Rollentausch im SchaltjahrMaibaum-Stellen war Frauensache

Rollentausch im Schaltjahr: Das Aufstellen der Maibäume war Frauensache
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KREIS EUSKIRCHEN – Förster Edgar Kroymann vom Regionalforstamt Hocheifel-Zülpicher Börde hatte alle Hände voll zu tun: "Vor zwölf Jahren kamen drei, vier Mädels. Vergangenes Schaltjahr waren es dann bereits über 50, die einen Baum schlagen wollten."
Im Waldgebiet bei Todenfeld in der Nähe von Rheinbach war die Hölle los. Zwar veranstaltete die Forstbetriebsgemeinschaft Rheinbacher Höhen in Zusammenarbeit mit dem Landesbetrieb Wald und Holz NRW im Waldgebiet zwischen Euskirchen, Rheinbach und Bad Münstereifel traditionell eine große Maibaumabgabe. Doch in diesem Jahr war alles etwas anders: Es ist Schaltjahr - und dann stellen die Damen die Maibäume auf.
"Die jungen Frauen machen mich kirre", sagte Kroymann. Erich Kaster stimmte ihm zu. "So viele Mädchen waren noch nie hier", sagte der Forsthelfer. Zehn Euro kostete eine drei bis zwölf Meter lange Birke. Die Auswahl ist riesig.
Auf 400 Hektar standen so viele Birken, dass man vor lauter Bäumen den richtigen Maibaum kaum sah. Mit Säge und Axt machten sich die jungen Frauen auf die Suche. Auch wenn sie diesmal in die Jungen-Rolle schlüpften, Handtasche oder Stöckelschuhe durften bei einigen nicht fehlen. "Es ist gut, dass nur alle vier Jahre Schaltjahr ist", sagte Kaster.
Im vergangenen Jahr hatte Lena Meurer einen toll geschmückten Baum von ihrem Freund Julian erhalten. Nun wollte sie sich revanchieren. Julian ahnte noch nichts. Im Schlepptau hatte die Euskirchener Schülerin Vater Stefan und Schwester Elisabeth. Die Aufgaben waren klar verteilt.
Während ihr Papa sägte und die Birke aus dem Unterholz und dann zum Auto trugt, steuerte ihre jüngere Schwester kritische Anmerkungen zur Beschaffenheit des Baums bei. Sie einigten sich schließlich auf eine große Birke, die noch ordentlich gekürzt werden musste, damit sie ins Auto passte. Lena legte beim Absägen selbst kurz Hand an. Schnell gab sie die Säge aber wieder an ihren Papa ab. Per SMS wurden zunächst ihre Freundinnen über "das Prachtstück" informiert.
Sie erklärte, den Baum in der Mainacht mit ihren Freundinnen Stefanie, Johanna und Sarah schmücken zu wollen.
Während bei Todenfeld noch die Birke im Auto mit Spanngurten befestigt wurde, wurde in Niederkastenholz bereits geschmückt. Über 130 Krepppapier-Rollen hatten die Junggesellinnen des Dorfes gekauft. Bei den Farben des Baumschmucks hatten sie eigene Vorstellungen. "Wir haben kein Lila und kein Rosa ausgesucht. Wir sind doch keine Mädchen", sagte Laura Schneider mit Augenzwinkern. Schön bunt wurden die Bäume dennoch. Auch ein wenig außergewöhnlich. Braune Bänder im Maibaum? War der glückliche Empfänger etwa St.-Pauli-Fan? Die Damen hüllten sich in Schweigen.
Vor vier Jahren - also auch in einem Schaltjahr - wurde der Junggesellinnenverein (JGV) in Niederkastenholz gegründet. Doch da hatten die Frauen noch keinen Gedanken ans Aufstellen der Bäume verschwendet. "Da haben wir lieber ausgiebig gefeiert", so Schneider. Das Vergnügen sollte auch dieses Jahr nicht zu kurz kommen, aber vor dem Vergnügen stand im Schaltjahr die Arbeit. Acht Bäume hatten Schneider und Co. im Wald an der Steinbachtalsperre geschlagen. Unterstützt wurden sie dabei von einigen Herren des Gartenverschönerungsvereins und der Feuerwehr, die gleichzeitig den Dorf-Mai mitgebracht hatten. Geschmückt wurden die Birken in einer Scheune am Dorfrand. Damit war sichergestellt, dass die Wege in der Mainacht relativ kurz sind.
Aufgestellt wurden die Bäume nämlich nur in Niederkastenholz. "Alle Männer, die einen Baum verdient haben, bekommen auch einen", so Tatjana Walz - durchaus traditionelle Züge für einen JGV, der auf der eigenen Kirmes auch schon mal gerne neue Mitglieder aus den Nachbarorten akquiriert.
Jüngstes Mitglied ist Mareike König. Die 18-jährige Flamersheimerin schmückte zwar schon kräftig mit, offizielles Mitglied wurde sie aber erst in der Mainacht. Oberhalb des obligatorischen Kasten Bier, der auch bei den Damen nicht fehlen durfte, hingen zwei Herzen. "Die bekommen zwei ganz besondere Männer", sagte Schneider. Einer davon war Thomas Buderath, der vor einigen Jahren dem JGV einen alten Bauwagen geschenkt hatte, damit die jungen Damen ihre Kinder während der Kirmes besser betreuen konnten. Der andere war Frank Schmidt. Er ist laut Schneider so etwas wie die "Erste Hilfe" der Damen. Wann immer etwas zu tun sei, sei er zur Stelle. Die Mai-Herzen hatten sie natürlich auch in mühevoller Kleinarbeit selbst hergestellt. "Das ist eine Sch...arbeit gewesen. Wehe, die Herren wissen das nicht zu schätzen", so Schneider. Das sahen auch Simone und Melanie so. Die Freundinnen trafen sich vor der Mainacht gleich mehrere Male in Gemünd, um aus Krepppapier Rosen zu drehen. "Was ,frau' nicht alles für die Liebe tut", sagte Studentin Simone. Dabei ist die 21-Jährige gar nicht sicher, ob ihr Freund Sven den Aufwand zu schätzen weiß. "Ich hoffe, er hängt es nicht sofort wieder ab", scherzte sie. Ganz umsonst werden die gut 20 Arbeitsstunden nicht gewesen sein. Zumindest dann nicht, wenn es nach ihrem Vater geht. "Die Anfangsbuchstaben der Vornamen beginnen beide mit S. Dann kann Sven das Herz im nächsten Jahr wieder Simone schenken", so der Vater.
Melanie ging hingegen davon aus, dass sich ihr Freund Andi freuen wird. Ihre Liebe ist nämlich Romantik pur. Die gelernte Grafikerin, verliebte sich vor gut 13 Jahren in den gebürtigen Italiener - in der Mainacht. Es dauerte einige Jahre, bis die beiden zueinander fanden. Mittlerweile sind sie Feuer und Flamme und während ihr Freund mit anderen Junggesellen vor dem Mai-Feuer saß, hängte die 32-Jährige ihr Herz mit dem großen roten "A" auf. Bei der Farbauswahl hatte sie sich Gedanken gemacht. Lila sei seine Lieblingsfarbe, Rot die Farbe der Liebe. Auch wenn das Basteln viel Arbeit bedeute, ein fertiges Herz zu kaufen, komme für sie nicht in Frage. "Manchmal muss man für die Liebe eben leiden", sagte Melanie, während sie die letzte von über 60 Krepp-Rosen in ihr Styroporherz steckte.