AbsichtserklärungKoalition will weitere Gesamtschule in Bonn

Bonns Fünfte ist die letzte eröffnete Gesamtschule in Bonn. (Archivbild)
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Bonn – Es ist lediglich ein Halbsatz von nicht einmal drei Zeilen im Bonner Koalitionsvertrag. Doch der hat es in sich. „…streben wir die Gründung einer weiteren Gesamtschule, gegebenenfalls in Kooperation mit dem Rhein-Sieg-Kreis an“, haben Grüne, SPD, Linke und Volt auf Seite 35 aufgeschrieben. Und dahinter haben sie den Zusatz gesetzt: „...sei es durch Neugründung oder Umwandlung einer bestehenden Schule“.
Doch wie realistisch ist eine sechste Gesamtschule für Bonn? Klar scheint: Es ist erst einmal nur eine Absichtserklärung, die die neuen Partner miteinander vereinbart haben. Gleichwohl: Auf die lange Bank schieben wollen sie das Projekt nicht.
„Der Bedarf und die Nachfrage sind da“, sagt Gieslint Grenz, die schulpolitische Sprecherin der SPD im Bonner Stadtrat. In den vergangenen Jahren waren stets mehr Kinder angemeldet worden, als Plätze in den fünf bestehenden Gesamtschulen zur Verfügung standen. Laut Stadtverwaltung waren es 2012 insgesamt 259 Kinder, 2015 sogar 286 und 2018 immer noch 234 Kinder, die abgewiesen wurden. Und auch für das neue Schuljahr deutet sich an, dass der Trend anhält.
Plausible Prognose ist notwendig
Um eine Gesamtschule einzurichten brauchen Kommunen laut Bezirksregierung Köln mindestens 100 Anmeldungen und eine „schulentwicklungsplanerisch plausible Prognose, dass diese Anzahl über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren voraussichtlich erreicht werden wird“, teilt Pressereferent Dennis Heidel von der Bezirksregierung mit.
Um herauszufinden, ob überhaupt 100 Anmeldungen zustande kommen, können sowohl bestehende Anmeldeüberhänge als auch die Ergebnisse von Elternbefragungen herangezogen werden.
Wenn zwei oder noch mehr Kommunen zusammenarbeiten wollten, würden natürlich keine 100 interessierten Kinder aus einer einzigen Kommune benötigt, ergänzt Heidel. (ye)
Zwar will die Stadt noch keine offiziellen Zahlen nennen, doch nach Informationen der Redaktion sind es rund 250 Kinder, die nach den Sommerferien gern in eine Bonner Gesamtschule gegangen wären, aber dort keinen Platz finden werden und die nun an einer anderen Schulform angemeldet werden müssen. 715 Plätze gab es im vorigen Schuljahr in den Eingangsklassen der fünf Gesamtschulen.
„Jedes Kind, das nicht dort angemeldet werden kann, hat eine Chance verloren“, meint Anatol Koch, der schulpolitische Sprecher der Linken. Und so will er mit seinem Eintreten für weitere Gesamtschulplätze „jenen Kindern entsprechend dem Schulformwunsch eine bessere Perspektive im längeren gemeinsamen Lernen ermöglichen, die ansonsten keinen Platz gefunden hätten“.
Einig sind sich Grenz, Koch und der grüne Schulexperte Ulrich Meier darin, dass man sich „ganz am Anfang des Prozesses“ befinde, wie Meier mitteilt. Für seine Kollegin Grenz ist klar: Man könne eine Gesamtschule „nicht einfach auf eine Schule drüberstülpen“, schon gar keinen Aufstand von bestehenden Schulen provozieren. Die Schulgemeinden müssten einverstanden sein.
Erste Bedenken
Erste Bedenken äußerte die Bonner FDP-Chefin Franziska Müller-Rech schon, kurz nachdem die Koalitionsvereinbarung bekannt geworden war: „Welche Bonner Schule wollt Ihr Ideologen denn gegen den Willen der Schulgemeinschaft zwangsumwandeln?“, twitterte sie scharf. Der Redaktion sagt sie nun, es gebe in Bonn „ausreichend Plätze in den weiterführenden Schulen“, sodass eine neue Gesamtschule nicht nötig sei. Die Koalition schüre Ängste in der Bonner Schullandschaft, „weil jetzt jeder überlegt, wer dran sein könnte“.
Insgesamt werden aus der Koalition heraus vier Möglichkeiten erwogen, zu mehr Gesamtschulplätzen zu kommen: die Gründung einer völlig neuen Schule, die Umwandlung von einer beziehungsweise mehreren Schulen, die Erweiterung einer oder mehrerer bestehender Gesamtschulen sowie die Errichtung eines separaten Oberstufenzentrums für Jugendliche, die nach der Klasse zehn aus Haupt- oder Realschule in Richtung Abitur gehen wollen. Doch bevor solche Pläne weiterverfolgt werden, will man gründlich analysieren. „Wir werden die Anmeldezahlen in diesem Jahr prüfen, sehr behutsam vorgehen, keinen vor den Kopf stoßen und mit aller Kraft nach Lösungen suchen“, sagt Grenz. Eine Situation wie in den 1990er Jahren wolle sie auf keinen Fall erneut erleben, als das Schulzentrum Hardtberg zu einer Gesamtschule umgewandelt werden sollte. „Das war ja Klassenkampf“, erinnert sich Grenz.
Noch kein Standort
Auch über mögliche Standorte zu reden, ist nach Meinung der Koalitionäre zu früh. Gleichwohl hat man schon festgestellt, dass die Nachfrage im Bonner Norden und Westen sowie in den Stadtbezirken Hardtberg und Beuel größer sei als in Bad Godesberg. Die Hardtberger Grünen-Bezirksfraktionschefin Jutta Brodhäcker meint: „Wir haben so viele Neubaugebiete, da sollte durchaus geprüft werden, ob der Bedarf dafür da ist, eine Gesamtschule zu bekommen.“ Und dann wäre ja noch die Idee, eine Gesamtschule gemeinsam mit einer oder mehreren Rhein-Sieg-Kreis-Kommunen auf den Weg zu bringen. Aus der Koalition heißt es, dass man sich durchaus eine Beteiligung an einer Schule im Kreis vorstellen könne.