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Apfelernte "gut", aber...Bitterer Beigeschmack durch Gefeilsche und Energiekrise

7 min
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Ernthelfer bei Michael Rönn legen Äpfel auf ein Förderband.

BornheimZur Halbzeit der Apfelernte hat sich Redakteur Manfred Reinnarth drei Erzeugerbetriebe im Kreis angeschaut: den Biohof Rönn in Ersdorf, den Selbstvermarkter Schmitz-Hübsch in Merten und den Genossenschaftsbauern Sonntag in Fritzdorf.

Der Biobauer

Die knapp 12 000 Apfelbäume von Michael und Monika Rönn im „Wenigsfeld“ bei Meckenheim-Ersdorf hängen voller kräftiger, roter Früchte der Sorte Elstar. Sonnenbrand auf der Schale, Energiekrise und Weltmarktgefeilsche geben der eigentlich guten Ernte in diesem Jahr  für Apfelbauer Michael Rönn einen bitteren Beigeschmack: „So wie es im Moment aussieht, hat der Obstbau im Rheinland keine Zukunft. Ich bete seit 17 und 14 Jahren, so alt sind meine Kinder, dass sie einen anderen Beruf ergreifen.“ Es ist die ständige Ungewissheit, die den 47 Jährigen zerfrisst, ob der Betrieb, den  Opa Peter Rönn und Vater Josef Rönn aufgebaut haben nun als noch kostenintensiverer Biohof in Abhängigkeit  von einem privaten Zwischenvermarkter  noch genug zum Leben abwirft. Und so ist es nicht bloß der Stress wegen all der Unwägbarkeiten während der Ernte, die ihn  wünschen lässt, „lieber bei Haribo Gabelstapler zu fahren und zu wissen, was am Monatsende rauskommt.“: Rönn:  „Wir wissen immer erst nach der Produktion und nach einer Zeit, in der Discounter reklamieren können, wie viel Geld wir bekommen. Wir können auch nicht wie Spargel- oder Erdbeerbauern mal ein Jahr alles unterpflügen, weil eine Apfelplantage auf 20 Jahre angelegt ist und viel weniger Ertrag bringt, wenn das Obst hängen bleibt.“  

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Michael Rönn zeigt die rote Seite eines Apfels in seiner Plantage in Meckenheim.

Rönn leidet unter dem Preisdiktat der Discounter,  die ebenso wie der Zwischenhändler Preissteigerungen an die Bauern weiterreichen: „In den vergangenen drei Jahren hat der Einzelhandel den Preis um 40 Prozent gesenkt und unsere Kosten sind um 35 Prozent angestiegen“, sagt  Rönn.  1992 hat er die Gärtnerlehre mit Schwerpunkt Obstbau absolviert, 2000 den Meister gemacht und 2013 den Betrieb komplett übernommen: „Es gab in all der Zeit nur drei Jahre, in denen es Spaß gemacht hat.  Insgesamt ist aber das Risiko so hoch und nervenaufreibend, dass es an die Psyche geht und die Familie gefährdet.“

Er macht trotzdem weiter in diesem „Trott, der sich nicht ändern lässt“. Immerhin werden dank der beiden Kolonnen mit je sechs Helfern an diesem Morgen die Großkisten schnell voll mit prächtigen, rotbäckigen Äpfeln. Jeder Baum trägt etwa 15 Kilo Obst, rund 120 Äpfel. 45  Großkisten mit je 300 Kilo auf der Waage werden es wohl werden. Vorsichtig legen die Bürsten am Apfelaufzug jede einzelne Frucht in dem selbst fahrenden Erntewagen in eine sich drehende Großkiste. „Gestern war an einem der beiden Wagen ein Relais kaputt. Da stand der Betrieb für drei Stunden still. Ich konnte die sechs Helfer nicht einfach in der zweiten Kolonne einsetzen und den dortigen Apfelaufzug schneller laufen lassen, da bekäm das Obst Druckstellen.“

Längst verpackt der Bio-Bauer nicht mehr selbst, was Discounter in mannigfaltiger Weise konfektioniert haben wollen. Das erledigt die Rhein Bio Frucht GmbH in Rheinbach. „Wir müssen Klasse I liefern, obwohl nur Klasse II gilt“, erklärt Rönn, warum er den Äpfeln noch ein paar Tage zusätzlich zum Reifen gab: „Sie müssen zu mindestens 30 Prozent rot sein.“„Die Äpfel mit Sonnenbrand haben wir schon rausgepflückt und ins Gras geworfen“, sagt Rönn und erklärt: „Die Stellen werden schnell schwarz, so dass sie selbst ein Vermoster nicht nehmen würde.“ Seinen Äpfeln hier zwischen Ersdorf und Meckenheim erging es dennoch besser als denen, die er in einer Plantage bei Hilberath hängen hatte. „Da hat im Frühjahr der Hagel so reingehauen, dass viele verkorkt sind.“

Äpfel, die in seinen Plantagen auf dem Boden liegen, sind übrigens nicht alle als Dünger gedacht. Eine Runde wird er noch zum Mosten sammeln und später in seinem Hofladen sowie in seinem Online-Shop anbieten. Ruhe werde er erst im Frühjahr finden: „Die Anspannung bleibt noch lange, weil im Lager immer mal der Strom für die Kühlung ausfallen kann.“

