dabei.
Sie mussten nicht vorspielen?
Nein. Ich bekam eine Videokassette von dem Stück, mit der ich mich dann vorbereitet habe.
Wie hat Ihnen der heilige Willy denn gefallen?
Alle wissen, dass er ein sehr egozentrischer Mensch war, dass er viele Leute um sich hatte, die nie Widerworte gaben. Er war der Chef, basta. Aber als Schauspieler war er klasse, ein ganz ausgefuchster Komödiant. Er hat die Leute zum Lachen gebracht, was nicht immer einfach ist.
Volkstheater schöpft aus dem prallen Alltag, die Stunksitzung strebt eher nach satirefähigen Figuren. Verliert man heutzutage zunehmend seine Feindbilder?
Der Meisner ist ja noch da.
Sind die Meisner-Witze nicht mal so langsam verboten?
Wir haben dieses Jahr nichts entdeckt, was man ihm anhängen könnte. Jedenfalls ist nichts bis zu mir vorgedrungen. . .
Das politische Kabarett weint den Zeiten der Wehners, Brandts und Kohls hinterher.
Letztlich findet man immer jemanden, jetzt gibt es eben Guido Westerwelle. Denken Sie nur an die Pressekonferenz nach der Wahl, in der er sich über eine englisch gestellte Frage echauffierte.
Wie Kardinal Meisner haben auch Sie eine kirchliche Vergangenheit. Sie sind zum Beispiel im Rahmen der katholischen Jugendarbeit bei Karnevalssitzungen aufgetreten.
Ja. Ich habe auch im Kirchenchor gesungen, und bei uns im Pfarrheim wurden Discoabende veranstaltet. Aber als ich dann mit 19 nach Köln zog, bin ich sofort aus der Kirche ausgetreten. Wissen Sie, Jugendliche nehmen die Freizeitangebote wahr, die ihnen angeboten werden. Bei uns im Ort kamen die nur von der Kirche. Und wenn es heute Orte gibt, in denen nur die NPD Freizeitangebote macht, sollte man sich schnellstens was einfallen lassen.
Die ehemalige Kirchenchorsängerin Wanninger bezeichnet als einen ihrer größten Wünsche, mal in einer Bigband zu singen.
Bigband ist das Tollste, was ich mir an Musik vorstellen kann, meine heimliche Leidenschaft. So viele Menschen, die sich einer gemeinsamen Idee „unterordnen“ und eine Energie und Power entwickeln, die dich wegbläst.
Biggi Wanningers Wunsch wird sich tatsächlich erfüllen. Während der alljährlichen Dellbrücker Jazzmeile wird sie mit der Atlanta Jazzband auftreten. Und zwar am 25. Oktober, 19 Uhr, im Straßenbahn-Museum Thielenbruch.