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Monastische Gemeinschaften„Es ist die Sehnsucht im Herzen“

Lesezeit 5 Minuten

Links die Schwestern, rechts die Brüder:Zur Mittagszeit versammeln sich die Mitglieder der Monastischen Gemeinschaften zum Gebet in Groß St. Martin. (Fotos: Meisenberg)

KÖLN – Sie sind Großstädter. Sie leben in europäischen Metropolen. Mittendrin. Sie sind jung und gehen ganz normal arbeiten. Doch vor allem sind sie auch Mönche und Moniale, also Brüder und Schwestern.Die monastischen Gemeinschaften von Jerusalem leben in Köln in einem Kloster, das so gar nicht nach Kloster aussieht.

Sichtbeton, PVC-Boden, rote Türen – das Gebäude ist der Anbau an Groß St. Martin. Über ihren Etagen liegen Mietwohnungen, unten Büros und Räumlichkeiten des Erzbistums. Und auch sie sind ganz normale Mieter. „Wir möchten solidarisch mit den Menschen sein“, erklärt Schwester Edith (44), Priorin der weiblichen Gemeinschaft. Sie hätten keinen Besitz, eine Eigentumswohnung könnten sie sich hier ebenso wenig leisten wie viele andere Kölner.

Die sieben Schwestern und sechs Brüder (Deutsche, Franzosen und ein Niederländer) leben seit drei Jahren an und in Groß St. Martin. Sowohl die Schwestern als auch die Brüder haben je einen Speiseraum (Refektorium) und zwei Gemeinschaftsräume. Meist treffen sie sich nur zum Gebet, ansonsten sind die beiden Gemeinschaften unabhängig voneinander. Prior der Brüder ist Pater Nicolas-Marie (39). Ein Franzose, denn gegründet wurde die Gemeinschaft 1975 in Paris. Von da aus verteilten sich die zurzeit rund 200 Mitglieder in die Städte. Gründer Pierre-Marie Delfieux wollte in den Wüsten der Städte Oasen erschaffen. „Wir möchten Zeichen der Hoffnung sein für die Menschen“, sagt Schwester Edith. Und die meisten Menschen leben nun einmal in den Städten. „Es geht um die Wüste in beiden Dimensionen“, erklärt Schwester Theresia (38). „Die seelische Wüste und die Wüste, also der Freiraum im Herzen, für Gott.“

Das Durchschnittsalter der Schwestern und Brüder liegt bei Mitte 30. Wieso entscheiden sich diese jungen Menschen für Gott, während andere Orden Nachwuchssorgen haben? „Es ist dieses Suchen, die Sehnsucht im Herzen“, beschreibt es Schwester Theresia. Die gebürtige Overatherin betont, dass sie in ihrem alten Leben zufrieden war, einen Job und Freunde hatte, auch mit ihrer Familie kommt sie bis heute gut zurecht. „Es war keine Flucht, es war auch nicht die Angst, keinen Mann zu finden“, sagt sie. Es sei Berufung gewesen. Und das verbinde sie alle.Doch vielleicht ziehen die Gemeinschaften die Jüngeren auch deshalb an, weil sich der Alltag der Brüder und Schwestern am Leben in einer modernen Großstadt orientiert. Ein normaler Tag beginnt für sie um 6.30 Uhr mit dem halbstündigen stillen Gebet, es folgt die Laudes. „Das Gebet steht für uns an erster Stelle“, sagt Schwester Edith. Die Gemeinschaft habe keine Hostienbäckerei oder soziale Einrichtung.

Sie lebe zum Gotteslob. Ihren Unterhalt aber finanzieren sie ganz weltlich – in zivilen Halbtagsjobs. Das Geld fließt in einen gemeinsamen Topf. So schwärmen sie nach dem Frühstück aus. Im blauen Habit geht es zu Fuß oder per Fahrrad zu ihren Arbeitsstellen in Schulen, Krankenhäusern oder Gärtnereien. Schwester Theresia etwa hat lange bei einer Bank gearbeitet. Eine Mitschwester, eigentlich Juristin, ist nun als Verkäuferin tätig. „Wir arbeiten bewusst nur halbtags“, erklärt Schwester Edith. Es gebe eben Wichtigeres als den Beruf.

Nach der Arbeit kehren sie alle wieder zurück, denn um 12.30 Uhr beginnt das Mittagsgebet. Die eine Schwester springt vom Fahrrad und geht Richtung Kircheneingang, ein Bruder wird gerade noch seinen Müllbeutel in der Tonne los, bevor er in die Sakristei geht. Und dann dringen vierstimmige Psalmgesänge durch die karge romanische Kirche. In weißen Mänteln knien die Schwestern vorne links auf dem Teppich, die Brüder rechts. Sie beten mit dem Rücken zum Eingang, so fühlt sich niemand der Besucher beobachtet. „Bei uns ist jeder willkommen“, sagt Schwester Theresia über die offene Kirche. Die Menschen kommen zum Kraftschöpfen oder um sich die Kirche anzusehen. Immer wieder öffnet sich die Tür – die einen kommen, andere gehen. Genauso soll es sein. Die Schwestern und Brüder singen derweil, es gibt eine Lesung, Fürbitten und das Vaterunser.

Der Nachmittag bietet Zeit für gemeinsames Kaffeetrinken, auch mit Gästen, für alltägliche Dienste wie Einkaufen, aber auch für die Zeit in der „Zelle“.„Das ist nicht so negativ gemeint, wie es vielleicht klingt“, sagt Schwester Theresia. Jeder von ihnen hat einen eigenen Raum, der sehr privat ist. „Wir meditieren darin die Heilige Schrift, das ist ein Raum der Intimität mit Gott.“ Um 17.30 Uhr beginnt dann das stille Gebet zur Vorbereitung auf die Vesper und die Eucharistiefeier. Abends gebe es verschiedene Aktivitäten wie das Singen mit den Brüdern oder die Nachtwache in der Kirche.

Und die Bettruhe? „Das ist nicht so wie im Film, dass für alle gleichzeitig das Licht ausgemacht wird“, sagt Schwester Theresia und lacht. Und Schwester Edith ergänzt: „Manchmal können wir gar nicht so früh schlafen, immerhin wohnen wir ja auf der Partymeile.“ Das Treiben in der Altstadt um sie herum gehöre einfach zum Leben in der Stadt dazu. An Weiberfastnacht verkleideten sie sich über ihrem Habit als Aquarium oder Eiffelturm. Viele Jecken fragten: „Sind Sie echte Nonnen?“ Einer stellte daraufhin fest: „Na klar, die tragen doch Sandalen.“ Verkleidete Nonnen trügen Stöckelschuhe. An Rosenmontag seien sie alle zusammen ins Sauerland geflüchtet, im Endeffekt aber hätten sie den Rosenmontagszug dort im Fernsehen geguckt, erzählen die Schwestern und lachen.

In Köln fühlen sich die Schwestern und Brüder sehr wohlwollend aufgenommen, nachdem Erzbischof Joachim Kardinal Meisner sie hierher eingeladen hatte. „Wir verstehen uns als Stein im bunten Mosaik der Kirche“, sagt Schwester Edith. Und jeder Mensch müsse seinen Platz im Mosaik Gottes finden. „Wir sind ganz normale Menschen“, sagt die Priorin. „Wir sind noch nicht einmal frommer oder christlicher als andere.“