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WattelerEin Stück Geschichte schwebte davon

Lesezeit 3 Minuten

Der LVR und die Firma Jako Bodendenkmal zeigten, wie man eine 120 Tonnen schwere Toilette versetzt. (Bild: Hilgers)

ESCHWEILER ÜBER FELD – „Hier schwebt ein Stück meiner Kindheit dahin“, sagte Roland Watteler gestern Nachmittag leise, als ein Kran, der 500 Tonnen heben kann, den Flur der ehemaligen Gaststätte „Watteler“ auf einen Tieflader setzte. Für Roland Watteler ist das markante Haus aus dem Nörvenicher Stadtteil „ein Denkmal seiner Familie“.

Ganz anders sieht sein Bruder Achim die Demontage der elterlichen Gaststätte, die heute im LVR-Freilichtmuseum Kommern eine neue, dauerhafte Bleibe bekommen wird: „Unsere Gaststätte bleibt erhalten. Und wer will, kann sie immer besuchen. Er muss dafür nur in die Eifel fahren.“

Das Rheinische Freilichtmuseum in Kommern wird mit der Gaststätte aus Eschweiler um ein Gebäude reicher. Es will damit die Bauphase der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts dokumentieren, obwohl die Gaststätte Watteler an der Heribertstraße 11 über 100 Jahre alt ist. Im Krieg zerstört, wurde sie von der Familie Watteler wieder aufgebaut und 1974 komplett saniert.

Der Baustil interessiert die Museumsleitung, die mit Dr. Josef Mangold, Dr. Michael Faber und Historiker Dr. Carsten Vorwig in Eschweiler über Feld den Verladeprozess beobachtete. Bereits am 12 Uhr standen die ersten Leute in der Heribertstraße und warteten auf den Baukran.

Der kam mit Verspätung und brauchte zwei Stunden, bis er einsatzbereit war. Unterdessen erläuterte der Landwirtschaftsmeister des Museums, Karl-Heinz Hucklenbroich, seinem Chef, wo in der Gaststätte die Theke mit der Knobelecke gestanden hat. In Eschweiler über Feld wird die Heimatkneipe von Hucklenbroich abgebaut und nach Kommern gebracht. Schon als 14-Jähriger hat Karl-Heinz Hucklenbroich in der Gaststätte hinter der Theke gestanden und Gläser gespült. Mit 15 Jahren durfte der heutige Museumslandwirt dort sein erstes Bier zapfen.

Mit Wehmut erinnert sich Hucklenbroich noch an die Zeit, als er in der Gaststätte als Maikönig gefeiert wurde. „Weil wir die Geschichten um die Gaststätte kennen, ist sie uns so wertvoll“, sagt Dr. Carsten Vorwig. Mit der Gaststätte sind alle Knobelbecher, die Würfel, Gläser und zahlreiche Pokale der Vereine, die in der Gaststätte Watteler ihre Heimat hatten, bereits nach Kommern „gereist“. Bis auf die Toilette und den Flur konnte das Haus zerlegt und stückweise nach Kommern geschafft werden.

Wegen der Vertäfelung im Flur und den Fliesen in der Toilette konnten diese nicht demontiert werden und mussten im Stück die Reise nach Kommern antreten. Die Kundschaft nannte den Toilettenraum „brauner Salon“ - wegen seiner rötlichen Färbung.

Bis 2005 hat Gerti Vermaasen die Gaststätte geführt, danach stand sie leer. Den Abtransport ihrer ehemaligen Wirkungsstätte sah sie gelassen: „Ich werde sie oft besuchen in Kommern.“

In der Blütezeit war die Gaststätte Watteler Dreh- und Angelpunkt in Eschweiler über Feld. Alle Dorffeste fanden darin statt, auch die Hochzeiten und Beerdigungen. Bis zu einem Hektoliter Bier wurde im Monat umgesetzt. Anfangs waren die Burschen in der Kneipe auch nicht zimperlich. Gerti Vermaasen erinnert sich an einige Schlägereien, die aber in den 80er Jahren seltener wurden.

Hunderte Schaulustige standen gestern an der Straße und verfolgten das Verladen der WC-Anlage und des Flurtraktes der beliebten Dorfgaststätte. Der Flur ist etwa 72 Tonnen schwer, der Toilettentrakt wiegt beachtliche 120 Tonnen. Eine Herausforderung für die Logistiker. Vier Fachleute der Firma „Jako Bodendenkmal“ haben die zwei Bautrakte mit Stahlträgern unterfüttert, innen durch Balken versteift und so verpackt, dass das Mauerwerk auf der Fahrt keine Risse bekam.

Die Firma Jako hat Erfahrung im Versetzen von historischen Bauwerken, hat sie doch kürzlich auch den Kiosk des Bundeskanzleramts in Bonn umgesetzt. Der gestern eingesetzte Kran ist erst acht Wochen alt, kostet vier Millionen Euro und wiegt voll aufgerüstet 260 Tonnen. Allein das zog gestern schon zahlreiche Schaulustige an.