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Gedenken an ermordete JudenIn Bornheim wurden viele neue Stolpersteine verlegt

Lesezeit 5 Minuten
Stolperstein in Widdig

Sally Salomon Rolef war Metzger in Widdig. Er wurde 1942 in Endenich interniert, deportiert und ermordet. 

Bornheim – Einmal im Jahr reiste Ruth Rolef von Jerusalem nach Widdig, um ihren „beloved Rhine“, ihren geliebten Rhein, zu sehen. So schilderte es Phillip Rosenblum. Der 84-Jährige war mit seiner Frau Miriam, Tochter von Ruth Rolef, extra aus New York nach Widdig gekommen, um mit zehn weiteren Verwandten, darunter Kinder und Enkel, der Verlegung der Stolpersteine in Gedenken an Ruth, Else und Hans Rolef in der Germanenstraße 26 beizuwohnen.

Dort wurden bereits 2010 Stolpersteine im Andenken für Abraham Rolef und dessen Frau Berta verlegt. Nun kamen vier weitere hinzu, für drei Kinder des Ehepaars sowie für Abraham Rolefs Bruder Sally Salomon. Während ihr Vater, der im Ersten Weltkrieg für Deutschland gekämpft hatte, bis zuletzt nicht glauben konnte, was „sein Land“ ihm antun würde, gelang es seinen Kindern, rechtzeitig zu emigrieren. Der frühere Metzgermeister Sally Rolef hingegen wurde am 20. Juli 1942 nach Minsk transportiert und vier Tage später in Maly Trostinec von den Nazis ermordet.

Vielen Widdigern ist Ruth Rolef ein Begriff

Ruth Rolef ist vielen Widdigern noch in guter Erinnerung, so auch Gabi Eusterholz-Langel von der katholischen Frauengemeinschaft St. Georg, die zur Stolperstein-Verlegung ein Foto aus den 1980er Jahren zeigte, auf dem Ruth Rolef mit ihr und Freundinnen am Kaffeetisch sitzt. Ruths Tochter Miriam Rosenblum: „Meine Mutter war eine sehr positive Frau, sie war 19 als sie nach Israel emigrierte, doch sie kam immer wieder gerne nach Widdig zurück, sie kannte dort auch noch viele Leute.“

Verlegung Stolperstein in Widdig

Die Stolpersteinverlegung übernahm ein Mitarbeiter des Bauhofs anstelle des Künstlers und Initiators Gunther Demnig.

Den Kontakt zur Familie Rosenblum stellte Petra Fendel- Sridharan her. Die Frau des ehemaligen Bonner Oberbürgermeisters Ashok Sridharan stammte ursprünglich aus Widdig, ihre Großmutter, Gretchen Rech, war mit Ruth Rolef befreundet. So hatte Petra Fendel-Sridharan Ruth seinerzeit kennengelernt. Nachdem die vor 18 Jahren verstarb, ebbte der Kontakt zu den Verwandten ab. Nach längeren Recherchen gelang es Fendel-Sridharan, den Kontakt zur Familie Rosenblum wieder aufzunehmen. Sichtlich gerührt begrüßte sie die Angehörigen. Auch Bürgermeister Christoph Becker hofft, „dass neue Brücken gebaut werden können“.

Begegnung Stolperstein

Nachfahren von Ruth Rolef trafen mit Menschen aus Widdig zusammen.

Widdig war nicht die einzige Station im Stadtgebiet, an der am Wochenende Stolpersteine in Erinnerung an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors verlegt wurden. Der Aktionskünstler und Erfinder des Projekts, Gunter Demnig, konnte selbst aber nicht dabei sein. Ein Mitarbeiter des Bauhofs übernahm die handwerklichen Arbeiten.

Friedrich Wilhelm Forsbach

Mit dem Stein für Friedrich Wilhelm Forsbach, einem aus Metternich stammenden Arbeiter, der im Haus Brunnenstraße 74 mit seiner Frau Mechtilde in Roisdorf lebte, wurde zum ersten Mal in Bornheim ein Stolperstein für einen Nichtjuden gelegt. Bis heute ist unklar, weshalb er ins Visier der Nazis geriet. Am 26. Juni 1941 wurde er in seiner Arbeitsstätte im Roisdorfer Brunnen von der Gestapo verhaftet und in Bonn inhaftiert. Von dort erfolgte die Deportation in das KZ Flossenburg, wo er schließlich am 31. Oktober 1941 ermordet wurde. Er galt als Sternendeuter und astrologisch interessiert. Möglicherweise hielten ihn die Nazis deswegen irrtümlich für einen Spion, der den alliierten Flugzeugen Signale gab.

Familie Levenbach

Vor dem Haus Königstraße 74–76 in in Bornheim erinnern vier Stolpersteine an das Schicksal der jüdischen Familie Levenbach. Das waren der Metzger und Viehhändler Leo Levenbach und dessen Frau Anna mit den Kindern Jakob, Bruno, Martha und Thea. Thea starb bereits kurz nach der Geburt im Kriegsjahr 1918, Anna Levenbach ein Jahr später. Nach ihrem Tod heiratete Leo die aus Luxemburg stammende Mathilde Lazard. Sie bekamen den gemeinsamen Sohn Harry. Bereits vor der Machtergreifung Hitlers schienen die Kinder Martha und Bruno gemerkt zu haben, wie die antisemitische Stimmung zunahm und verließen 1931 das Land. Jakob, der älteste Sohn, floh 1936 nach Frankreich. Als die Lage für die Juden in Deutschland stets bedrohlicher wurde, flohen auch Leo und Mathilde, nur acht Tage vor dem Bornheimer Novemberpogrom, zusammen mit Sohn Harry nach Luxemburg. Dann gelang ihnen die Flucht in die USA. Jakob schaffte es nicht, Frankreich rechtzeitig zu verlassen. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht wurde er nach Auschwitz deportiert und umgebracht.

Die Geschwister Nathan

Neben dem Gebäude mit der Hausnummer 3 in der Heinstraße in Bornheim stand das Haus der Geschwister Julie, Sibilla und Moses Nathan, die dort eine kleine Kolonialwarenhandlung betrieben. Moses Nathan war ein geschätzter Glaser im Dorf. Das Entsetzen war groß, als am 10. November 1938, nur wenige Meter von ihrem Haus entfernt, die Synagoge brannte. Es wurde berichtet, dass sich eine der Schwestern aus Protest und Verzweiflung selbst in Brand stecken wollte. Diese Verzweiflungstat nutzten die Nazis auf zynische Weise, um die Geschwister zu enteignen, weiter zu entrechten und sie für „geistesschwach“ zu erklären. Sibilla und Moses wurden mit 72 beziehungsweise 84 Jahren zwangsweise in das Krankenhaus Maria Hilf in Rheinbach eingeliefert. Dort starb Sibilla im März 1940, Moses im Januar 1941. Julie Nathan wiesen die Nazis in die Heil- und Pflegeanstalt Bonn ein, deportierten sie am 20. Juli 1942 nach Minsk, wo auch sie ermordet wurde.

55 Gedenktafeln zu Erinnerung an diese Schicksale gibt es im Bornheimer Stadtgebiet. Ehrenpaten übernehmen regelmäßig die Kosten. Bürgermeister Becker überreichte einigen von ihnen auf dem Peter-Fryns-Platz Ehrenurkunden. „Glücklicherweise fanden sich bislang mehr Paten, als Steine zu verlegen waren“, betonte er und erklärte: „Mit Ihrem Einsatz für die Erinnerungskultur vor Ort in Bornheim leisten Sie als Paten einen wichtigen Beitrag auch im Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus.“