„Optimismus hilft“Bonner Schauspieler Guido Renner über Existenzsorgen wegen Corona

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Schauspieler Guido Renner konnte wegen Corona monatelang nicht drehen.

Bonn – „Das Jahr 2020 lief für mich eigentlich sehr gut an. Ich hatte Drehtermine bei verschiedenen Fernsehserien, war bis Mitte April durchgebucht“, erinnert sich Guido Renner an die Zeit vor dem Lockdown. Dann kam Corona. „Mitte März erhielt ich plötzlich eine E-Mail nach der anderen mit der Nachricht: Drehabbruch. Sämtliche Produktionen wurden auf Eis gelegt, keiner wusste, wie und wann es weitergehen würde.“ Obwohl er   praktisch über Nacht sämtliche Verdienstmöglichkeiten verloren hatte, sei er anfangs ziemlich zuversichtlich gewesen, sagt Renner. „Ich habe den Beteuerungen von Politikern wie Finanzminister Scholz und Arbeitsminister Heil geglaubt, dass der Staat in dieser Krise gut für die Bürger sorgen wird. Aber ich wurde erst Mal eines Besseren belehrt.“

Zur Person

1971 wurde Guido Renner in Bonn geboren, er ist in Rheinbach aufgewachsen und lebt in Köln. Seine Schauspielausbildung absolvierte er am Theater „Der Keller“ in Köln und an der Schule für darstellende Kunst „Die Etage“ in Berlin. Er hatte Rollen am Berliner Ensemble,  war dann am Theater in Erfurt beschäftigt.  Renner wirkte in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mit, darunter die Satire „Der König von Köln“ über den Messeskandal um Oppenheim-Esch und die preisgekrönte ARD-Produktion  „Klassentreffen“, die ohne Drehbuch entstand.  

Weitere Auftritte hatte er in  Serien wie „Soko Hamburg“, „Nord Nord Mord“, „Helen Dorn“ und der WDR-Produktion „Über Barbarossaplatz“. Kurz vor Weihnachten  war er in der Anwaltsserie „Falk“ als gemobbter Angestellter zu sehen und im November im Münster-Tatort „Limbus“ als Polizist, der von  Kommissar Thiel genervt ist. Seine zweite große Leidenschaft neben der Schauspielerei ist das Reiten, er arbeitet auch als Pferdetrainer. (fu)

Während es für Betriebe, Arbeiter und Angestellte rasch Hilfe durch Kurzarbeitergeld gab, erhielten Menschen in künstlerischen Berufen zunächst nur dann Unterstützung vom Staat, wenn sie Betriebsausgaben hatten, wie zum Beispiel Mietkosten für ein Atelier oder Ladenlokal. Für den eigenen Lebensunterhalt durfte die Soforthilfe dagegen nicht verwendet werden.

Fast keine Betriebsausgaben

„Das war total absurd“, meint Renner. „Als Schauspieler habe ich so gut wie keine Betriebsausgaben. Mein Betriebskapital ist mein Körper, meine Stimme, meine Mimik und Gestik.“ Für ihn und seinesgleichen habe der Staat anfangs nur eine Lösung angeboten, um in der Krise Lebensmittel und Miete bezahlen zu können. „Wir sollten Grundsicherung beantragen, also Harz IV.“ Das hätten viele Schauspieler-Kollegen aber nicht gewollt. „Man fühlte sich zum Bittsteller degradiert, während anderen Branchen unbürokratisch geholfen wurde und der Staat Milliarden an Konzerne wie Adidas oder Lufthansa verteilte.“ Das gelte im Übrigen auch für viele andere Berufe am Set wie Masken- und Kostümbildner, Kameraleute oder Tontechniker. Als absehbar war, dass ihm das Geld ausgehen würde, beantragte Renner beim Jobcenter  Grundsicherung. Doch bis zur ersten Zahlung dauerte es fast zwei Monate. „Die Bearbeitung zog sich hin, dann war die Summe falsch berechnet und ich musste Widerspruch einlegen. Das Geld kam sehr spät und es war weniger, als meine Miete kostet.“ Nach drei Monaten wurde die Zahlung  eingestellt, weil er wieder arbeiten konnte.

Ab Mitte Mai ging es wieder los mit  Film- und Fernsehproduktionen, doch die Bedingungen hatten sich verändert. „Drehen war teurer geworden, weil alle Beteiligten jetzt ständig auf Corona getestet werden“, erklärt Renner. Das sei unabdingbar, denn beim Schauspielen könne man ja nicht ständig zwei Meter Sicherheitsabstand einhalten. „Geprobt wird zwar mit Maske, aber beim Drehen geht das natürlich nicht.“ Er erinnere sich noch gut an einen Dreh für „Soko Hamburg“ kurz nach Ende des Lockdowns, als in einer Szene ein Gerangel dargestellt werden musste. „Solche Nähe war nur dank der Tests möglich. In den Drehpausen galt dann wieder: Maske, Abstand, Plexiglas.“

Serien wurden umgeschrieben

Corona habe auch einen Effekt auf die Handlungen gehabt, sagt Renner. „Die Filmfirmen können sich nicht gegen Corona-Risiken versichern. Serien wurden umgeschrieben, um den Cast auf weniger Figuren zu reduzieren. Damit hat man weniger Personen am Set und weniger Risiko. Das bedeutet aber auch, dass es weniger Arbeit für Schauspieler gibt.“ Das betreffe insbesondere ältere Kollegen, die zur Risikogruppe zählen.

Auch auf das eigene Spiel habe Corona einen Effekt, so Renner. „Es kann eine Schere im Kopf sein, wenn man sich während der Szene fragt: Gefährde ich jetzt gerade vielleicht mein Gegenüber?“ In den Proben habe er sich zurückgehalten und beim Dreh „Dinge nicht gemacht, die ich sonst gemacht hätte“.

Am Theater hätten Kollegen mit Festanstellung zwar finanzielle Sicherheit, doch fehle ihnen wegen Corona derzeit das wichtigste Element ihrer Arbeit, das Spiel vor Publikum. „Ich kenne Kollegen, die haben sechs Theaterpremieren vorbereitet und durften noch kein einziges der Stücke spielen.“ Er selbst wirkte bei einer Freiluft-Produktion von „Romeo und Julia“ mit. Unbürokratische Hilfe durch Stipendium des Landes NRW Seine Arbeit habe sich im Laufe des Jahres unter den neuen Umständen halbwegs normalisiert, erzählt Renner. Bis Ende Oktober hatte er Engagements,   auch vom Staat gab es im Sommer Unterstützung in Form eines Künstlerstipendiums des Landes NRW. „Das war  unbürokratisch und hat mir  sehr geholfen, dafür bin ich sehr dankbar.“ Er bekam 7000 Euro Förderung für ein Projekt, das bis zum 30. Juni 2021 umgesetzt werden soll. Renner möchte damit das Theaterstück „Bestätigung“ des britischen Autors Chris Thorpe auf die Bühne bringen, es geht um Rassismus und die subjektive Weltsicht eines britischen Nazis und Holocaust-Leugners.

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Doch nach dem erneuten Lockdown schwebe über allem wieder ein großes Fragezeichen. „In der Branche herrscht große Verunsicherung, die Krise ist für viele existenziell“, betont Renner. „Keiner weiß momentan, wie es in den nächsten Monaten weiter geht. Viele kleine Theater und Filmproduktionen werden das ohne Hilfe wohl nicht überleben.“ Für sich selbst blickt er trotzdem positiv in die Zukunft. „Ich bin ein optimistischer Mensch. Das hilft in der Krise.“  

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