Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

ZöliakieSymptome verschwinden dank Diät

4 min

Gluten kommt vor in Roggen, Weizen und Gerste. Bei Zöliakie muss man diese Getreidesorten unbedingt meiden. (Bild: dpa)

Die Zahl der an Zöliakie Erkrankten in westlichen Ländern ist sprunghaft gestiegen

Wer Kleber-Eiweiß, oder besser das Gluten in Weizen, Gerste, Roggen nicht verträgt, der kann an einer Zöliakie leiden. Die Folge sind eine Entzündungen der Dünndarmschleimhaut. Eine lebenslange, glutenfreie Diät führt zu einer vollständigen Heilung. Doch wie kommt es zu einer Entzündung?

Das Gluten stimuliert bei Menschen, die unter einer Zöliakie leiden, fälschlicherweise das Immunsystem im Darm und löst eine Entzündung der Dünndarmschleimhaut aus. Es ist eine Autoimmunerkrankung. Glücklicherweise kennen wir heute den Auslöser der Erkrankung. Vor 80 Jahren sind viele Patienten daran gestorben.

Welche Beschwerden haben die Betroffenen?

Früher beobachteten wir überwiegend die klassischen Symptome wie Durchfall, Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen. Heute sehen wir zunehmend Patienten mit untypischen Symptomen wie Müdigkeit, Bauchschmerzen, Eisenmangel oder Gelenkbeschwerden. Die Zöliakie ist sozusagen das Chamäleon der Medizin, und es gibt kaum ein Symptom, das nicht hierdurch entstehen kann. Das erschwert die Diagnose.

Welche Folgekrankheiten gibt es bei Zöliakie?

Sobald eine glutenfreie Diät eingehalten wird, verschwinden die Symptome und der Patient ist gesund. Folgekrankheiten gibt es nicht. Bei Kindern kann es allerdings zu irreparablen Wachstumsstörungen und Zahnschmelzveränderungen kommen. Häufig treten weitere Autoimmunerkrankungen wie eine Schilddrüsenentzündung oder ein Diabetes mellitus Typ I auf.

Ist Zöliakie genetisch bedingt?

Ja, die Gene spielen eine wichtige Rolle, aber es müssen noch andere Umweltfaktoren hinzukommen, die wir bisher noch nicht benennen können.

Inwiefern die Umwelt?

Möglicherweise spielen Durchfallinfekte bei Kleinkindern als Auslöser eine Rolle. Aber auch der Zeitpunkt der Zufütterung von Gluten, welches in Weizen, Rogge und Gerste enthalten ist, scheint wichtig zu sein. Die Faustregel heißt: nicht vor dem sechsten Lebensmonat und nicht später als nach zwölf Monaten. Der beste Schutz ist, wenn das Baby gestillt wird.

Besonders die Bevölkerung der Industrienationen leidet an Zöliakie. Warum das?

Im asiatischen Raum ist Zöliakie so gut wie unbekannt, weil die Menschen dort genetisch anders ausgestattet sind. Aber auch der Verzehr von Weizen kann eine große Rolle spielen. So gibt es in Afrika Völker, die zwar die genetische Ausstattung für eine Zöliakie haben, aber erst durch die Einfuhr von Weizen durch die Hilfsprogramme kam es zu einem vermehrten Auftreten der Zöliakie bei bis zu fünf Prozent der Bevölkerung. Immer mehr Kinder leiden aufgrund dessen an schweren Durchfallerkrankungen, die häufig als Darminfektion fehlinterpretiert werden.

In der westlichen Welt spricht man mittlerweile von einer Volkskrankheit. Ist das so?

Es gibt eine Art Nord-Süd-Gefälle. Schweden, England, Irland beispielsweise stehen an der Spitze der Zöliakie-Erkrankungen. Deutschland, Italien, Spanien dagegen am unteren Ende. Vergleicht man die Zahl der Erkrankungen in den 1950er Jahren mit heute, so ist die Tendenz stark steigend. Uns erschließt sich bisher noch nicht, weshalb, aber wir können ausschließen: Die Psyche spielt keine Rolle.

Leiden vor allem junge oder eher ältere Menschen an Zöliakie?

Meist bricht die Krankheit im Kindesalter von zwei Jahren aus und dann im 40. Lebensjahr. Warum gerade mit 40, das wissen wir noch nicht. Aber grundsätzlich kann man auch mit 80 Jahren noch an Zöliakie erkranken.

Kann ich darauf vertrauen, dass dort, wo glutenfrei drauf steht auch glutenfrei drin ist?

Ja, generell schon. Seit zwei, drei Jahren gibt es sehr strenge Gesetze in der Kennzeichnung von Lebensmitteln. Zusätzlich werden speziell glutenfreie Produkte im Supermarkt angeboten. Der Aufwand für die Hersteller ist sehr groß. Das macht die Produkte unter anderem auch so teuer.

Wie und wo macht man sich schlau?

Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft gibt jedes Jahr ein dickes Buch mit Listen von empfehlenswerten Produkten heraus. Ohne diese Hilfe ist eine glutenfreie Diät kaum möglich. Glutenfreie Nahrungsprodukte stellen einen enormen Markt dar, denn auch viele Menschen, die nicht an Zöliakie leiden, ernähren sich glutenfrei.

Wie kann man ausschließen, dass man an Zöliakie leidet?

Durch einen Bluttest, um die IgA-Transglutaminase-Antikörper bestimmen zu lassen. So ein Test ist zu über 95 Prozent zutreffend. Allerdings scheuen sich viele Hausärzte aufgrund der Budgetierung davor, diesen Test durchführen zu lassen.

Wie teuer ist der Test?

Rund 40 Euro, die man unter Umständen selbst übernehmen muss.

Zöliakie-Patienten müssen sich ein Leben lang glutenfrei ernähren. Gibt es denn dagegen kein Medikament?

Nein. Seit rund zehn Jahren wird an der "Magic Pill" geforscht, um die Immunmechanismen zu blockieren. Aber Eingriffe ins Immunsystem sind hochgefährlich. Meiner Ansicht nach ist die Aussicht auf ein Medikament auch aus Kostengründen zum Scheitern verurteilt. Es lohnt sich für Pharmaunternehmen auch nicht, denn wenn einmal Zöliakie diagnostiziert ist, der Patient sich an die glutenfreie Ernährung hält, dann ist er aus ärztlicher Sicht gesund.