Putzlappenstau in der Kanalisation
1000 Euro für einen gewöhnlichen Putzlappen, 500 Euro für ein feuchtes Abschminktuch - das sind nicht etwa Preise für Luxusartikel oder für Readymades, also moderne Kunst. Das sind die Kosten, die entstehen, wenn man solche Artikel die Toilette runterspült.
MECHERNICH. Ich hoffe, den Leuten verstopft das Klo mal so richtig, wettert Karl Hansen, stellvertretender Betriebsleiter der Stadtwerke Mechernich. Fünf Mal mussten seine Mitarbeiter nach Voißel zur Pumpstation, um die dortige Pumpe aus dem Sumpf zu ziehen und das Flügelrad von Putzlappen zu befreien.
Ich weiß nicht, was sich die Leute dabei denken, schüttelt auch Marlene Dallner, Sachbearbeiterin für den Kanalbereich, den Kopf. Das Problem bei den feuchten Abschminktüchern sei, dass diese sich nicht - im Gegensatz zu feuchtem Toilettenpapier - auflösten. Normalerweise ist das aber auf der Verpackung mit einem durchgestrichenen Toilettensymbol gekennzeichnet, so Marlene Dallner. Das weiß sie inzwischen, denn nachdem mehrfach Tücher für Verstopfungen gesorgt hatten, war sie mit ihren Kollegen der Sache auf den Grund gegangen. Eine Drogerie nach der anderen hatten sie auf der Suche nach den Tüchern abgeklappert. Auch detektivisch müssen die Stadtwerke also vorgehen, neben dem Verwaltungsaufwand, den sie tagtäglich zur Wartung und Instandsetzung der Abwasserkanalisation betreiben. So konnten sogar die Verursacher ausfindig gemacht werden. Bei der Konfrontation mit den Indizien meinten diese nur: Wir dürfen das.
Für rund 215 Kilometer Kanalisation in 42 Orten sind die Stadtwerke Mechernich zuständig. Regenwasser, Schmutzwasser und so genanntes Mischwasser, also Regen- und Schmutzwasser, fließen hier durch. Dazu kommen 35 Regenüberlaufbecken (RÜB), Regenrücklaufbecken (RRB), Kanalstauräume und 20 Pumpstationen. Die Besonderheit unseres Gebiets ist, dass wir aufgrund der Topographie viel Gefälle berücksichtigen müssen, erklärt Hansen. Vier Täler gibt es zwischen Obergartzem und Kalenberg, zwischen Bergbuir und Wassendorf. Auch Teile von Kall gehören noch dazu. Rund 28 000 Einwohner hat das Gebiet. Auch die Fläche fließt in die Berechnungen mit ein. Schließlich ist die Kanalisation ein ausgeklügeltes System, bei dem die Fließgeschwindigkeiten möglichst konstant gehalten werden müssen.
Mit den Überläufen wird dafür gesorgt, dass die Kläranlagen gleichmäßig arbeiten können, so Hansen. Dafür gibt es in den Becken, in denen die Abwässer aus den einzelnen Haushalten zusammenlaufen, elektrische Schiebereinrichtungen. Im Becken wird der Wasserstand gemessen. Je nachdem wird der Durchfluss erhöht oder gesenkt, indem die Öffnung des anschließenden Rohres geöffnet oder geschlossen wird, erklärt der Fachmann. Vor allem bei Stoßzeiten muss das funktionieren, sagt Hansen. Zu größeren Abwassermengen kommt es traditionell während großer Sportveranstaltungen in den Werbepausen.
Die Kläranlagen gehören nicht mehr zum Zuständigkeitsbereich der Stadtwerke Mechernich, sondern zum Erftverband. Mit dem stehen die Stadtwerke beispielsweise auch bei kuriosen Anfragen in Kontakt.
Das Gebiss im
Kanal wiedergefunden
Ein Mann rief bei uns an und fragte, ob wir nachsehen könnten, ob wir sein Gebiss finden, erinnert sich Marlene Dallner. Und tatsächlich: Ein Mitarbeiter des Erftverbands hielt den Rechen in der Kläranlage im Auge und konnte das Gebiss zur großen Freude des Zahnlosen herausfischen.
Auch Gartenmöbel, Puppenwagen und Zäune wurden schon im Kanalsystem gefunden. So große Teile werden einfach in die Schächte geworfen, sagt Hansen. Das kostet die Stadtwerke jedesmal richtig Geld. Und dann regen sich die Leute auf, wenn die Abwassergebühren steigen, ergänzt Marlene Dallner.
Immer, wenn es zu Störungen kommt, geht bei den Stadtwerken ein Piepser. Seit Mitte der Neunziger melden Sensoren an Pumpwerken und Becken technische Defekte. Dank moderner Technik wird den 15 Mitarbeitern der Stadtwerke also der Unterhalt der Leitungen erleichtert. Im Moment lassen wir von einem Unternehmen eine Bestandsaufnahme der Kanalisation machen, berichtet Hansen aus dem Alltag.
Eine Kamera fährt auf einem Schlitten das gesamte Netz ab, die Auswertung der Bilder und die Einstufung in Schadensklassen nehmen die Stadtwerke vor. Es stehen ergänzende Baumaßnahmen an. Aber Grundsätzlich ist der Zustand gut, urteilt Hansen. Bis 2020 wird die Bestandsaufnahme dauern. Die erste dieser Art wurde zwischen Mitte der 80er begonnen und 2005 abgeschlossen. Damit waren wir Pioniere, sagt Hansen nicht ohne Stolz.
Der gute Zustand der Kanalisation rührt möglicherweise auch daher, dass das System noch relativ jung ist. Mitte der 80er, Anfang der 90er wurden viele Orte erst an die Kanalisation angeschlossen. Dazu wurden erst Sammelbecken gebaut, dann in den Orten große Leitungen gelegt und dann Ort für Ort mit der Kläranlage verbunden.
Für die Anschlüsse der einzelnen Häuser an die große Leitung sind die Grundeigentümer selbst zuständig. Kommt es hier zu Verstopfungen, muss der Schaden auch selbst behoben werden. Das erklärt, warum Hansen den Verursachern des Putzlappenstaus auch eine Verstopfung wünscht.