TherapiehundEin Dackel geht zur Schule

Crümel, die eigentlich „Cosima von Sticht“ heißt, ist jetzt ausgebildeter Therapiehund. (Bild: Schmitz)
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NEYE – Crümel liegt ganz entspannt zu Füßen ihres Frauchens Martina Becker. Bis die Dackeldame die Pausenklingel der Alice-Salomon-Schule hört. Dann steht sie kurz auf, streckt sich, gähnt und - rollt sich erneut zusammen. Die vierjährige Hündin ist die Gelassenheit auf vier Pfoten. Das hat sie in den letzen Jahren in den Klassen oft genug unter Beweis gestellt. Und nun haben es ihre Besitzerin und auch die städtische Förderschule mit den Förderschwerpunkten Sprache und Lernen sogar schriftlich. Crümel, die eigentlich „Cosima von Sticht“ heißt, ist jetzt ausgebildeter Therapiehund. Genau genommen sind sie und Martina Becker nun ein Team, das beispielsweise in Schulen oder Praxen die Arbeit von Therapeuten unterstützen kann.
Hund mit eigener AG
Seine Arbeit macht das Duo aber ausschließlich in der Neyer Förderschule. Seit zwei Jahren ist die 51-jährige Egenerin an der Schule, betreut am Nachmittag in der Offenen Ganztagsschule (OGS) unterschiedliche Gruppen. Ihren Dackel - einer von vier Hunden im Haushalt der Familie - hatte Martina Becker schon oft dabei. Und schnell bemerkt sie, dass Crümel mithilft: „Sie legt sich eigentlich immer zu den Kindern, die am nötigsten ein wenig Ruhe brauchen“, sagt die Betreuerin. Diese reagierten prompt: „Da werden Stühle vorsichtig zurückgeschoben, um das Tier nicht aufzuschrecken.“ Inzwischen gibt es für die Schüler der ersten bis zehnten Klasse zwei Crümel-Arbeitsgemeinschaften. In den frei wählbaren Nachmittagsgruppen sind fünf bis sechs Kinder, die nicht nur etwas über das Verhalten von Tieren, sondern auch über ihre Mitmenschen lernen, sagt Schulleiterin Claudia Voß, in deren Büro die Hündin auch ein gern gesehener Gast ist. „Die Schüler bekommen ein Gefühl für die eigene Gestik und Mimik. Es gibt viele Situationen, in denen die Kinder nicht richtig einschätzen können, wie sie gerade auf ihre Mitmenschen wirken.“
Auch Sprachprobleme versucht Martina Becker mit Crümel auszuhebeln. „So ganz nebenbei“ übt sie Worte mit Kindern, die einzelne Buchstaben nicht aussprechen können. Oder eine Form von Mutismus haben - dabei reden die Betroffenen nur mit bestimmten Personen. So hat sich ein Kind mit diesem Handicap dafür entschieden, sich Crümel anzuvertrauen. „Da sind mir doch schon ein paar Tränen gekommen“, sagt Frau Becker.
Getragen wird das Angebot im Übrigen vom Förderverein „Lernen fördern“, der seit 23 Jahren an der Schule aktiv ist und gemeinsam mit der Stadt auch das Angebot der OGS finanziert. „Als Frau Becker mit dem Vorschlag kam, doch eine Ausbildung für den Hund und sich zu machen, musste ich mich erst mal informieren“, berichtet Förderverein-Vorsitzender Hermann-Josef Berster von einem ersten Moment des Zögerns. Doch das Konzept überzeugte und danach gab es schnell grünes Licht für die rund 1400 Euro teure Ausbildung, die sechs Monate gedauert hat. Diese verlangte Crümel einiges ab: Sie musste beweisen, wie stressresistent und einfühlsam sie ist.
Crümel ist ein Ausnahmehund in der Branche: Für gewöhnlich bekommen die gemütlichen Retriever und Labradore den Vorzug vor den als stur und falsch verschrieenen Dackeln. Dass Crümel ein wenig anders als die anderen Vierbeiner ist, ist im Hause Becker mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden, weil die fünfköpfige Familie eigentlich Dackel für die Jagd züchtet. Während ihre Kollegen auch fleißig im Kaninchenbau wühlen, hatte Crümel dazu nie Lust. Begeistert ist sie, wenn Frauchen die Schultasche packt. Dann wartet sie auf ihren Einsatz.