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Seltene ErkrankungSo weit die Füße ihn noch tragen...

Lesezeit 4 Minuten

Mit regelmäßigem Trainingversucht Marcel Treppe, das Voranschreiten seiner Erkrankung zu verzögern, bisher mit Erfolg. (Foto: privat)

HÜRTH – Die Welt zu bereisen, das ist ein Lebenstraum, den sich Marcel Treppe im Ruhestand erfüllen wollte – in ferner Zukunft also. Doch da wusste der heute 36-jährige Hürther noch nicht, dass ihm einmal die Zeit davonlaufen würde. Eine seltene Erkrankung, die sogenannte Friedreich-Ataxie, wird ihn früher oder später in den Rollstuhl zwingen. Jetzt hat Treppe seine Pläne geändert. Schon im Mai willer mit einer Reisegruppe nach Südamerika fliegen: „Ich möchte einfach ein paar Sachen noch auf meinen eigenen Beinen erleben.“

Marcel Treppe istein sportlicher junger Mann, als er vor zehn Jahren die ersten Symptome bemerkt. Der begeisterte Radfahrer hat vom siebten bis zum 18. Lebensjahr 45 Nachwuchs-Rennen gewonnen und stand 70-mal auf dem Siegertreppchen. Inzwischen hat er alle Urkunden und Medaillen von der Wand genommen und in den Müll geworfen. „Ich kann das nicht mehr angucken“, sagt er.

Ein langer Wegbis zurrichtigen Diagnose

„Angefangen hat es mit einer leichten Gehstörung, einem Humpeln“, erinnert sich Treppe. „Mensch, du läufst wie ein Onkel. Geh mal zum Arzt“, ruft Vater Hans ihm nach. Doch der Orthopäde kann nichts finden und überweist ihn zum Neurologen. Der Nervenarzt durchleuchtet auch Treppes Kopf und stellt eine Veränderung im Kleinhirn fest. Den Grund dafür erfährt der Patient aber erst fünf Jahre später. Treppe: „Das war ein ziemlich langer Weg, bis ich wusste, was ich hab.“An der Uni-Klinik in Bonn wird schließlich Treppes Blut analysiert und eine sehr seltene Erbkrankheit diagnostiziert, die nicht einmal Treppes Neurologe kennt: Morbus Friedreich.Nach Schätzungen sind in Deutschland gerade einmal 2000 Menschen von der fortschreitenden Lähmung betroffen. Ursache ist ein langsamer Verfall des zentralen Nervensystems. „Das Kleinhirn schrumpft“, erklärt Treppe. „Das sind minimale Veränderungen mit großer Wirkung.“

Die Hände sind noch ganz ok

Die Symptome prägen sich nur allmählich aus und ähneln denen der Multiplen Sklerose (MS). „Wenn mich einer fragt, sag ich auch, ich hab MS. Damit können die Leute was anfangen“, sagt Treppe. Das Gehen fällt ihm zunehmend schwer, auch die Sprachfähigkeit ist betroffen. „Das hört sich an, als hätte ich einen im Tee“, erklärt er schmunzelnd. „Aber die Hände sind noch ganz ok.“

Treppe versucht, sich von der Krankheit nicht kleinkriegen zu lassen. Aber viele Therapiemöglichkeiten gibt es nicht. Zweimal in der Woche geht er zur Krankengymnastik ins Rehazentrum von Pro Medik, weitere zweimal zum freien Training an den Sportgeräten. Außerdem bekommt er Sprachtherapie. Regelmäßig unternimmt er mit seinem Vater große Spaziergänge.Der gelernte Drucker ist davon überzeugt, dass auch sein Job in einer Kölner Offset-Druckerei das Fortschreiten seiner Krankheit verlangsamt hat. Der Alltag hält ihn in Bewegung, und wenn er abends erschöpft nach Hause kommt, hat er keinen Kopf mehr dafür, sich Sorgen zu machen.

Unbedingt die Inka-Kultur sehen

Das könnte sich allerdings ändern. Die Druckerei ist pleite, Treppe wird seinen Arbeitsplatz verlieren. Vor der Arbeitslosigkeit fürchtet er sich mehr noch als andere Betroffene: „Die meisten Patienten mit Friedreich-Ataxie sitzen fünf Jahre nach dem Ausbruch der Krankheit im Rollstuhl. Bei mir ist das auch nach zehn Jahren noch nicht so. Das liegt auch daran, dass ich immer in Wallung bin.“Was aber, fragt er sich, werde passieren, wenn er diesen Alltag nicht mehr hat? Wenn er „den ganzen Tag zu Hause rumhängen“ soll?

Bereits seit vergangenem August bekommt er eine Erwerbsminderungsrente, darf aber zwölf Stunden die Woche arbeiten. Und das will er auch; er sucht nun einen neuen Job, möglichst eine sitzende Tätigkeit am Computer. Zunächst will Marcel Treppe aber Urlaub machen. „Was ich unbedingt einmal sehen wollte, ist die Inka-Kultur. Eine passende Gruppenreise, die am 8. Mai starten und 13 Tage dauern soll, hat er bereits gefunden. Die Reise soll ihn nach Peruin die alte Ruinen-Stadt Machu Picchu führen, 2,5 Kilometer hoch in den Anden.

Auf der Suchenach einerBegleitperson

Allein, das ist ihm klar, wird er es nicht schaffen. Deshalb sucht Marcel Treppe nach einer Begleitperson, möglichst einen Physiotherapeuten oder einen Masseur. „Ich brauch keine Rundum-Betreuung, sondern jemanden, der mich zweimal am Tag massiert und aufpasst, dass ich nicht in einen Abgrund stürze.“ Zwei Sponsoren, die sich an den Reisekosten für den Begleiter beteiligen wollen,hat er gefunden. Dieter Pauwels, Inhaber von Pro Medik, hat Hilfe zugesagt, einen Teil steuert Vater Hans bei, der selbst aber nicht mitfliegen will: „Das würde dem Marcel dann nicht so viel bringen“, ist der 69-Jährige überzeugt.

Gern hätte Marcel Treppe auch ein Fernsehteam dabei gehabt für eine Dokumentation. „Es geht nicht um mich, sondern darum, die Krankheit bekannt zu machen und vielleicht die Pharmaindustrie etwas unter Druck zu setzen“, sagt Treppe – für so wenig Betroffene würden sonst keine Medikament entwickelt. Doch den angefragten TV-Produktionsfirmen sei sein Fall nicht spektakulär genug gewesen. Treppe: „Die hätten das gemacht, wenn ich zum Geistheiler gegangen wäre.“ Treppe hat dankend verzichtet.