Originelle WerbungKleines Dorf, große Adresse

Ein Gasse in Miravete de la Sierra 2008. In dem winzigen Bergdorf nahe Teruel im Osten Spaniens leben zwölf Menschen. (Bild: dpa)
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In Miravete de la Sierra geht es gemächlich zu. „Hier vergeht die Zeit noch nicht einmal, wenn man die Uhr vorstellt“, scherzt Cristóbal Sangüesa. „Es gibt keine Autos, keine Ampeln, eigentlich gibt es hier gar nichts.“ Der 86-Jährige ist einer der gerade mal zwölf Einwohner dieses winzigen Bergdorfes nahe Teruel im Osten Spaniens. Am meisten sei dort um 11 Uhr morgens los. „Dann gehen wir alle Brot kaufen.“ Abwechslung kann noch das öffentliche Telefon im Ort bringen: Es geht dran, wer gerade in der Nähe ist.
Miravete war bislang ein weißer Fleck auf der Landkarte. „Schau und hau ab“, ließe sich der Name übersetzen. Wie viele Ortschaften in der spanischen Provinz hat das Dorf stark unter der Entvölkerung gelitten: Die Jungen zogen auf der Suche nach Arbeit in die Städte, die Alten blieben zurück. Selbst der Bürgermeister lebt im 150 Kilometer entfernten Saragossa. Keiner der Einwohner Miravetes ist jünger als 70.
Doch nun ist der idyllisch gelegene Ort mit seinen Natursteinhäusern praktisch über Nacht berühmt geworden - und Cristóbal und seine Nachbarn mit ihm. Zu verdanken haben sie dies einer originellen Werbekampagne, die unter dem Titel „Das Dorf, in dem nie etwas passiert“ im Internet und einigen Pay-TV-Sendern läuft. Sie wurde von dem argentinischen Publizisten Pablo Alzugaray konzipiert. Er hatte den Auftrag erhalten, die Reichweite dieser Sender für etwaige Werbekunden zu testen. „Daraus wurde ein Kommunikationsexperiment“, sagt der 39-Jährige. „Ist es möglich, einen völlig unbekannten Ort mit relativ geringem Aufwand bekannt zu machen?“ Das Experiment, an dem sich die Einwohner begeistert beteiligten, ist gelungen. Die liebesvoll gestaltete Internetseite Miravetes ist zwar auf Spanisch, aber ein Besuch lohnt sich auch für Sprachfremde.
In einem Monat hat sie mehr als 300 000 Besuche erhalten, fast ebenso viele Einträge finden sich nun, wenn man den Ort bei Google eingibt. Das Dorf war in Spanien plötzlich in aller Munde, wurde zur Schlagzeile im Fernsehen und in der Presse. Es kamen nicht nur Heerscharen von Journalisten, sondern auch Touristen. „Unsere Herberge ist inzwischen wieder geöffnet“, freut sich Bürgermeister José Listo.
Cristóbal Sangüesa führt im Internet durch das virtuelle Dorf. Er und die anderen elf Einwohner hoffen, dass die Kampagne auch Geld für die dringend nötige Restaurierung der Dorfkirche einbringt. Auf der Internetseite können für zehn Euro das Stück Dachziegel für das Gotteshaus aus dem 16. Jahrhundert gekauft werden. Besonders putzig: Es gibt auch Puppen von Providencia, Juan, Timoteo, Ascención, Félix, Carmen, Angel, Palmira, Bernardo, Josefa, Faustina und Cristóbal für je 180 Euro zu kaufen - wobei der Preis natürlich weniger putzig ist. Eine Sorge haben die Einwohner: „Hoffentlich kommen nicht auch noch busweise japanische Touristen.“
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