Wie starb Kronprinz Rudolf wirklich?
Der Architekt Wolfgang Löffler glaubt Beweise dafür zu haben, dass Österreichs Kronprinz Rudolf getötet wurde und sich nicht selbst das Leben genommen hat.
GUMMERSBACH. Der Krimi von Mayerling, so titelte unsere Zeitung am 20. August 2008 anlässlich des 150. Geburtstages von Kronprinz Rudolf von Habsburg, der auf bis heute noch nicht endgültig geklärte Weise am 30. Januar 1889 auf dem Jagdschlösschen Mayerling bei Wien zu Tode kam (siehe Infokasten).
In die Reihe der Kritiker, die die offizielle Selbstmordtheorie des Kronprinzen der kaiserlich und königlichen (k.u.k.) Monarchie in Wien bezweifeln, hat sich jetzt auch der Gummersbacher Architekt Wolfgang Löffler eingereiht. In seinem Sonderdruck Retusche - Ende der Legenden um Kronprinz Rudolfs Tod im Schloss Mayerling bei Wien nennt der 79-jährige Autor auch die seiner Meinung nach wahre Todesursache - Totschlag - und ist überzeugt, für seine Darstellung glaubhafte Fakten nennen zu können.
Gewissheit für seine Version nimmt er aus persönlichen Erzählungen seiner 1996 verstorbenen Großmutter Clothilde Löffler, die Tochter des k.u.k.-Hoffotografen Robert Leopold Hawlik. In seiner Eigenschaft als Hoffotograf war Hawlik auch in besagter Todesnacht auf Schloss Mayerling. Löffler, ein Urenkel Hawliks, hat sein Buch als erzählte Dokumentation konzipiert. Der Inhalt basiere neben seinen Tagebuchaufzeichnungen auf persönlichen Dokumenten seiner Familie, schriftlichen Aufzeichnungen und mündlichen Überlieferungen, schreibt Löffler im Vorwort.
Das Buch ist zudem mit historischen Fotos bestückt, die alle aus dem Nachlass seiner Urgroßeltern stammen, die beide als Fotografen am Wiener Hof tätig waren. Diese Fotos zeigen neben vielen gekrönten Häuptern fast den kompletten europäischen Hochadel des ausgehenden 19. Jahrhunderts.Mit diesen historischen Originalfotos könnte ich allein einen hochinteressanten Bildband bestücken, berichtet Löffler stolz über das Familienerbe.
Zurück zu jener Nacht des 30. Januar 1889: Löfflers Urgroßvater Robert Leopold Hawlik war an dem Abend auf Schloss Mayerling. Wie Löffler schreibt, hat sein Urgroßvater den Tod des Kronprinzen zwar nicht als Augenzeuge erlebt, aber er hat die Informationen aus erster Hand von seinem Freund Josef Bratfisch, langjähriger Leibfiaker Rudolfs und dessen enger Vertrauter, erhalten.
So soll es zwischen Rudolf und Georg Graf Stockau, ein Onkel und Vormund Rudolfs Geliebter Mary Vetsera, und Alexander Baltazzi, ein weiterer Onkel der Baronesse, zu einem heftigen Streit gekommen sein. Die beiden Adeligen hätten den Kronprinzen zwingen wollen, ein Schriftstück zu unterschreiben, in dem dieser seinen bedingungslosen Verzicht auf die Nachfolge seines Vaters und auf den Thron der Habsburger erklären sollte. Die Reaktion Rudolfs sei zunächst eher ein höhnisches Lachen gewesen: Was wollt's eigentlich? Im Laufe der verbalen Auseinandersetzung soll, so Löfflers Schilderung, Kronprinz Rudolf seinen Revolver auf Graf Stockau gerichtet und ihn aufgefordert haben, den Raum zu verlassen. In diesem Augenblick soll Baltazzi eine Champagnerflasche ergriffen und diese dem Kronprinzen auf den Kopf geschlagen haben. Noch in der Todesnacht machte der Fotograf Hawlik, der unmittelbar nach der Tat von dem völlig aufgelösten Bratfisch geweckt worden war, vier Geheimfotos von dem toten Kronprinzen. Zwei Fotoplatten stellte er der k.u.k.-Geheimpolizei zur Verfügung; die Fotos wurden aber nie veröffentlicht. Die anderen beiden Fotoplatten versteckte Hawlik am nächsten Morgen. Kurz vor seinem Tod übergab er sie seiner Frau.
Dass Zweifel an der wahren Todesursache Rudolfs berechtigt sind, zeigt schon die Tatsache, dass in der Wiener Zeitung vom 31. Januar 1889 die amtliche Verlautbarung des Hofes von einem Herzschlag spricht. Später aber wurde als offizielle Todesursache Selbstmord angegeben, wobei die Wiener Hofärzte Rudolf eine geistige Verwirrung attestierten, so dass der Kronprinz trotzdem mit allen kirchlichen Zeremonien beigesetzt werden konnte.
Für Wolfgang Löffler steht aber fest: Ebenso unwahr. Und er hat für seine These - neben den Schilderungen seines Urgroßvaters - eine weitere Erklärung parat: Warum gibt Otto von Habsburg die angebliche Tatwaffe nicht heraus? Heute könnte man doch leicht feststellen, ob daraus zwei Schüsse abgefeuert wurden. Wie Löffler weiter schreibt, wurde auch sein Urgroßvater von der k.u.k.-Geheimpolizei verhört und mit der Drohung zum Schweigen gebracht, andernfalls seine Lizenz als Hoffotograf zu verlieren. So durfte Hawlik noch das offizielle Foto von dem toten Kronprinzen machen, das Rudolf zwar mit einem Kopfverband abbildet, aber nicht die typischen Verletzungen für einen Kopfschuss zeigt. Aber das Geheimnis jener Nacht auf Schloss Mayerling behielt er aus Angst vor Sanktionen durch den Wiener Hof bis kurz vor seinem Tod für sich.