Horrornacht 1945 in BornheimDie Kirchenglocke schmolz wie Wachs

Heute erinnert noch der verkürzte Kirchturm an den Schreckenstag im Jahr 1945. In der Fritzdorfer Kirche findet jetzt eine Friedensandacht statt.
Copyright: Sammlung Kündgen
Wachtberg-Fritzdorf – Der Zweite Weltkrieg forderte Anfang Februar 1945 auch im Treppenbauer-Dorf Fritzdorf seinen Tribut. Am 2. Februar gegen 21 Uhr prasselte ein Hagel von Brandbomben, den die Alliierten Luftstreitkräfte abgeworfen hatten, auf Fritzdorf nieder. Gertrud Küpper aus der Schmiedegasse wurde beim Versuch, das elterliche Haus zu löschen, von einer Brandbombe schwer verletzt, sie starb wenig später auf dem Weg ins Krankenhaus auf dem Calvarienberg in Ahrweiler.
Weitere Fritzdorfer wurden verletzt, 25 Scheunen und Ställe brannten nieder. Die Menschen versuchten, sich und ihr Hab und Gut zu retten oder Nachbarn zu helfen. Viele flüchteten in die Dorfkirche. Etwa eine Stunde später bemerkte man, dass der Kirchturm brannte. Die Meckenheimer Feuerwehr wurde alarmiert, versuchte, den Turm zu retten, doch es fehlte an Löschwasser. Unterdessen war auch das Kirchenschiff von den Flammen bedroht. Schließlich stürzte das Kreuz von der Kirchturmspitze auf das Dach. Schnell trug man das Allerheiligste ins benachbarte Pfarrhaus und räumte die Kirche aus. Um Mitternacht dieses Sonntags – so steht es in der Pfarrchronik, in der der damalige Pfarrer Ferdinand Schmitz die Ereignisse dieser Nacht dokumentierte – schlägt die Sankt-Georgs-Glocke noch siebenmal an, dann schmolz sie zusammen mit dem Einklöppler wie Wachs.
Schließlich drang das Feuer bis zur Orgeltribüne vor, wobei das Musikinstrument ebenso wie die alte Sebastianus-Figur und der Baldachin für die Fronleichnamsprozession den Flammen zum Opfer fielen. In letzter Minute drang Ferdinand Schüller unter Lebensgefahr durch die Deckenluke in den Kirchenraum ein und lenkte von dort den Löschwasserschlauch – „er rettete die Kirche“, heißt es in der Pfarrchronik. So wurde vier Stunden nach Ausbruch des Brandes die Gefahr schließlich gebannt, wenn auch die Kirche zum großen Teil niedergebrannt war.
Eine Chronik
Das Entsetzen des Schreckenstages geben die Pfarrnachrichten von 1945 eindrücklich wieder: „Unheimlich brummend kreisten die feindlichen Flieger über unser Dorf, als um 9 Uhr abends plötzlich ein Hagel von Brandbomben auf uns niederprasselte. Taghell war die Nacht gelichtet. Bald glich Fritzdorf einem aufgewühlten Ameisenhaufen. Alles rennet, rettet, flüchtet. Manches Stück Vieh verbrannte.
Man suchte Hab und Gut in die Kirche zu retten. Da, gegen 10 Uhr, merkte man, dass die Spitze des Kirchturmes brannte, unheimlich langsam fraß sich das Feuer den Turm hinunter. Die herbeigeeilte Meckenheimer Feuerwehr suchte den Turm zu retten. (...) Mit Hilfe der Westwalljungens wurde die Kirche schnell ausgeräumt. Um Mitternacht schlug die St. Georgsglocke noch siebenmal an. Dann ist sie mit dem Einklöpper wie Wachs geschmolzen. (...)
Gegen 2 Uhr nachts meldete Josef Kläser, dass die Gefahr überwunden sei. Außer Ferdinand Schüller hat sich noch Jakob Moitz ausgezeichnet. Er ist im Turm von ziemlicher Höhe abgestürzt und musste mehrere Wochen liegen.
Am Tage nach der Unglücksnacht rauchte und brannte es noch allenthalben. Gott Dank konnten wenigstens alle Wohnhäuser gerettet werden. Am Abend konnten wir wieder das hl. Opfer feiern.
