Sprache der AffenHand vor Augen heißt „Nicht stören!“

In Sachen Körpersprache herrschen keineswegs in jeder Schimpansen-Gesellschaft die gleichen Sitten. (Bild: dpa)
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Wer im Ausland unbedacht mit den Händen herumfuchtelt, kann sich sehr schnell in Schwierigkeiten bringen. Denn manche Gesten bedeuten in verschiedenen Teilen der Welt etwas ganz Unterschiedliches. Was der eine als neutrale Information gemeint hat, fasst der andere vielleicht als Unverschämtheit auf. Jemandem die Fläche der erhobenen Hand entgegenzustrecken, bedeutet zum Beispiel vielerorts nicht mehr als „Stopp!“. In Griechenland aber ist die gleiche Geste eine grobe Beleidigung, mit der man gern mal die Fahrkünste und den Geisteszustand anderer Verkehrsteilnehmer auf der Straße kommentiert.
Solche kulturellen Eigenheiten hatten Wissenschaftler lange nur dem Menschen oder allenfalls noch den Menschenaffen zugetraut. Doch auch bei anderen Affenarten scheint es Vergleichbares zu geben. Mandrille jedenfalls gestikulieren keineswegs überall auf der Welt gleich, berichtet Mark Laidre von der US-amerikanischen Princeton University im Fachjournal Plos One.
Vor allem bei Menschenaffen kennen Biologen inzwischen etliche kulturelle Unterschiede zwischen den Bewohnern einzelner Landstriche. Während westafrikanische Schimpansen zum Beispiel mit Hilfe von Steinen harte Nussschalen aufhämmern, scheinen ihre Artgenossen im Osten des Kontinents diesen Trick nicht zu kennen. Und auch in Sachen Körpersprache herrschen keineswegs in jeder Schimpansen-Gesellschaft die gleichen Sitten. So ist es mancherorts üblich, sich bei der gegenseitigen Fellpflege über dem Kopf die Hand zu reichen. In anderen Regionen dagegen denken die Tiere gar nicht daran, derartige Verrenkungen zu machen. Was dieses Händchenhalten bedeutet, weiß bisher niemand so genau. Manche Forscher vermuten, dass diese Geste eine enge Verbundenheit demonstrieren soll.
Die entferntere Verwandtschaft des Menschen galt dagegen lange eher als Gestik-Muffel. Umso überraschter war Mark Laidre, als er eine Gruppe Mandrille im Zoo von Colchester in Großbritannien beobachtete. Immer wieder saßen oder lagen bestimmte Tiere minutenlang da und hielten sich mit einer oder beiden Händen die Augen zu. Manche spreizten zusätzlich auch noch den Ellenbogen ab. Mit kurzen Unterbrechungen konnte das Ganze mehr als eine halbe Stunde dauern. Obwohl Mark Laidre über Jahre hinweg 18 weitere Mandrill-Kolonien unter die Lupe nahm, die quer durch die Kontinente in menschlicher Obhut lebten, stieß er nirgends auf ein ähnliches Verhalten. Und etliche seiner Kollegen bestätigten seinen Eindruck: „Außerhalb von Colchester ist diese Geste nie beobachtet worden“, berichtet der Forscher. Ein junges Weibchen namens Milly hatte sie 1999 spontan erfunden, später übernahmen dann sechs jüngere Männchen das Verhalten - und ließen nicht mehr davon ab.
Fragt sich, was das Ganze soll. Es kann schließlich ganz schön anstrengend sein, die Hand so lange in Position zu halten. Vielleicht wollen die Tiere einfach ihre Augen vor der Sonne schützen? Das ließ sich rasch ausschließen, weil sie die Geste auch im Schatten oder an bedeckten Tagen zeigen. Anders als die meisten anderen Affengesten scheint diese auch nicht zu sozialen Kontakten aufzufordern. Ganz im Gegenteil: Die Tiere benutzen sie nur, wenn sie ruhen und kein Interesse an Spielen, Prügeleien oder Fellpflege haben. Und das, so glaubt Mark Laidre, könnte des Rätsels Lösung sein: „Möglicherweise signalisieren sie den anderen damit, dass sie ihre Ruhe haben wollen.“
Tatsächlich scheinen die Gefährten diesen Wunsch zu respektieren. Wenn ihre Artgenossen die Hand vor den Augen haben, kommen sie jedenfalls nur selten zu ihnen herüber oder versuchen, sie zu berühren. Sitzen die Tiere dagegen mit unbedecktem Gesicht, aber in ganz ähnlicher Haltung da, passiert das viel häufiger.
So ganz scheinen die Mandrille ihrer Zeichensprache allerdings nicht zu vertrauen. Denn statt hinter der Hand die Augen zu schließen und zu schlafen, linsen sie ständig zwischen den Fingern hindurch und behalten ihre Gefährten genau im Blick. Man weiß schließlich nie, welcher streitlustige Grobian ein „Bitte nicht stören!“ einfach ignoriert.