MoscheeErst türkisch, dann deutsch

Die Yeni Camii am Refrather Weg. (Bild: Luhr)
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BERGISCH GLADBACH – Eigentlich ist die Yeni Camii, die Neue Moschee, gar nicht so neu: Bereits seit 1978 befindet sich das islamische Gebetshaus am Refrather Weg 24 gegenüber dem Finanzamt, doch mehr als 30 Jahre lang nahm in Gladbach kaum einer Notiz davon. Nur freitags fielen vielleicht einige würdige Männer mit dem typischen runden islamischen Gebetskäppchen auf, die der ehemaligen Doppelgarage im Hof eines Gewerbebetriebes zustrebten.
Die Gemeinde war mit dieser Nischenexistenz eigentlich ganz zufrieden. Sie wurde in Ruhe gelassen und konnte sich dem widmen, was ihr wichtig war: der Pflege ihres religiösen Lebens. Mit dem Minarett wurde alles anders: Plötzlich sah man sich im Mittelpunkt großer öffentlicher Aufmerksamkeit. „Wir waren überfordert“, gibt Lokman Aksu zu. „Wir haben das Bedürfnis der Gesellschaft nach Information nicht erkannt.“
Eindruck eines Ghetto-Milieus
So entstand nach dem Bau der neuen „Neuen Moschee“ im klassischen orientalischen Stil, die 2003 eingeweiht wurde, plötzlich der Eindruck, dass sich hier eine abgeschlossene Gemeinschaft in einer Art Ghetto-Milieu etabliert. Hinzu kam ein Konflikt mit dem Landesjugendamt um die Einrichtung eines Mädcheninternates für Theologiestudentinnen und dazu eine bundesweite Diskussion über den Träger, den Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ), der plötzlich im Verdacht stand, demokratiefeindliches Gedankengut zu fördern.
Doch das ist ausgestanden. Lokman Aksu ist ganz entspannt. Der Vaillant-Entwicklungsingenieur ist in Bechen aufgewachsen, sein Vater, der im Sägewerk Lenninghaus arbeitete, war einer der Gründungsväter der Moscheegemeinde, sein Bruder Ahmet ist Vorsitzender des örtlichen Trägers „Bergischer Förderverein für Bildung und Integration e.V.“.
Probleme mit dem Landesjugenamt sind beigelegt
Lokman Aksu beherrscht inzwischen sein Handwerk als Pressesprecher aus dem Eff-Eff. Er kredenzt erfrischenden Ayran (Joghurtgetränk) und erzählt vom Gemeindeleben. Er hatte genug Gelegenheit zu üben, denn Kontaktanfragen und Besuchswünsche reißen nicht ab.
Die Probleme mit dem Landesjugendamt sind beigelegt, der Betrieb der einjährigen Internatschule für rund 40 junge Frauen, die hier zu Religionslehrerinnen für Mädchen ausgebildet werden, ist genehmigt. In der öffentlichen Auseinandersetzung um die angeblich integrationsfeindliche Haltung des VIKZ sprang dem Verband sogar das NRW-Innenministerium bei, das die Vorwürfe zurückwies. Das Unwetter ist vorübergezogen.
Iman Mehmet Yüfkayürek hält seine Ansprache beim Freitagsgebet immer noch auf Türkisch, aber anschließend folgt eine Übersetzung auf Deutsch. Das ist schon deswegen nötig, weil nicht alle Gläubigen aus Anatolien stammen. „Es kommen vor allem viele Pakistanis, aber auch Somalier, Marokkaner, Albaner, Bosnier und Araber“, zählt Aksu auf.
Bei den großen Festen herrscht mächtig Betrieb
Im Westen steht die nächste Moschee in Köln-Mülheim, aber nach Osten hat das Gebetshaus ein Einzugsgebiet bis hinter Gummersbach. „Wir erreichen etwa 3000 Gläubige“, schätzt Aksu. „Die kommen natürlich nicht alle dauernd zum Freitagsgebet. Etwa 200 sind regelmäßig da.“ Bei den großen Festen, Bayram (Fastenbrechen am Ende des Ramadan) und Opferfest vor allem, platzt die Moschee aber aus allen Nähten. Während des Fastenmonats Ramadan wird hier auch abends gemeinsam gegessen: „Wir kochen dann für 300 Menschen hier.“
Ein stolzes Ergebnis, wenn man an die bescheidenen Anfänge zurückdenkt: „1974 wurde die Gemeinde von 10 bis 15 Männern gegründet, türkischen Arbeitern bei Zanders“, erzählt Aksu. Der erste Gebetsraum war in einem Zanders-Wohnheim an der Hermann-Löns-Straße. Schon damals bot der gerade ein Jahr zuvor gegründete VIKZ das organisatorische Dach.
Auch die Verbindung des VIKZ mit den sehr frommen und konservativen Süleyman-Anhängern ist für Aksu kein Tabuthema. „Wir sind Süleymanlis, aber die Moschee steht allen sunnitischen Muslimen offen.“ Aksu lässt keinen Zweifel daran, dass er die Yeni Camii als DIE Moschee von Bergisch Gladbach ansieht.
Moschee-Gemeinde sieht sich als unpolitisch
„Der Islam ist diejenige von den drei abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum und Islam, die weltweit am schnellsten wächst“, sagt Religionswissenschaftler Andreas Kiriakidis. „Anders als bei christlichen Kirchen gibt es aber keine zentrale Leitung oder eine feste Gemeindestruktur. Der Fromme geht in eine Moschee, die ihm zusagt. Wenn er es lässt, ist er nicht automatisch irgendwo bei einer Gemeinde registriert.“ So existieren in Gladbach andere Gebetsräume, etwa von einer marokkanischen Gemeinde.
Insbesondere die türkischen Moslems werden von drei Organisationen in Deutschland betreut: Neben dem VIKZ und dem Verein Milli Görüs, der einer Partei nahe steht und wegen islamistischer Tendenzen immer wieder ins Zentrum der Kritik gerät, gibt es die vom türkischen Religionsministerium kontrollierte Ditib. Die Moschee-Gemeinde dagegen sieht sich als absolut unpolitisch.
Jedoch: Die alten Gegensätze aus der Türkei verlören hier im Alltag an Bedeutung. „Wir sind hier in einem christlichen Land. Wir müssen unser religiöses Leben in der Fremde organisieren. Da stehen alle vor ähnlichen praktischen Problemen.“
Koranunterricht in drei Stufen
Dazu gehört der Koranunterricht, der in der deutschen Öffentlichkeit als stures Pauken und Auswendiglernen von unverstandenen arabischen Versen betrachtet wird. Für Aksu aber steht der arabische Wortlaut gerade im Mittelpunkt seiner Religionserfahrung.
„Der Koranunterricht besteht aus drei Stufen: Zuerst muss man die arabischen Schriftzeichen lesen lernen, dann sie korrekt rezitieren und schließlich kommt das inhaltliche Verständnis: Das erreicht nicht jeder.“
40 bis 50 Jungen und noch einmal so viele Mädchen lernen am Wochenende in Gruppen die Suren, die von Allah selbst dem Propheten Mohammed diktiert worden sein sollen, auszusprechen. Für Aksu ist eine korrekte Übersetzung unmöglich.
Aber es wird eben nicht nur auswendig gelernt: „Wir bieten auch an vier Tagen in der Woche Förderunterricht an und haben dafür eigens Lehrer eingestellt.“ Aus den Kindern soll etwas werden. Im Ghetto möchte hier niemand landen.