ReligionBuddha ist inneres Gleichgewicht

Myung-Hee Lee und ihr Schwester Won-Jo Lee (v.l.) sind Priesterinnen des Gladbacher „Il-Won-Tempels“. (Bild:Luhr)
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BERGISCH GLADBACH - Missionare gehen in die Fremde, verlassen Heimat und Familie, um unter Menschen andersartiger Kulturen zu leben und ihnen bei der Suche nach einem Heil zu helfen, an dem es ihnen möglicherweise mangelt. So gesehen entspricht Myung-Hee Lee durchaus der Definition einer Missionarin, auch wenn die Südkoreanerin keine wortgewaltigen Predigten an der Straßenecke hält, sondern zurückgezogen im Auenwald des Strundetals ihrem Glauben dient.
Vor dreieinhalb Jahren erhielt die 50-Jährigen den Auftrag ihres Dharma-Meisters, nach Deutschland zu gehen und in der beschaulichen Igeler Mühle einen Tempel zu errichten. Es ist der dritte Tempel der Won-Buddhisten in Deutschland und er tritt nach außen ganz ohne Pomp als buddhistisches Meditationszentrum auf. Finanziert wird das Projekt hauptsächlich aus Spenden der won-buddhistischen Gemeinde in Südkorea, die dort - obwohl erst vor 86 Jahren begründet - bereits mit etwa einer Million Gläubigen die viertgrößte Glaubensgemeinschaft im Lande darstellt (nach traditionellen Buddhisten, Katholiken und Protestanten).
Entrückt lächelnde Buddhastatuen im Lotussitz sucht man in der Igeler Mühle freilich vergebens: An ihrer Stelle krönt ein goldener Ring die Altäre, genannt Il-Won, „der Kreis“. Das Symbol, auch mit „Herzensgrund“ übersetzt, stellt den Dharmakaya-Buddha dar, den geistigen Buddha oder die Buddha-Natur, die in jedem Menschen schlummert und durch die Erleuchtung erweckt werden kann. Diese Buddha-Kraft durchdringt aber auch das gesamte Universum und ist damit die Grundlage allen Seins.
Ein anderes Symbol ist der flötenspielende Knabe, der eine Kuh reitet: Die fünf Sinne, die durch die Meditation beruhigt und gelenkt werden.
Won-Anhänger wollen den Herzensgrund in einem spirituellen und materiellen Gleichgewicht halten. Die Suche nach dieser Balance drückt sich in der Meditation aus, aber sie zieht sich als roter Faden auch durch alle Äußerungen und Gestaltungen der Gemeinde: die ruhige klare Einrichtung der Räume, geprägt von poliertem Holz, das bruchsteingemauerte Haus, eingebettet in das stille Waldtal am rauschenden Bach.
„Eine Koreanerin, die hier lebt und dem Won angehört, hatte gesehen, dass die Mühle zum Verkauf stand. Das Haus entsprach ganz unseren Vorstellungen“, erinnert sich Myung-Hee Lee, die inzwischen von ihrer Schwester Won-Jo Lee im Tempeldienst unterstützt wird. Die abgelegene Lage bedeutet vor allem auch, dass man keine Ärger mit Nachbarn bekommt, wenn mehrfach am Tage die Klangschalen angeschlagen werden und ihr bronzener Ton durch den Wald schwirrt.
Zu den offiziellen Tempelzeremonien sonntags um elf Uhr kommen regelmäßig etwa sechs bis acht Gläubige. Auch Sozialarbeiterin Marita Bosbach, Leiterin des Wipperfürther DRK-Altenheims, und ihr Mann Florian gehören dazu. „Buddhismus hat uns immer schon interessiert und dass wir jetzt so ein Angebot in der Nähe haben, ist toll“, sagt sie.
Die Meditationsrunden am Mittwochabend wenden sich hingegen an jedermann. „Das ist der Schwerpunkt unseres Angebotes“, sagt Myung-Hee Lee. „Bei den anderen Tempeln gibt es das nicht.“ 90 Minuten dauert die Sitzung im Allgemeinen. Die erste halbe Stunde ist vor allem Körperübungen und Fußmassagen gewidmet, damit die Beine nicht einschlafen. „Lange auf den Sitzkissen auf dem Boden zu sitzen, muss man erst lernen“, schmunzelt Myung-Hee Lee.
Die studierte Politologin und Philosophin mit Doktortitel freut sich besonders über die Schulklassen, die zur Igeler Mühle kommen, um sich über fernöstliches Denken zu informieren. Das Gladbacher Nicolaus-Cusanus-Gymnasium besuchte den Tempel im Rahmen des Philosophieunterrichtes und auch Gesamtschüler aus Kürten sowie Grundschulklassen aus Overath und Dürscheid gehörten schon zu den Gästen.