„Zigarettensterben“ auf Helgoland

Ein Paradies für Raucher ist die Insel Helgoland durch den zollfreien Zigarettenverkauf seit langem. Das könnte sich ändern.
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BERLIN. Auf Helgoland ist die Artenvielfalt bedroht. In akuter Gefahr schweben zwar keine seltenen Tiere, sondern - so komisch es klingt - Zigarettenmarken. Der Bürgermeister von Deutschlands einziger Hochseeinsel, Frank Botter, und die ortsansässigen Geschäftsleute befürchten, dass ab Juli von derzeit rund 170 Zigarettenmarken nur noch rund ein Zehntel übrig bleiben könnte. Sie warnen eindringlich vor den wirtschaftlichen Folgen, die das für Helgoland hätte.
Zum Hintergrund: Helgoland ist ein Raucher-Dorado. Der Tabak-Verkauf steht dort gewissermaßen unter staatlichem Schutz. Wegen der exponierten Lage der Insel 70 Kilometer vor dem Festland dürfen dort einige Waren, darunter auch Zigaretten, zollfrei gehandelt werden.
Am Steuerprivileg für die Insel wird sich auch nichts ändern. Grund für die Sorgen der Helgoländer ist vielmehr die EU-Verordnung, nach der Tabak-Schachteln mit großen schwarz-weißen Warnhinweisen („Rauchen tötet“ und andere) in „deutscher Sprache“ versehen sein müssen, bevor sie in den Verkauf kommen. Bisher durften die Helgoländer Tabakhändler Restbestände verkaufen, am 30.6. nun endet eine Übergangsvorschrift. Ab dann dürfen nur noch Schachteln mit Warnhinweis auf deutsch in den Handel kommen. Das ist aber schwierig, da die großen Tabakkonzerne ihre Duty-free-Ware zentral für den Weltmarkt produzieren. Deswegen sind die meisten Zwischenhändler auch nicht dazu in der Lage, Duty-free-Zigaretten mit EU-Warnhinweisen auf deutsch zu liefern. Die Folge: Von den derzeit 170 Tabaksorten auf der Insel blieben mit Inkrafttreten der Richtlinie wahrscheinlich nur noch 28 übrig.
Auf den ersten Blick mag das Artensterben in der Nordsee kurios erscheinen, für Helgoland hat es möglicherweise wirtschaftlich schwerwiegende Folgen. Die Insel hat nämlich das Privileg, statt der Tabaksteuer eine „Gemeindeeinfuhrsteuer“ zu erheben. Pro verkaufte Zigarette wandern 3,2 Cent in den Inselhaushalt. Bei rund 80 Millionen verkauften Zigaretten im letzten Jahr waren dies 2,56 Millionen Euro. Der Handel befürchtet nun, dass mit dem verringerten Angebot auch der Absatz zurückgeht. Die Stadt rechnet schlimmstenfalls mit einem Rückgang um 40 Prozent, was ein Haushaltsloch von einer Million Euro reißen würde.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ole Schröder, zu dessen Wahlkreis die Insel zählt, hat sich für eine Sondergenehmigung für Helgoland stark gemacht. Er appellierte an das Bundesministerium für Verbraucherschutz, auch den Verkauf von Schachteln mit „Warnhinweisen in anderen Sprachen“ zu erlauben, falls im Verkaufsraum die Übersetzung ins Deutsche vorhanden sei. Ohne Erfolg: Das „Bestimmungslandprinzip“ erlaube „keine Ausnahmen in einzelnen Mitgliedstaaten“, hieß es.