Der Genosse

Sein Kollege Matthias Sonntag aus Wachtberg-Fritzdorf  ist als Genossenschaftsbauer, der nach Roisdorf liefert, zwar von denselben Discountern abhängig, geht aber optimistisch ans Werk. Er freute sich über die „gute Ernte“, auch wenn sie hinter den Vorjahresergebnissen zurück bleibt: „Die lange Trockenheit hatte eigentlich viel kleinere Äpfel erwarten lassen. Wenn man schon nicht mehr weiß, wann man das letzte Mal eine lange Hose anhatte, muss der letzte Regen zwei Monate her gewesen sein.“ Aber die schweren Böden dieser Gegend hielten gut das wenige Wasser, und dem einst gegründeten Wasser- und Bodenverband sei Dank, dass die Bäume trotz aller Sparzwänge immer Wasser hatten: Zwei Liter die Stunde genügten in den druckkompensierten Tröpfelleitungen, die am Boden in den Plantagen installiert sind. „Das hat uns sehr geholfen, die Qualität zu erhalten.“

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Matthias Sonntag aus Fritzdorf hat sein mit Solarstrom gespeistes Kühlhaus gut gefüllt.

Die Ausgaben fürs Trinkwasser, das Gas für die Unterkünfte der etwa 60 Erntehelfer und der Strom für die Kühlhäuser treiben aber die Kosten hoch. Das laute Surren der Kühlung in seinem Hof, wo er zwei Kilo Äpfel für drei Euro verkauft, schmerzt ihn zusätzlich: „Da höre ich den Zähler.“ Doch Sonntag hat vorgebeugt: Vor Jahren installierte er Photovoltaik auf das Dach eines Lagers und nutzt derzeit den maximalen Eigenverbrauchsanteil. So muss er nur einen Teil zukaufen.  Den Hagel in einem Teil seiner Plantage hielt er erfolgreich mit Netzen ab.

Als Genosse habe er das Gefühl, mitbestimmen und etwas gestalten zu können. Die Handarbeit ist ein großer Kostenfaktor und Wettbewerbsnachteil im Vergleich zur Konkurrenz aus Portugal oder Marokko. Bei vielen Regelungen, die ihn viel Geld kosten, hat er allerdings das Gefühl, dass die Politik „mal besser die Fachleute gefragt“ hätte, etwa beim Verbot bestimmte Pflanzenschutzmittel und Quoten für alles mögliche. „Die kommen mir oft so willkürlich wie die Verkaufspreise der Discounter vor.“

Der Selbstvermarkter

Roland Schmitz-Hübsch strahlt Zufriedenheit aus. Die Preise in seinem Hofladen in günstigster Lage von Bornheim-Merten bestimmt er selbst. Und weil er sehr treue Kunden hat, kann er auch gut deren Wünsche abfragen und gezielt Neuzüchtungen anbieten, von denen er schon weiß, dass sie gut ankommen werden. Etwa die Kreuzung von „Snap Dragon“ und Honey crunch“, der noch knackiger sein soll. Acht Prozent seiner mehr als 100 000 Bäume liefern schon die neue Sorte.

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Sonnenbrand macht Äpfel unbrauchbar.

Gerade bringen die vorwiegend polnischen Erntehelfer – aus der Heimat von Ehefrau Edyta – vor allem die Sorte Elstar rein. Kräftig, groß und rot kommen sie unter den grauen Hagelnetzen (zwei weiße, ein schwarzer Faden) hervor, die sich   als optimal gegen frostige Körner und überschüssige Sonne erwiesen. „Sonnenbrand haben bloß die Äpfel am jeweils ersten Stamm  vor den Netzen“, demonstriert er. „Zudem ist die dunkle Netzfarbe durch geringere Reflektion besser für das Landschaftsbild.“ Der 47-Jährige achtet auf Nachhaltigkeit und arbeitet mit der Firma Atenga an einer entsprechenden Zertifizierung für den Obstbau. „Der Umgang mit Energie, der CO2-Fußabdruck, die Toxizität im Pflanzenschutz und soziale Aspekte müssen bewertet werden“, findet er. Mit einer 210 kW-Solaranlage speist er Kühlhäuser, und sogar die Gabelstapler fahren elektrisch.

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Roland Schmitz-Hübsch setzt erfolgreich graue Netze ein.

Wer bei ihm im Laden kauft, kommt an der seit 2007 hier angebauten Sorte Wellant (angeblich für viele Allergiker verträglich) und Topas (noch besser als Elstar fürs Backen) nicht vorbei. „Die älteste Sorte, die ich habe, ist der Gravensteiner aus dem 16. Jahrhundert.“ Diese Mischung und der kleine Stamm Festangestellter (je drei in Produktion und Verkauf) gehören zu seinem Rezept für eine erfolgreiche Vermarktung der Äpfel, die auf 35 Hektar Anbaufläche wachsen.

Ein Problem für alle: Einkäufer von Discountern zahlen, wie Schmitz-Hübsch weiß, für Regionale Produkte maximal drei Cent mehr als für Importware. Das deckt aber nicht den Mehrpreis für die Herstellung in Deutschland.