Bewohner gewähren EinlassRösberger Wasserturm feiert 100-Jähriges

Die obere Ebene erlaubt einen Panoramablick.
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Bornheim-Rösberg – Der Aufstieg hat es in sich: Genau 112 Stufen führen hinauf in die Wohnküche von Rüdiger Wicke (50) und Claus Eiden (55). „Über einen Aufzug haben wir schon öfter nachgedacht“, lacht Eiden. Aus finanziellen Gründen hätten sie das Thema aber immer wieder schnell verworfen.

Wahrzeichen von Rösberg: Der Wasserturm.
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Die Freude an ihrem Zuhause, dem seit Mitte der 1980er Jahre denkmalgeschützten Rösberger Wasserturm, der 2019 genau 100 Jahre alt wird, kann ohnehin nichts trüben. Oft mehrmals am Tag überwinden sie die insgesamt 33 Höhenmeter. „Wir wohnen ja sozusagen auf dem Gipfel des Vorgebirges“, lacht Eiden. Nur der Turm der katholischen Pfarrkirche St. Markus ist noch ein Stückchen höher.
Ein Raum pro Ebene
Bis 1975 stellte der 1919 erbaute Wasserturm die Wasserversorgung in Rösberg sicher. Der große Wasserkessel im Bauch des Turms hatte einst ein Fassungsvermögen von 100 000 Litern. „Wegen des Denkmalschutzes durften wir ihn nicht ausbauen“, sagt Eiden. Deswegen hätten sie ihn in ihre Wohnlandschaft integriert. „Dort hinein haben wir das Schlafzimmer gebaut“, so Eiden. Geräusche von außen dringen dort kaum hinein. Darüber liegt die Wohnküche. In einem Stahlträger ist sogar noch ein Granaten-Einschuss aus dem Zweiten Weltkrieg zu erkennen. Als Mahnmal gegen Krieg und Gewalt haben sie ihn erhalten.

Claus Eiden und Rüdiger Wicke (v.l.) in ihrer Wohnküche.
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Unter dem Wassertank ist das Badezimmer. Jeder Raum beansprucht eine Ebene und misst höchstens 20 Quadratmeter. Eine massive Stahltreppe führt außen am Turm hinauf und zu fast jedem Wohngeschoss. Schmale Treppen, die teils nicht breiter als 50 Zentimeter sind, winden sich im Innern des Turms von Etage zu Etage. „Die Decken habe ich einziehen lassen, auch die vielen Fenster sind nachträglich eingebaut“, erklärt Eiden.
Führungen durch den Turm
Zusammen mit ganz Rösberg und dem Vorgebirge wird der 100. Geburtstag des Wasserturms am 15. Juni mit einem Fest der Dorfgemeinschaft rund um den Wasserturm und das „Haus am Turm“ gefeiert.
Start ist um 10 Uhr. Ab dem Zeitpunkt sind auch Besichtigungen des Wasserturms möglich. Denn Claus Eiden und Rüdiger Wicke öffnen ihr historisches Baudenkmal an diesem Tag für die Bevölkerung und bieten Führungen durch ihre fünfstöckige Wohnlandschaft an. Ein weiterer Höhepunkt der Feierlichkeiten am Nachmittag, die bis in den Abend gehen, ist die Revue „Der Turmbau zu Rösberg“, die das „Volxtheater Rösberg“ eigens für diesen Anlass geschrieben und eingeübt hat. Die Idee und Vorlage dazu kam von Ortsvorsteher Peter Tourné. Die Theatergruppe wird dabei vom Rösberg-Mertener Männergesangverein „Römer“ unterstützt. (mkl)
In ziemlich desolatem Zustand hatte Eiden den Wasserturm seinerzeit von einem privaten Anbieter gekauft. Nach umfangreichen, gut dreijährigen Sanierungs- und Renovierungsarbeiten konnte er 1995 in seinen Turm einziehen. Seit zehn Jahren wohnt er dort zusammen mit Rüdiger Wicke. „An den Feinheiten arbeiten wir aber immer noch“, merkt Wicke an. Trotzdem, ein schöneres Zuhause können sich die beiden gar nicht vorstellen. Die unteren vier Ebenen mit insgesamt 102 Quadratmetern sind vermietet. „Wir wohnen in den oberen Stockwerken auf 103 Quadratmetern, verteilt auf fünf Ebenen“, beschreibt Eiden die Besonderheit. Das Treppensteigen halte Körper und Geist fit. „Um nicht wieder alle Treppen hoch laufen zu müssen, überlegt man sich nämlich sehr genau, was man bei Arbeiten etwa im Garten direkt von oben mit herunternehmen muss“, erklärt Wicke.
Bei Sturm wackelt es ganz schön
Eine weitere Besonderheit sei die Aussicht. Die ganze Region liege ihnen ja quasi zu Füßen. Wesseling funkele, wenn am Abend die Lichter der Industrie leuchten, wie eine Millionenmetropole. Zum Greifen nah wirke auch das Bergische Land im Osten, das Siebengebirge im Süden und die Spitzen des Kölner Doms im Norden. Bei gutem Wetter lasse sich Richtung Eifel sogar das Radioteleskop in Effelsberg ausmachen. Unvergleichlich schön seien von oben aber auch die Sonnenauf- und Untergänge. Furchteinflößend wirkten hingegen die teils gewaltigen Gewitterwolken, die oft vom Westen über Rösberg Richtung Rheintal zögen.
Malwettbewerb
Auf Initiative der Engländer, die damals das Rheinland besetzt hatten, wurde der Wasserturm 1919 erbaut. Auch wenn er lange schon nicht mehr als Wasserspeicher dient, so ist und bleibt er ein markantes Wahrzeichen des Ortes.
Wer das schönste Bild vom Wasserturm malt, das möchte die Dorfgemeinschaft zum 100. Geburtstag herausfinden und hat einen Malwettbewerb ausgelobt. Unter dem Motto „Mal uns deinen Wasserturm“ sind vor allem Kinder, aber auch Erwachsene dazu aufgerufen, das Rösberger Wahrzeichen zeichnerisch zu gestalten. Mitmachen kann jeder. Die Bilder sollten bis 1. Juni bei Dr. Peter Tourné (Taunusstraße 20) oder Antonie Wieck (Eifelstraße 3) abgegeben werden. Die Sieger werden beim Wasserturmfest gekürt. Alle Interessenten – natürlich auch Nicht-Rösberger – sind dazu eingeladen. (mkl)
„Aber auch daran haben wir uns längst gewöhnt“, sagt Eiden. Er bleibe inzwischen sogar völlig gelassen, wenn der Turm bei Sturm schwankt und wackelt. „Obwohl wir so hoch über dem Erdboden wohnen, erleben wir hier die Natur und ihre Launen sehr intensiv“, erklärt er. Laut prasselt etwa der Regen auf das Dach und gegen die Fenster. „Das hat sogar etwas Romantisches“, meint Wicke. Ziemlich unromantisch sei es im Turm hingegen bei Orkantief Kyrill gewesen. „Da hat der Turm derart gewackelt, dass mir der Kaffee aus der Tasse geschwappt ist“, erinnert sich Eiden. Auch danach habe sich der Turm bei Sturm und Orkanen spürbar bewegt. „Dann ist hier oben alles in Bewegung“, sagt Eiden. Ein komisches Gefühl habe er dabei aber nur in den ersten Jahren gehabt. „Man gewöhnt sich daran. Der Turm hält, und das inzwischen ja schon seit genau 100 Jahren.“