Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Trolleys im Trend„Hackenporsche“ für junge Leute

Lesezeit 4 Minuten

Fruchtig: Der „Einkaufsbutler James“ eignet sich für den Markt und macht Lust auf Vitamine. (Bild: Hersteller)

Plastiktüten, Jutebeutel, Kofferräume: Alle diese Erfindungen bieten sich an, um einen Großeinkauf zu transportieren. Doch alle drei haben ihre Macken: Plastiktüten und Autos ärgern das Klima. Außerdem braucht ein Auto einen Parkplatz: unpraktisch in der Stadt. Der Jutebeutel ist zwar ehrenwert, weil ökologisch unbedenklich. Doch spätestens, wenn die Finger beim Schleppen auf dem Heimweg taub werden, schweift der Blick neidvoll zu der älteren Dame, die auf der anderen Straßenseite Milchtüten und Wasserflaschen mühelos hinter sich herzieht - im Einkaufstrolley.

Bislang musste man sich entscheiden: Zieht man mit einem praktischen Roller in den Supermarkt, ungeachtet der schrecklichen Schottenmuster und ohne Rücksicht auf das eigene ästhetische Empfinden? Oder plagt man sich mit Tüten und sieht dafür halbwegs jung und dynamisch aus? Diese Entscheidung fällt zunehmend leichter. Denn die Einkaufshilfen, im Volksmund auch Hackenporsche, Zwiebelmercedes oder Rentnerferrari genannt, mausern sich zu hübschen Accessoires. Die Trolleys, die vor 50 Jahren als "Marktroller" aus Dänemark nach Deutschland importiert wurden, stehen mittlerweile sogar in Boutiquen. Menschen weit unterhalb des Rentenalters begeistern sich für die Einkaufshilfen.

Woran liegt das? Vor allem daran, dass die Roller immer schöner werden. Es gibt sie mittlerweile in allen Farben und Mustern. Es gibt sie mit zwei Rollen zum Ziehen, mit vier Rollen zum Schieben und mit sechs Rollen zum Treppensteigen. Ein Modell - das "Hackenporsche Soundsystem" - kommt sogar mit eingebauten Boxen daher. Ein mp3-Player reicht, fertig ist die mobile Anlage.

Apropos Musik: Tatsächlich haben auch DJs zur wachsenden Beliebtheit der Roller beigetragen. Jahrelang hatten sie ihre Plattenstapel in Umhängetaschen in die Clubs transportiert. Inzwischen sind viele auf Rollen umgestiegen, um ohne Rückenschmerzen an ihrem Arbeitsplatz anzukommen.

Modelle mit Soundsystem und für das Fahrrad

Eine beliebte Party-Reihe im Zucker-Club in Bremen heißt "Hackenporsche". Und auf Flohmärkten rollen die Gefährte schon seit einigen Jahren: Schnäppchenjäger in jedem Alter ziehen die Trolleys hinter sich her. All dies zeigt: Der Roller wird jugendlich. In Spanien sind sie schon längst eine Allzweckwaffe für alle Altersklassen. Die spanische Firma "Rolser" stellt die modischen Modelle für ihre Landsleute her, beliefert aber auch die ganze Welt. "Die Japaner sind ganz verrückt nach unserem kleinen geblümten Roller Babyjoy", sagt Lida Martinez von "Rolser".

Trendtaugliche Modelle entwirft auch die Manufaktur Andersen, die in Sartrup nahe Flensburg sitzt und die Roller schon seit 1959 produziert. Robust und cool sehen ihre "Shopper" aus. Einige ihre Modelle taugen als Fahrradanhänger oder haben eine Aufhängung für Bier- oder Wasserkästen. Das Modell "Eiszeit" hat eine Thermofunktion, damit der Kaffee neben der Skipiste warm bleibt. "Wir verkaufen unsere Produkte zunehmend an jüngere Kunden, vor allem an Familien", sagt Sandy Trautvetter von "Andersen". Zwar denkt die Firma auch an ältere Semester: Der "Stockroller" enthält eine integrierte Gehhilfe. Verkaufsrenner bei Andersen aber sind die Roller aus gebrauchten LKW-Planen. Der reiß- und wetterfeste Stoff ist bei Umhängetaschen schon lange beliebt. Günstig sind die "Shopper" von Andersen nicht: Sie kosten ab 120 Euro aufwärts. Es gibt aber auch noch teurere Modelle: Der schlichte, zusammenklappbare Edel-Roller "Magis Garcon" vom italienischen Design-Hersteller Magis kostet über 200 Euro. Günstiger gibt es die Einkaufshilfe bei Ikea: Der "Upptäcka" kostet 20 Euro.

Es sah einmal danach aus, als würden die Roller auch als Schulranzen-Ersatz eine Karriere starten. Denn auch die Schulranzen hatten ein Imageproblem. Viel zu schwer seien sie für Kinderschultern, mahnten einige Ärzte. "Totaler Quatsch", sagt Dieter Breithecker, Leiter der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung e.V. (BAG) in Wiesbaden. Körperliche Belastung sei für Kinder gut und wichtig. "Nur darf die Belastung nicht einseitig sein." Deshalb warnt der Sportphysiologe vor den Trolleys. "Wenn Schüler ihre Roller Treppen hoch tragen, entsteht auf jeden Fall eine einseitige Belastung." Außerdem würden Kinder beim Ziehen der Roller ihren Körper seitlich verbiegen. "Das ist absolut nicht ideal. Schulranzen sind in jedem Fall zu bevorzugen."

Auch für Erwachsene und Senioren seien die Roller nicht das körperfreundlichste Transportmittel. "Grundsätzlich sind Rucksäcke besser." Wer Wasserflaschen kaufen wolle und kein Auto besitze, dürfe die Trolleys aber ruhigen Gewissens zum Wocheneinkauf benutzen. Breithecker: "Ich würde empfehlen, auf dem Heimweg immer wieder die Seiten zu wechseln. Dann werden beide Körperhälften gleichmäßig belastet."

Tatsache ist: Für die Roller tun sich auch jenseits des Supermarkts immer mehr Einsatzfelder auf. Für Afrika haben Techniker kürzlich ein besonderes Modell entwickelt: Der "Hippo Water Roller" soll Frauen und Kindern den langen Weg von der Wasserquelle nach Hause erleichtern. Und die Grünen spannen die hip werdenden Roller für ihre Klimapolitik ein: Eine Ortsgruppe in der nordrhein-westfälischen Gemeinde Altenbeken verleiht die Alltagshilfen kostenlos für einen Monat - ein Schnupper-Abo. Ihr Argument für die Roller: Null Benzin, null Feinstaub, null Geruchsbelästigung.