Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Lemo„Klitsche“ als Global Player

Lesezeit 4 Minuten

Die Ärmel hochgekrempelt haben Bernd Schlarp und Willi Fenninger (rechts) für das Maschinenbau-Unternehmen Lemo. (Bild: Mischka)

Niederkassel – Fast 170 Männer und Frauen haben in Mondorf ihren Arbeitsplatz. „Eine Handwerksklitsche mit globalem Charakter“, umschreibt Schlarp (48) die Firma, in der der gelernte Feinmechaniker und Diplom-Ingenieur aus Troisdorf vor fünf Monaten vom Minderheits-Geschäftsführer zum gleichberechtigten Gesellschafter aufstieg. „Klitsche“ ist freilich eine maßlose Untertreibung. In der Herstellung von Maschinen, die jegliche Art von Folien verarbeiten, sei es zu Einkaufstüten, Sicherheitstaschen oder Umverpackungen, ist Lemo die Nummer 1 in der Welt. „Das“, so Fenninger, „kann man ohne anzugeben sagen.“

„Wirst du jetzt Millionär?“, wurde der 53-Jährige aus Windeck-Leuscheid gefragt, als er mit seinem Kompagnon den Betrieb kaufte. „Das war ich mal“, lautete Fenningers Antwort. Mehrere Millionen kostete die Übernahme. Etwa die Hälfte bestritten die neuen Chefs aus Eigenmitteln.

Willi Fenninger hätte sich locker zur Ruhe setzen und sein Leben ohne Risiko genießen können. Warum also das große Geld investieren und nun jeden Tag den weiten Weg von Leuscheid nach Mondorf machen, um dort viel und lange zu arbeiten? Das habe durchaus egoistische Gründe, räumt er ein. Von Ende der 70er Jahre bis 1984 war er Monteur bei Lemo, gründete 2003 mit seiner Frau Iris die LemoTec, die den Vertrieb in Nordamerika übernahm, heute für den Versand zuständig ist und bei einer Zerschlagung des Unternehmens durch einen anderen Käufer ebenfalls betroffen gewesen wäre. Außerdem arbeiten Tochter Anna und als Verfahrensingenieur deren Lebensgefährte Marco Kettwig bei Lemo.

Zweifellos treibt aber auch ein gesunder Unternehmergeist den gelernten Werkzeugmacher und Betriebsschlosser an. Als sein erster Arbeitgeber, die Firma Hermes in Rosbach, dichtmachte, musste er beruflich über das Ländchen hinausblicken - und es ging weit, weit hinaus in die Welt. Australien, Wales und Kalifornien sind Stationen in Fenningers Lebenslauf. Zurück in Deutschland, produzierte er mit seiner Frau, die er in Singapur kennen gelernt hatte, in Waldbröl Tüten. „Sie ist die Geschäftsfrau, ich der Techniker.“ Auch bastelte er an Neuerungen. Als es den Gelben Sack noch nicht gab, hatte er als erster, wie er sagt, schon den Zugbandsack hergestellt.

„Es macht Spaß, etwas zu bauen, was funktioniert“, so Fenninger beim Rundgang durch die Lemo-Hallen: „Das ist hier wie ein großer Stabilbaukasten für Ingenieure.“ Rund 60 000 Einzelteile lagern in Regalen. In der Endmontage befinden sich mehrere Maschinen von Lkw-Länge. Jede ein Unikat, speziell entwickelt für den Kunden und mit komplexer Mechanik und Elektronik bestückt, die den Laien staunen lässt. So zwei Anlagen für die vollautomatische Produktion von Fleisch- und Käseverpackungen und eine weitere für Windelverpackungen, die beide nach Frankreich gehen, eine Maschine für Sicherheitstaschen etwa für Geld oder Beweisstücke an die Türkei und eine zweibahnige Maschine für Sicherheitsbeutel mit Zielort Cincinnati / USA. Nach erfolgreicher Abnahme gehen Maschinen und Monteure auf die Reise. Dank Computervernetzung ist die spätere Software-Wartung von Mondorf aus möglich.

Die Exportquote von Lemo beträgt 85 Prozent. Bei Geschäften rund um den Erdball, bleiben Überraschungen nicht aus. Gerade erst musste es Willi Fenninger irgendwie hinkriegen, dass eine Maschine per Lastwagen statt wie geplant mit dem Zug von einem Hafen aus über 2500 Kilometer ins chinesische Hinterland befördert wird.

In den vergangenen Jahren stellte Lemo nur noch einige Know-how-Teile her. „Jetzt wollen wir wieder etwas mehr hier produzieren“, erklären Fenninger und Schlarp, die dafür ein neues Bearbeitungszentrum angeschafft haben. Je nach Größe und Anforderung dauert der Bau einer Maschine zwischen 2 und 18 Wochen. Dazu kommt die Zeit für die Beschaffung von Material und Bauteilen wie Roboter, Servomotoren und Walzen, wobei Lemo auf hochwertige Markenprodukte setzt. Die Anlagen haben dadurch zwar einen vergleichsweise hohen, bisweilen über eine Million Euro liegenden Preis, dafür aber auch eine lange Lebensdauer. Von inzwischen über 5000 Lemo-Maschinen, die seit Firmengründung in alle Welt verkauft worden seien, liefen 3000 noch, schätzt Fenninger. Und ständig wird an Verbesserungen gearbeitet. Etwa an einer Schlaufentaschen-Maschine mit einer um 25 Prozent gesteigerten Produktionsgeschwindigkeit oder an einer Apparatur, die pro Minute 200 Tüten mit Schnurverschluss schafft. Solche Innovationen sind gefragt, halten die Konstrukteure auf Trab und müssen präsentiert werden. Jüngst hielt Willi Fenninger auf Einladung eines internationalen Hygieneartikel-Herstellers einen Vortrag in Bangkok. Eine Maschine für den Auftritt bei der Düsseldorfer Kunststoffmesse im Oktober ist bereits im Bau.

Auch hat Lemo eine Neuentwicklung im Käscher, die die Verpackung von Bierflaschen-Sixpacks revolutionieren könnte. Fenninger: „Das wäre dann eine Sache, da könnte ich sagen: Da war die Investition in die Firma schon richtig.“