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„Mindness“: Wellness erobert den Geist

Lesezeit 3 Minuten

Auf dem Weg zu Entspannung und Selbsterkenntnis - klassische Methoden werden heute oft unter neuen Begriffen vermarktet.

Kiel/Wedel - Gehirnjogging, Sudoku, positives Denken:Die aktuellen Trends auf dem Wellnessmarkt sind eher geistiger Natur.Mit neuartigen Begriffen wie "Selfness" und "Mindness" wirbt dieBranche um Kundschaft. Doch im Grunde geht es um Altbekanntes: DenGeist und die Seele auf Vordermann bringen und so das Leben wieder indie richtigen Bahnen lenken.

Die Menschen stellten fest, dass bloße Konzentration auf denKörper auf Dauer zu kurz greift, erklärt die Psychologin JuliaScharnhorst aus Wedel bei Hamburg. "Körperorientierte Wellness machtnur kurzfristig glücklich. Die Menschen wollen sich nicht mehr nurfit und entspannt fühlen, sondern auch den Sinn im Leben entdecken."

Die neuen Begriffe allerdings, mit denen dieser Trend belegtwerde, seien bloße Umbenennungen schon lange etablierter Konzepte."Früher hießen die hinter Begriffen wie "Selfness" und "Mindness"stehenden Ideen "positives Denken" oder auch "Work-Life-Balance". Letztendlich stecken ökonomische Interessen hinter dieserUmbenennung", erläutert Scharnhorst.

Der Trendforscher Matthias Horx aus Wien beschrieb bereits im Jahr2003 den an Geist und Seele orientierten Trend auf dem Wellnessmarktmit dem Begriff "Selfness". "Bei Selfness geht es um Selbstkompetenz:die Fähigkeit, sich selbst zu betrachten, zu beurteilen und zuverändern", sagt Horx heute. Diese Fähigkeit sei in der Zukunft dieentscheidende Lebensqualifikation: In der Wissensgesellschaft kommees nicht mehr darauf an, Kommandos zu befolgen oder immer nurdiszipliniert zu sein. Es gehe um die Fähigkeit, das eigene Leben inseinen vielen Wandlungen zu gestalten und in den Griff zu bekommen.

Im Gegensatz zu Wellness, bei der man sich hauptsächlichkörperlich verwöhnen lässt, gehe es bei Selfness eher um einelangfristige Veränderung der Selbstwahrnehmung und Lebenseinstellung."Wellness basiert auf "Entspannungskultur" - man wollte es sich ebeneinmal "well" gehen lassen." Ein Selfness-Urlaub hingegen zeige demGast auch etwas über sich selbst und lasse ihn verändertzurückkehren.

Mindness sei nur ein Unterbegriff von Selfness. Er bezeichne dieBewusstseins-Aspekte des Konzepts. "Man kann das auch als "MentaleAchtsamkeit" übersetzen", erläutert der Trendforscher. Um Selfnessund Mindness entstehe derzeit ein riesiges Feld an Coachings,Therapien, Trainingsangeboten und Ratgebern.

"Die Menschen, die ich in meinen Life-Coachings berate, sind mitbestimmten Bereichen in ihrem Leben nicht zufrieden. Viele stellensich auch die Frage nach dem Sinn ihres Lebens", erklärt VolkerWarnke, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin in Kiel. In seinemInstitut bietet er Life-Coachings an, die auch nach den Ideen vonSelfness arbeiten. So unterstütze er seine Klienten bei der Suchenach persönlichen Lebenszielen.

"In meinen Coachings macht man sich eigene negative, blockierendeGlaubenssätze bewusst. Man erkennt oft nicht, wie man sich selbstmanipuliert. Dazu braucht es meist ein aufmerksames Gegenüber", sagter. Im Sinne von Selfness überwinde der Klient durch das Coachingseine Blockaden und könne so persönliche Ziele erreichen.

Geistige und seelische Weiterentwicklung ist in jedem Alter undLebensabschnitt möglich. Gerade wenn Menschen sich an wichtigenWendepunkten befinden, sei die Nachfrage nach Unterstützung zurVeränderung besonders groß, erklärt die Psychologin JuliaScharnhorst. "Dabei kann es sich etwa um den Eintritt in die Renteoder auch um eine berufliche Krise handeln." (dpa)