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Trillerpfeife im Kinderzimmer

Lesezeit 3 Minuten

Luxusgut Stille: Immer mehr Menschen leiden unter Lärm, auch Kinder haben bereits öfter Gehörschäden.

Was ist

Lärm

Ob ein Geräusch, ein Ton oder Musik als angenehm empfunden wird, ist zunächst eine Sache der subjektiven Empfindung. Was für den einen knackige Rockmusik ist, hält der andere schlicht nur für Krach. Und damit für Lärm, weil er sich gestört fühlt. Aber auch das Ohr stuft die zu laute Musik als Belästigung ein; es leidet, auch wenn der Besucher eines Rockkonzerts sich bestens amüsiert. Ab 85 Dezibel - eine viel befahrene Autobahn ist in fünf Metern Abstand etwa 80 Dezibel laut, wer an einer Kreissäge arbeitet, ist 90 Dezibel ausgesetzt - hört jeder Spaß auf. Es drohen bei anhaltender Dauerbelastung Hörschäden. Im Februar dieses Jahres wurde die Grenze für den gesetzlich vorgeschriebenen Gehörschutz von 85 auf 80 Dezibel verschärft.

Wie wird Lärm

gemessen

Lärm kann nur indirekt gemessen werden. Erfasst wird der so genannte Schalldruck, der das Trommelfell im Ohr in Schwingungen versetzt. Dieser Schalldruck wird in der Einheit Pascal (Pa) angegeben. Beispiel: Werden am Rand der Autobahn 80 Dezibel (dB) gemessen, entsteht ein Schalldruck von 0,2 Pa; 1 Meter vor dem Disko-Lautsprecher entstehen bei 100 Dezibel 2 Pa. Was allgemein als Lautstärke bezeichnet wird, nennen die Physiker den Schalldruckpegel. Das menschliche Ohr kann einen Schalldruckpegel zwischen 0 Dezibel (Hörschwelle) und 120 Dezibel (Schmerzschwelle) wahrnehmen. Der Zusatz (A) hinter der Maßeinheit dB drückt dabei aus, dass es sich um eine frequenzbewertete Größe handelt. Denn unsere Lautstärkeempfindung hängt auch von der Höhe oder Tiefe der Töne ab. Bei demselben Schalldruckpegel werden sehr hohe und sehr tiefe Töne relativ leise in unserem Ohr registriert. Dabei bedeutet ein Plus von drei db(A) bereits eine Verdopplung, ein Zuwachs von 10 dB(A) eine Verzehnfachung der Schallstärke.

Wie krank

macht Lärm

Der Mensch ist lärmempfindlicher als er glaubt. Schon das Ticken des Weckers (30 db, zum Vergleich: normales Atmen ist 10 dB laut) kann Schlafstörungen auslösen, selbst die ruhige Wohnstraße mit gelegentlichem Autoverkehr (40 dB) kann Lern- und Konzentrationsschwächen nach sich ziehen. Ähnlich kann es demjenigen ergehen, der morgens von Vogelgezwitscher geweckt wird. Mit rund 50 dB ist das in etwa so laut wie ein brummender Kühlschrank.

Neben Schädigung oder gar Verlust des Gehörs gilt Lärm als Ursache für Herz- und Kreislauferkrankungen. Bei einer Dauerbelastung von 65 Dezibel (Hauptverkehrsstraße) steigt das Herzinfarkt-Risiko. Der Deutsche Arbeitsring für Lärmbekämpfung schätzt, dass zwei Prozent der Herzinfarkt-Toten auf Lärmbelästigung zurückzuführen sind.

Viele Jugendliche ruinieren sich ihr Gehör, weil sie Musik über Kopfhörer hören. Dabei kann ein voll aufgedrehter MP3-Player mehr als 100 Dezibel (db / A) erreichen, und auch schon im mittleren Bereich liegt der Pegel bei 83 bis 82 db / A. Ein Disco-Besuch dröhnt mit bis zu 110 Dezibel ins Ohr. Auch vier Prozent der Schulanfänger leiden laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bereits an Hochtonschwerhörigkeit. Der Grund: Knallfrösche, Spielzeugpistolen und Trillerpfeifen in Kinderzimmern. Die Spielzeugpistole, am Ohr abgefeuert, erreicht dabei bis zu 180 Dezibel. Dabei ist bereits bei 120 Dezibel selbst nach kurzer Einwirkung ein Gehörschaden möglich. Bei 17 Prozent aller für die Bundeswehr gemusterten Jugendlichen werden inzwischen Gehörschäden festgestellt.

Wie teuer

ist Lärm

Laut einer Studie der Universität Stuttgart aus dem Jahr 2005 verursacht Verkehrslärm jährliche Kosten von 12,3 Milliarden Euro, wobei die gesundheitliche Belastung - und die entsprechende Behandlung - durch den Autoverkehr mit 6,8 Milliarden am höchsten ist (Flugverkehr 3,1; Schienenverkehr 2,4).

Hinzu kommt der Gesamtaufwand für Lärm-Sanierungen. Die Gesellschaft für Akustik schätzt ihn auf rund 600 Millionen Euro in den nächsten Jahren. Schwerhörigkeit ist einer der drei Hauptgründe für Berufsunfähigkeit. Die Zahl von 7000 jährlich anerkannten Fällen von beruflich bedingter Schwerhörigkeit stagniert allerdings seit Jahren. Die Bau-Berufsgenossenschaft zahlt pro Jahr allein an die Dauerkranken rund 20 Millionen Euro. (rkk)