Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

ZeltingerGeburtsstunde beim dicken Horst im Roxy

Lesezeit 4 Minuten

Wenn er diesen treuen Hundeblick aufsetzt, ist alles vergessen. Der stets aggressive und kurzatmige Kläffer mit der leicht heiseren Stakkato-Stimme existiert nur auf der Bühne. Da bellt er dann sogar seine Fans an, wenn die mal nicht parieren: „Halt de Fress, ich muss mich konzentriere!“ Jürgen Zeltinger ist der selbst besungene „Asi mit Niwoh“. Ein Haudrauf mit Schabau in der Fläsch und zugleich ein schwergewichtiges Sensibelchen, das schon beim Anblick einer Kirche mit Zwiebelturm Blähungen bekommt.

Stichwort Lampenfieber: Bei Jürgen Zeltinger kann davon keine Rede sein. Es ist vielmehr Angst, wie er selbst zugibt. Am 21. Oktober wird es wieder soweit sein: Dann gibt er in der Live Music Hall mit Band sein Jubiläumskonzert. 30 Jahre Zeltinger. „Geschmack & Charakter“ - 30 Jahre Wahnsinn in Vollendung“ heißt passend dazu das neue Doppel-Album, mit dem es Zeltinger noch mal wissen will. Nachdem es in den vergangenen Jahren ruhig um „de Plaat“ geworden war, nahm ihn die EMI etwas überraschend unter Vertrag. Viele hatten Zeltinger bereits abgeschrieben, vor allem nach dem Verlust seines langjährigen Gitarristen und Produzenten Alex Parche, der einen schweren Schlaganfall erlitt.

Das Album, das am 17. Oktober veröffentlicht wird, ist eine allumfassende Werkschau, garniert mit einigen neuen Titeln, die da anknüpfen, wo Zeltinger Ende der 70er angefangen hatte. „Das war beim dicken Horst“, blickt ein froh gelaunter Zeltinger bei Bier und Plätzchen im EMI-Gebäude zurück. Der dicke Horst war Besitzer des „Roxy“ in der Maastrichter Straße und hatte Zeltinger, Arno Steffen und Peter Gramen zu einem Akustik-Konzert während einer Hawaii-Party an Weihnachten eingeladen. Eine Zugabe gab's an Karneval 1979, diesmal aber mit Stromgitarre. „Du musst dir vorstellen: Der Laden war so klein wie ein Mini-Wohnzimmer.“ Drei Zentner Lebendgewicht schütteln sich plötzlich vor Lachen, denn Zeltinger hat die Bilder von damals nicht vergessen: „Der Bassist stand auf dem Damen-Klo, der Gitarrist auf der Herrentoilette, und ich stand neben der Theke. Ich war praktisch während des Saufens am Singen.“ Dass der Auftritt legendär wurde, war auch ein Verdienst von Conny Plank, der das Konzert mitschnitt. Der bekannte Produzent saß mit seinem Mischpult unten im Keller. „Links Bierfässer, rechts ein Käfig - dahinter ein kläffender und sabbernder Rottweiler.“ Zeltinger lacht. „Und der Conny mittendrin.“

Das Konzert ist die Geburtsstunde der Zeltinger-Band. Plank schickt die Band in einen Bunker, um die B-Seite der Platte aufzunehmen. Wenig später greift die Plattenfirma Ariola für damalige Verhältnisse tief in die Tasche. Als der Manager Zeltinger das Geld für den Vertrag überweisen will und nach dessen Konto-Nummer fragt, „hab ich den nur blöd angeschaut: Hörens, ich war damals ein Hippie, ich hatte doch gar kein Konto.“

Zeltinger lässt sich das Geld in bar auszahlen und macht noch am gleichen Tag das, was einen „Asi mit Niwoh“ auszeichnet: „Ich bin zu Wempe, hab' mir ein Dupont-Feuerzeug und eine Rolex gekauft und dann ab zum Flughafen. Auf Mallorca habe ich dann erstmal richtig einen drauf gemacht - und hier in Kölle haben sie sich Sorgen gemacht. Wusste ja keiner, wo ich war.“

Wilde Zeiten waren das, in denen auch die ganz Großen mit Zeltinger in Kontakt kamen. So trat „de Plaat“ am Rande eines Konzerts mal einem Roadie von Bob Geldorf in den Hintern: „Der Kerl hatte an unserer Anlage rumgeschraubt.“ Auch Jimmy Page bekam einen Tritt in den Allerwertesten. Warum? „Der hat mir einen Typen ausgespannt.“ Zeltinger sollte damals den Gitarristen von Led Zeppelin betreuen. Die EMI habe ihn gefragt: „Der Jimmy will in einen Schwulen-Club. Kannst du uns dabei behilflich sein?“ Zeltinger konnte. Als es später zum Eklat kam, wollten sich die Bodyguards vom Jimmy einmischen, erzählt „de Plaat“. Doch dann seien auch die anderen Clubgäste eingeschritten. Und Zeltinger verabschiedete Page mit markigen Worten: „Du kannst der König der Welt sein, aber der König vun Kölle bin ich.“

Eigentlich sei er ein ganz ruhiger, sagt Zeltinger. Dann macht er es sich in Ehrenfeld gemütlich, hört Folk, Blues, Country. Seine eigene Musik hört er nur, wenn er selbst singt. Und das selten nüchtern. „Ohne Alkohol kann ich meine Musik nur schwer ertragen.“