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Mein liebstes AndenkenGiftige Schnecke vom Strand der Liebe

Lesezeit 4 Minuten

Mechthild Oblas hält es immer noch in Ehren, das Gehäuse der Kegelschnecke, mit der einst ihr Severino Oblas in Saudi-Arabien um ihre Gunst warb. In nur 14 Monaten nahm ihr Leben damals eine unglaubliche Geschwindigkeit auf. (Fotos/Repro: Rosenbaum)

BEDBURG – Mechthild Oblas wollte mal raus, mal was anderes sehen. Zehn Monate später wurde sie von einem Imam nach saudischem Recht mit einem Philippino verheiratet, der ihr eine hochgiftige Schnecke geschenkt hatte - ihr liebstes Andenken. Ihren Ehemann musste sie jedoch kurzfristig wegen des ersten Golfkrieges zurücklassen. Da trug sie aber schon ihr erstes Kind unterm Herzen. Ach ja, die Hochzeit kam übrigens nur zustande, weil sie ein Prinz genehmigt hatte. Ja, Mechthild Oblas ist mal raus gekommen, das kann man wohl nicht anders sagen. Oder wie sie es selbst ausdrückt: „Ich war Mitte 30, da musste doch mal was passieren.“

Alles fing mit einer Zeitung an. Genauer gesagt mit einer Stellenanzeige in einer Fachzeitung. Deutsches Fachpersonal für ein Krankenhaus in Saudi Arabien wurde gesucht. Die hochqualifizierte Medizinische Assistentin fackelte nicht lange. „Da kommt man ja sonst nicht rein, nach Saudi-Arabien.“

Im Krankenhaus war die Fachfrau noch ganz in ihrer gewohnten Welt. Außerhalb des Krankenhauses sah es schon ein wenig anders aus. „Wir lebten in einem abgeschotteten Wohnviertel. In der Öffentlichkeit durften wir uns nur tief verschleiert und in Begleitung eines Mannes zeigen.“ 350 Kilometer weiter war etwas mehr erlaubt. Die einsamen Küstenstreifen am Toten Meer hatten die strengen Sittenwächter nicht immer fest im Blick. Ein Auto zu bekommen war kein Problem. Auch an Benzin mangelt es ja bekanntlich in diesem Teil der Erde nicht. Allerdings: Frauen dürfen in Saudi-Arabien kein Auto fahren. Also mussten Fahrer angeworben werden. Jedoch: Ein Mann mit mehreren westlichen Frauen über 350 Kilometer in einem geländefähigen Wagen, um das Wochenende am Meer zu verbringen?

Muslimische Männer fielen für diesen Job in der Regel aus. Aber da gab es einen Philippino, der seine Dienste anbot. Er arbeitete in einem anderen Krankenhaus als Pfleger. „Ich hatte ihn schon einmal auf dem Tennisplatz in unserer Wohnanlage gesehen.“ Ein unbedenklicher Satz, wäre da nicht dieser leicht ironische Zug um die Mundwinkel von Mechthild Oblas, erstmals beobachtet bei der Aussage: „Ich wollte mal raus.“

Und richtig, es hatte mächtig gefunkt zwischen den beiden. Severino Oblas machte seiner Angebeteten nach allen Regeln der Kunst den Hof - mit einem Temperament, das westeuropäischen Männern nicht in die Wiege gelegt wird und das in Saudi-Arabien schnell zu einem öffentlichen Ärgernis werden kann. Der Sicherheitspuffer von 350 Kilometern war da gerade ausreichend.

Severino Oblas legte ein atemberaubendes Tempo vor. Am Roten Meer gestand er ihr seine Liebe. Rote Rosen wären zu diesem Anlass passend gewesen. Die gibt es an dem dürren Küstenstreifen aber nicht. Severino Oblas entdeckte stattdessen eine Kegelschnecke im seichten Wasser. Er griff zu und legte sie seiner Traumfrau zu Füßen.

Die schrie, aber nicht vor Freude. Die Schnecken sind giftig, hoch giftig. Doch der von der Liebe Geblendete hatte Glück. Das Gehäuse war leer. Vier Monate später machte er ihr einen Heiratsantrag. Über ihre Gefühle waren sich beide sicher, sicherer als für sie unverheiratet die Lage im Land war. Als Christen war für sie die Hochzeit in Saudi-Arabien theoretisch möglich. Allerdings braucht so etwas Zeit.

Zeit hatten sie aber nicht. Der Arbeitsvertrag von Mechthild Oblas war befristet. Der Golfkrieg zog auf. Sein Ausbruch hätte umgehend die Ausweisung aller westlichen Gastarbeiter zur Folge.

Wie auch immer: Severino Oblas bekam von einem saudischen Prinzen eine Sondergenehmigung. Kurz nach der Hochzeit war Mechthild Oblas schwanger.

Rund 25 Jahre später: Mechthild Oblas sitzt in ihrem Garten in Bedburg unter einem Sonnensegel. Ihr Mann Severino schläft. Der Pfleger hat Nachtdienst. Die beiden Kinder haben sich mit Freunden in ihre Zimmer zurückgezogen. Alles scheint im ruhigen Fahrwasser. Wirklich? Mechthild Oblas dreht etwas unruhig das Gehäuse der Kegelschnecke hin und her. „Naja, die Kinder sind nun selbstständig und da gibt es ja noch ein Eheversprechen.“ Ob sie bereit wäre, mit ihm auch auf den Philippinen zu leben, habe Severino sie damals gefragt. Mechthild Oblas legt die Kegelschnecke zurück auf den Tisch, schaut auf - und da ist er wieder, der für sie so typische Zug um die Mundwinkel: „Von mir aus kann es wieder los gehen.“