Neue TherapieSport ist gut für Rheuma-Patienten

Das Training für Rheumapatienten sollte unter fachlicher Anleitung erfolgen. (Symbolbild: dpa)
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Schmerzen, Schwellungen und Fieberschübe belasten ihr Leben. Schonung scheint angezeigt bei Gelenkrheuma - deprimierend für viele Patienten. Aber wenn man den neuesten medizinischen Erkenntnissen folgt, ist dies der falsche Weg. Die Teilnehmer des Kraft-, Ausdauer- und Koordinationstraining (Kako), das Rehaforscher jetzt an zwei Kliniken erprobt haben, äußerten sich nämlich durchweg positiv. Von Sport für Rheumatiker überzeugt ist auch der Kölner Professor Klaus Schüle: Er hat bereits vor 20 Jahren ein ähnliches Training an der Deutschen Sporthochschule in Köln entwickelt.
Vorteile für den Alltag
„Das Trampolin macht Laune“, sagt Karsten Ehlers. Er ist ein schlanker, junger Mann, der auch Expander und Hanteln etwas abgewinnen kann. Noch erhitzt steht der 32-Jährige vor der Gymnastikhalle. Dort hat er gerade eine Stunde Bewegungstherapie absolviert. Zweimal durchlief die Gruppe die Stationen eines Zirkeltrainings, anschließend haben alle Federball gespielt. Ein solches Körpertraining ist ungewöhnlich bei entzündlichem Gelenkrheuma. Denn nach herkömmlicher Lehre werden angegriffene Gelenke dabei überstrapaziert.
„Im Training mit Rheumatikern war bislang eine sanfte sportliche Aktivität die Regel“, bestätigt Inge Ehlebracht-König, Ärztliche Direktorin im niedersächsischen Bad Eilsen. Doch kürzlich führte sie das „Kraft-, Ausdauer- und Koordinationstraining“ im Rehazentrum ein. Ein Forscherteam hatte es hier und an einer weiteren Klinik wissenschaftlich getestet: Von 400 Patienten erhielt dabei die eine Hälfte moderate Gymnastik, während die andere Hälfte an einer intensiven Trainingsgruppe teilnahm. Am Ende des Rehaaufenthaltes hatten die Sportteilnehmer mehr für ihre körperliche Fitness und ihr seelisches Wohlbefinden erreicht als die Vergleichsgruppe.
Anfängliche Skepsis
„Ich habe gar nicht gewusst, was ich doch noch alles kann“, zitierte Professor Dr. Wilfried Mau aus Halle eine typische Patientenäußerung nach der intensiveren sportlichen Belastung. In dieser Woche stellte er die Ergebnisse der Untersuchung im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Hamburg vor.
Doch die Wirkung reichte über den Sport hinaus: „Können Sie Strümpfe an- und ausziehen, sich von Kopf bis Fuß waschen und abtrocknen, eine halbe Stunde in einer Warteschlange stehen?“ Auf solche Fragen antwortete die Sportgruppe deutlich häufiger mit „Ja“. Die Teilnehmer waren auch weniger depressiv und sahen zuversichtlicher in die Zukunft. „Das Training fördert die Alltagsbewältigung“, resümiert Inge Ehlebracht-König. Ähnliche Ergebnisse hatte auch eine niederländische Studie erbracht, die über zwei Jahre angelegt war. Hier wie dort blieben schädliche Folgen für die Gelenke aus.
In Köln sieht Professor Klaus Schüle diese Entwicklung mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn, wie eingangs erwähnt, hat er bereits vor zwei Jahrzehnten an der Deutschen Sporthochschule Köln ein vergleichbares Konzept für Rheumatiker entwickelt. Er kombinierte Ausdauer-, Funktions- und Kräftigungsübungen mit Gymnastik, Spiel und Entspannung. Einmal die Woche traf sich die Patientengruppe in einem Fitnessstudio. Die Atmosphäre regte „zu einem freudvollen Aktiv-Sein“ an, berichtete Schüle. Ängste und Schmerzen nahmen bei den Teilnehmern im Laufe der sechs Monate ab.
„Aber die Fachärzteschaft blieb skeptisch“, erinnert sich der damalige Leiter des Instituts für Rehabilitation und Behindertensport. Bewegung sei in der Medizin noch nicht ernst genommen worden. „Patienten mit Morbus-Bechterew - mit Wirbelsäulenrheuma - wurden sogar eingegipst, um die Wirbelsäule ruhig zu stellen“, bestätigt Thomas Pap von der Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie. Heute weiß man, wie wichtig es ist, dass Rheumatiker „nicht aufhören, die Gelenke zu bewegen“.
Karsten Ehlers hat sich vorgenommen, auch nach der Reha weiter aktiv zu bleiben. Er will regelmäßig Aquajoggen und ins Fitnessstudio gehen, „damit der Körper gefordert wird“. Eine spezielle Sportgruppe ist ansonsten schwer zu finden. Die Deutsche Rheumaliga bietet hauptsächlich das physiotherapeutische „Funktionstraining“ an, hier und dort auch Krafttraining, Walking, Wandern oder Aquajogging. Der Rehasport bei der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew mit Muskelaufbau, Dehnen und Spielen kommt dem Kako-Training aber schon recht nahe.
Sportinteressierte Rheumatiker können weitere Angebote in Sport- und Turnerbünden testen oder sich beim Behinderten-Sportverband melden. Der würde eine Rheumasportgruppe einrichten, wenn genügend Interessenten zusammenkämen, sagt Jupp Dahlmanns von der Geschäftsführung . Die Rehaforscher wollen in Kürze in einer Folgestudie die Nachsorge verstärken, um die Trainingserfolge der Patienten zu stabilisieren.