SchlagfertigkeitstrainingDumme Anmache? Kluger Spruch!
Anna hat Sebastian heute beim Vokabeltest nicht abschreiben lassen und ahnt, dass der 13-jährige Cliquenanführer sich rächen wird. Am Schultor lauert er der Zwölfährigen auf. Wieder einmal muss Anna sich beschimpfen lassen - als blöde Streberin und uncoole Tusse.
„Kinder sind in Schule und Freizeit oft schlimmen Hänseleien ausgesetzt. Es gibt immer Großmäuler, die die Schwäche anderer ausnutzen und sie verbal richtig fertig machen“, sagt der Kommunikations-Trainer Matthias Pöhm. Mit seiner für Kinder entwickelten Vorgehensweise erklärt er, wie Mobbing-Opfer anderen zeigen, dass sie nicht wehrlos sind.
Zum Beispiel Anna. Trotz ihrer Wut sollte sie jetzt nicht einfach üble Schimpfworte zurückschleudern - das zeige ihre Verletztheit, sei unsouverän und habe zur Folge, dass Sebastian mit doppelter Wucht weiter feixen würde. „Du gehörst in den Puff“, lautet dann nämlich einer seiner Lieblingssprüche, den Anna auf keinen Fall wieder hören will.
Was tun? Sich dem Lehrer anvertrauen und dann als Petze verschrien werden? Oder sich gedemütigt davon schleichen? Klug kontern, rät der Experte: „Du musst zwei Stufen cleverer als dein Angreifer rüberkommen, so dass dich die anderen schon fast wieder bewundern“, so Pöhm. So könnte Anna Sebastian den Spaß an den blöden Puff-Sprüchen schnell nehmen, wenn sie einmal vor all seinen Freunden kontern würde: „Ich in den Puff? Nee, da könnte ich dir ja als Kunde begegnen.“ Ein Spruch wie dieser würde Anna schlagfertig und überlegen wirken lassen.
Hinter erfolgreichen Konter-Sprüchen steckt meist ein Prinzip, das sie verblüffend und gleichzeitig wirkungsvoll macht - zum Beispiel bei der „Spitzenmethode der Schlagfertigkeit“, dem unerwarteten Zustimmen. „Wenn du überraschend zu einem Vorwurf stehst, der dir gemacht wird, nimmst du dem Angreifer voll den Wind aus den Segeln. Denn derjenige, der dich beleidigt, braucht dein Einverständnis, dass das, was er dir vorwirft, etwas Schlimmes ist“, sagt Pöhm. Deshalb bloß nicht rechtfertigen, wenn zum Beispiel jemand lautstark verkündet: „Du hast einen fahren lassen“, sondern locker zugeben: „Na klar, glaubst du, ich rieche immer so?“
Bei härteren Attacken, die echte Beleidigungen sind („du fette Kuh“), kann man den Angreifer mit Antworten wie „Das hast du ja wunderbar beobachtet. Hätte ich dir gar nicht zugetraut“ lächerlich machen.
Auch wenn die verbale Gegenwehr sich theoretisch überzeugend anhört, sieht die Praxis oft anders aus. Das Problem: Die Antworten müssen einem rechtzeitig einfallen - und das ist unter Druck, Scham und Wut oft fast unmöglich. Der Schlagfertigkeits-Profi rät deshalb zu regelmäßigem Training. Kluge Konter kann man lernen wie Vokabeln - damit sie im Ernstfall sitzen, sagt er.
Matthias Pöhm schlägt betroffenen Kindern vor, sich von ihren besten Freunden probeweise attackieren zu lassen, um zu üben. „Ziel ist, dass du dich daran gewöhnst und Antworten wie ,Schön, dass du es auch schon gemerkt hast mit gleichgültiger Stimme im Schlaf geben kannst.“
Den Angreifern vergeht die Lust, wenn sie merken, dass ihr Opfer nicht mehr verwundbar ist. Manchmal hilft es auch, herauszufinden, was die Angreifer eigentlich jagt. Denn es sind nicht nur Brachial-Beleidigungen, die wehtun. Auch das Nicht-Beachten, wie es Mädchen gerne betreiben, kann sehr schmerzlich sein.
Die zehnjährige Jane zum Beispiel wird von ihren Klassenkameradinnen manchmal wie Luft behandelt, wenn sie etwas getan hat, was ihrer besten Freundin nicht gefällt - und sei es nur, dass sie einen Nachmittag mit einem anderen Mädchen gespielt hat.
„Wenn jemand einen anderen mit Nichtbeachtung straft, will er nichts anderes, als selbst beachtet und geliebt zu werden“, sagt Matthias Pöhm. Deshalb zeigt ein Mädchen Stärke und Größe, wenn es der eingeschnappten Freundin anvertraut: „Ich mag dich auch, wenn du mich nicht beachtest.“
Nicht immer trauen Angreifer sich offen an die Front, sondern lästern systematisch und - besonders fies - so laut hinter dem Rücken anderer, dass die Opfer es schmerzlich mitkriegen müssen. In solchen Fällen lautet die Lösung des Experten: Hingehen und die Situation klar ansprechen. Das Läster-Opfer sollte sich direkt an diejenigen wenden, der hässliche Bemerkungen macht, und nachfragen: „Warum traust du dich das nur hinter meinem Rücken? Bitte lass das!“
Schlagfertig auf dem Schulhof! Wie man Großmäulern clever Paroli bietet, von Matthias Pöhm, mgv Verlag, 12,90 Euro.