Als wir nach der hl. Messe den ,Engel des Herrn’ beteten, war es uns wehmütig zu Mute“ ... (EB/jr)
Leider verletzte sich am Tag nach dem Brand bei Aufräumarbeiten in der Kirche der Fritzdorfer Jakob Boitz schwer. Doch all dies hielt die Fritzdorfer nicht davon ab, noch am selben Abend in der stark lädierten Kirche wieder eine Messe lesen zu lassen. Wenige Tage später war der Schutt aus dem Turm geräumt. Einige Wochen lang konnte man zwar noch durch das Innere des Turmes den Himmel sehen, doch die Schreiner des Ortes reagierten schnell und schufen ein Notdach sowie neue Bänke für die Orgeltribüne. Bis heute erinnert der Kirchturm-Torso an die Ereignisse von damals.
An diesem schwarzen Tag hatten sich die Fritzdorfer eigentlich in Sicherheit gewogen, denn es war eine Sanitätsdienstgruppe im Ort eingezogen, und man hoffte, damit unter dem Schutz des Roten Kreuzes zu stehen. Doch dem war nicht so. Was damit zusammenhängen mochte, dass in der damaligen Zeit die einquartierten Einheiten fast wöchentlich wechselten. Hier waren schon fast alle Waffengattungen zu finden, vom Pferdelazarett über eine Luftwaffeneinheit, verschiedene SS-Divisionen, eine Fahrkolonne und eine Reparaturwerkstatt sowie von September bis Dezember 1944 sogar eine 25 Mann starke Propagandatruppe. Die hatte ihre Schreibstube im Pfarrsälchen, der Kompanieführer residierte im Pfarrhaus. Pfarrer Schmitz musste bei Schreinermeister Gläser Zuflucht suchen und Vikar Schenk bei Küster Wolf.
Die Propagandatruppe wurde kurz vor Weihnachten von einer Metzgerkompanie abgelöst, berichtet Wolfgang Kündgen in der aktuellen Ausgabe der Dorfpostille „Fritzdorfer Rückblick“. Demnach beherbergte das kleine Dörfchen in einer Nacht sogar etwa 850 Mann, die in den damals noch vorhandenen Sälen Herschbach und Schwalb, aber auch in der Schule, der Vikarie und in zahlreichen Privatquartieren untergebracht worden waren.
Ende 1944, Anfang 1945 hatten die Fritzdorfer einige unliebsame Erfahrungen mit den Kriegshandlungen gemacht. So stürzte am 6. Januar 1945 eine deutsche V1-Rakete unweit des Arzdorfer Steinbruchs ab. Die Schule war bereits seit Oktober wegen Fliegergefahr geschlossen worden, die Räumlichkeiten wurden im Anschluss zur Unterbringung von etwa 100 HJ-Jungen und später von anderen Truppenteilen genutzt. Auch eine Reihe von ausländischen Zwangsarbeitern war an der Aushebung von langen Schanzgräben am Waldrand beteiligt.
Ende November 1944 fiel eine schwere Sprengbombe in die Scheune von Heinrich Mombauer, zum Glück als Blindgänger, der einige Tage später entschärft werden konnte. Dennoch mehrten sich die Bombenabwürfe, vor allem deshalb, weil die Alliierten die Nachbarstadt Meckenheim in einem fort angriffen, um die Rückzugslinie der deutschen Wehrmacht zum Rhein zu unterbrechen.
Am 27. Dezember 1944 fielen Bomben zwischen Arzdorf und dem Sommersberger Hof, ohne jedoch Schaden anzurichten. Einen Tag später wurden die Obstplantagen von Johann Mombauer und Christian Nolden von neun Brandbomben in Mitleidenschaft gezogen. Zwei Häuser im Dorf wurden durch Tieffliegerbeschuss getroffen, die Brände jedoch schnell gelöscht, ohne dass jemand zu Schaden kam. Anders als in Meckenheim, das zweimal bombardiert wurde.
Am 7. Mai 1945 traf die US-Armee gegen 8.15 Uhr von Gelsdorf aus kommend mit Panzerwagen in Fritzdorf ein und befreite das Dorf von der Naziherrschaft. Nächste Station: Arzdorf.