PorträtEin Tausendsassa an der Tuba

Musik als Lebenselixier: Täglich feilt der 83-jährige Reiner Lüghausen am Computer an seinen Arrangements. (Bild: Hoffmann)
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„Natürlich von K-Tel!“. Viele werden sich vielleicht noch an die lautstarken Werbetrailer aus den 1970er Jahren erinnern, mit denen das besagte Plattenlabel „K-Tel“ im Fernsehen für zahlreiche Billigsampler wie „20 Solid Hits“, „22 Explosive Hits“ oder „44 Golden Greats“ die Werbetrommel rührte.
Konkurrent war damals das Label „Arcade“, das mit der „Disco Explosion“ oder den „22 Country-Hits“ aufwartete. Die Plattenfirma mit Sitz in Köln veröffentlichte aber auch Bodenständiges oder Bierseliges wie beispielsweise „Die 20 schönsten Trinklieder“.
Mit von der musikalischen Sause war auch Reiner Lüghausen, der mit seiner Tuba vielen Studioaufnahmen erst den richtigen „Pfiff“ verlieh. Der heute 83-jährige Forsbacher ist aber weit mehr als ein „Studiomucker“. Dem jungen Reiner war die Musik praktisch schon in die Wiege gelegt. „Mein Vater Otto spielte Trompete und Kornett beim Musikverein Forsbach“, erzählt das Multitalent. Der Filius sollte eigentlich ins gleiche Horn pusten, doch das verhinderten zu kleine Lippen und eine falsche Zahnstellung.
Er spielte mit
Peter Alexander und Herbert von Karajan
So strich Lüghausen ab dem zarten Alter von neun Jahren zunächst die Geige. Doch nach der erfolgreichen Aufnahme an der Frankfurter Heeresmusikschule wechselte er Anfang der 40er Jahre zur Tuba. Obwohl Lüghausen auch gerne Piano, Posaune und Pauke spielt, hatte er damit sein Lieblingsinstrument gefunden.
Nach dem Krieg war er dank früherer Kontakte schnell wieder in der Jazz- und Swingszene etabliert. Es war die Blütezeit der Big-Bands und Tanzorchester, aus denen in Deutschland berühmte Bandleader wie Max Greger, Hugo Strasser oder Kurt Edelhagen hervorgingen. „Von den Jahren von 1947 bis 1954 war ich mit Big-Bands und Tanzcombos im In- und Ausland ständig auf Achse“, berichtet Lüghausen. Sogar in einer der ersten Fernsehsendungen blies er die „decke Trumm“. Mit dem Orchester Fred Willem spielte er im Frühjahr 1953 bei einer ARD-Direktübertragung aus dem Hamburger Orchideencafé „Planten un Blomen“ zum Tanz auf. Doch das Big-Band-Sterben hatte schon begonnen. Für Lüghausen eine schwierige Zeit: „Dadurch bekam ich monatelang keine Engagements.“ Aus der Not machte er eine Tugend. Nachdem er im Jahr 1954 wieder Privatunterricht nahm, folgte vier Jahre später das erste Engagement beim Orchester der Beethovenhalle in Bonn.
Der große Durchbruch kam dann Anfang der 60er Jahre mit dem Wechsel zum Bayerischen Staatsorchester. Neben den Opernbühnen in Berlin, Stuttgart oder Hamburg war Lüghausen jetzt auch in den Plattenstudios ein Dauergast.
Aufnahmen folgten für Max Greger, die „3 lustigen Moosacher“ oder für Zusammenstellungen wie „Fidele Blasmusik“. Für Peter Alexander blies Lüghausen ebenfalls das Blech. „Peter Alexander war immer ein super Kollege und stets bestens vorbereitet“, lobt Lüghausen heute noch „Peter den Großen“. Auch von seiner Zeit in den Jahren 1970 bis 74 bei den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan schwärmt er noch heute: „Von Karajan war ein großartiger Musiker und ein lustiger Typ“, berichtet der Tubist.
Nach seiner Rückkehr ins bergische Forsbach war er in den 70er Jahren in der Karnevalsszene ebenfalls gut beschäftigt. „In Köln wurde ich aber besser bezahlt“, sagt Lüghausen und lacht. Nach seinem Rücktritt als Berufsmusiker gab der Tausendsassa an der Tuba musikalisch weiter Vollgas. Mit dem von ihm im Jahre 1956 gegründeten Sülztaler Blasorchester marschierte er im Jahr 1983 bei der ersten Abendsendung von Maria Hellwigs Volksmusikserie „Die Musik kommt“ vor 8000 begeistert mitklatschenden Besuchern in die Kölner Sporthalle ein. Als Arrangeur und Dirigent arbeitete er jahrelang unter anderem für die Bensberger Bläserphilharmonie, den Musikverein Wipperfürth und das Blasorchester Neuhonrath.
Einen weiteren Höhepunkt erlebte der Kammermusiker im September dieses Jahres im Bergischen Löwen. Für den Festakt zu „20 Jahre Deutsche Einheit“ mixte Lüghausen aus der Becher-Hymne der DDR, der (einst nur west-)deutschen Nationalhymne und dem „Sonderzug nach Pankow“ eine „Paraphrase über unsere Nationalhymnen“.
Jetzt steht eine weitere Uraufführung an. Am 30. Dezember feiert Lüghausens Komposition „Erinnerung an Weißbriach“ im österreichischen Kärnten Premiere. Seine Partituren schreibt er übrigens seit 20 Jahren mit einem Notationsprogramm am Computer. „Was früher ein paar Tage dauerte, geht heute in ein paar Minuten“, erklärt Lüghausen. Und noch heute feilt er täglich im Musikstudio seines Eigenheims an Kompositionen und Arrangements. Aufhören ist für ihn undenkbar. „Die Musik ist einfach mein Lebenselixier“, sagt Lüghausen.