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Pionier im UmweltbewusstseinDuisdorfer Bioladen verkauft regionale, unverpackte Ware

Lesezeit 4 Minuten

Ins selbst mitgebrachte Gefäß abfüllen: Tim Deinet zeigt, wie Getreide, Pasta, Nüsse, Trocken- oder Hülsenfrüchte „abgezapft“ werden können.

  1. Freikost Deinert ist einer der ersten Läden Deutschlands, der weitesgehend unverpackte Produkte verkauft
  2. Neben Lebensmitteln finden Kunden hier auch Kosmetika, Aufstriche und Soßen
  3. Mit mehr als 300 Produkten ist die Auswahl groß – und ein Besuch lohnt sich

Bonn – Möglichst regional und möglichst unverpackt: Kurz und knapp bringt Tim Deinet die Philosophie seines Bioladens in der Duisdorfer Rochusstraße (siehe auch Kasten) auf den Punkt. Vor fünf Jahren verwirklichten der 37-Jährige und seine Frau Hilke (38) ihren Traum, in Bonn das erste (weitgehend) verpackungsfreie Geschäft zu eröffnen.

„Damals waren wir Pioniere“, erzählt Deinet nicht ohne Stolz. Nur ein Laden in Kiel sei schneller gewesen und habe einen Monat vor ihnen das deutschlandweit erste verpackungsfreie Geschäft eröffnet. „Heute“, fährt der gelernte Landwirtschafts- und Labortechniker fort, „gibt es eine Welle und mehr als 100 solcher Läden in Deutschland.“

„Wir haben diese Bewegung initiiert“

2014 aber sei „Freikost Deinet“ definitiv der erste Vollsortimenter gewesen, der Käse, Obst und Gemüse ohne die sonst üblichen Plastiktütchen verkauft habe. Der 37-jährige gebürtige Bonner: „Inzwischen ist das Bewusstsein für Umwelt und gegen Plastik in der Bevölkerung gestiegen. Auch die Konzerne beugen sich nach und nach diesem Druck. Wir aber haben diese Bewegung mitinitiiert.“

Zunächst verdiente das Ehepaar – seine Frau ist Geografin und Hotelfachfrau – seinen Lebensunterhalt an der Universität Bonn, Tim Deinet als Laborleiter im lebensmittelwissenschaftlichen Bereich. Dort ist er immer noch mit einer halben Stelle beschäftigt. Doch dann sei seiner Frau die Idee gekommen, einen eigenen Laden zu haben. „Irgendwann war es dann so weit, und wir haben uns getraut.“

Alles, was das Herz begehrt

Zwar war den Existenzgründern, die heute fünf Voll- und Teilzeitkräfte sowie einen Azubi beschäftigen, zwischendurch wegen der hohen Investitionskosten mulmig, gibt Deinet freimütig zu. Doch inzwischen bereuten sie ihre Entscheidung nicht mehr.

Zu finden sind in dem Geschäft unter anderem „100 bis 120 handwerklich hergestellte Käsesorten“, Obst und Gemüse, Brot und Backwaren, Fleisch und Wurstwaren, Eier, Milch und Joghurt. Große Spender, aus denen sich der Kunde die Ware ins selbst mitgebrachte Gefäß nach Bedarf abfüllen kann, beinhalten fast jede erdenkliche Art von Pasta, Getreide (wird auf Wunsch gemahlen), Reis, Müsli und Müslizutaten, fast 25 Trockenfrüchte, Nüsse und Hülsenfrüchte.

Öffnungszeiten

Wer Freikost Deinet bald einen Besuch abstatten möchte, muss sich sputen: Das Geschäft in der Rochusstraße 266 in Bonn-Duisdorf macht Sommerpause vom 29. Juli bis 17. August. Geöffnet wird wieder ab Montag, 19. August. Der Bioladen kann dann besucht werden montags bis freitags von 9 bis 18.30 Uhr, samstags von 9 bis 14 Uhr. Das Café ist geöffnet montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr, samstags von 9 bis 13 Uhr. (kri)

www.freikost.de

Lieferanten sind höchstens 100 Kilometer entfernt

Zu den mehr als 300 unverpackten Waren der Deinets zählen auch Haar- und Körperpflegeprodukte, die teils in Pfandgläsern angeboten werden wie beispielsweise Zahnputztabletten oder festes Deo auf Sheabutter-Basis. Haarshampoo sieht aus wie Seife und ist in eine Pappschachtel eingepackt oder trägt eine Papierbanderole. Weil das Geschäft alle Nahrungsmittel des täglichen Bedarfs abdecken will, gibt es auch verpackte Ware wie Getränke, Aufstriche oder Soßen.

Die Lieferanten von „Freikost Deinet“ kommen großteils aus der Region, „im Umkreis von fünf bis hundert Kilometer“, sagt der Chef. Dazu zählen etwa der Biohof Bursch aus Bornheim, Haus Bollheim aus Zülpich oder Betriebe aus dem Siegerland.

Und wer kauft nun die – nicht gerade billigen – Waren in Duisdorf? „Unser Publikum ist gemischt – vom Jugendlichen bis zum Senior“, sagt der 37-Jährige. Die Kundschaft kommt aus der Nachbarschaft in Duisdorf, aus Lessenich, Alfter, Witterschlick oder von noch weiter her. „Wir leben auch von unserer Stammkundschaft“, so Tim Deinet, „aber es kommen immer wieder neue Kunden.“

Der Bioladen hat auch eine Ecke mit verpackungsfreien Haar- und Körperpflegeprodukten.

Kaum Abfall – der Rest kommt in die Biotonne

Und denen erklärt er dann und wann, weshalb die Waren im Bioladen teurer sind als anderswo. „Betriebe wie Bursch und Bollmann zahlen Personalsteuer und Mindestlohn, und sie müssen die deutschen Umweltauflagen einhalten. Das spiegelt sich natürlich im Preis wider.“ Dass Obst und Gemüse aus Spanien oder anderen Ländern trotz des Transports nach Deutschland hier günstiger angeboten würden, liege daran, „dass dort andere Umweltauflagen und Löhne gelten“. Und er fügt hinzu: „Wir leben in einer absurden Zeit, in der es günstiger ist, in Spanien Salat anzubauen als hier bei uns.“

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Weggeworfen wird in dem Duisdorfer Bioladen übrigens kaum etwas. „Wir denken nachhaltig und haben eine sehr gute Bilanz, weil wir Ware rechtzeitig in eine ,Reduziert-Kiste’ geben“, so Deinet. „Und wir haben eine sehr umweltbewusste Stammkundschaft.“ Der Rest der Ware wandere in die Biotonne: „Das ist nicht viel.“