Zweites StandbeinBornheimer Gastronom entwickelt Blue Tooth-Thermometer

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Restaurant-Besitzer Thomas Köhl hat sich während des Lockdowns ein zweites Standbein aufgebaut. 

Restaurant-Besitzer Thomas Köhl hat sich während des Lockdowns ein zweites Standbein aufgebaut. 

  • Michael Sachse sprach mit Gastronom Thomas Köhl aus dem Mertener Restaurant Köhlz, der die Zeit der Lockdowns kreativ genutzt hat

Bonn – Die Gastronomie freut sich über den konstanten Rückgang der 7-Tage-Inzidenz. Nach den Terrassen und Biergärten dürfen im Rhein-Sieg-Kreis auch die Innenbereiche wieder öffnen. In einer Zeit, in der innerhalb der Branche viele um ihre Existenz kämpfen, gibt es auch Lichtblicke. Manche Gastwirte haben sich sogar an neue Projekte gewagt. Thomas Köhl ist solch ein ermutigendes Beispiel. Wir haben ihn in seinem Restaurant getroffen. Das Lokal betreibt er seit mittlerweile 13 Jahren gemeinsam mit Ehefrau Henriette. Herr Köhl, Sie haben ihr Restaurant am 3. Juni wiedereröffnet. Wie waren die ersten Tage nach mehr als sieben Monaten Lockdown?

Die ebenso einfache wie schöne Botschaft lautet: Wir dürfen endlich wieder das machen, was wir können. Darüber sind wir glücklich und haben diesem Datum genauso entgegengefiebert wie unsere Stammkunden. Die Resonanz war super.

Kehren Sie nun zum „Business as usual“ zurück?

Nein, wir haben einiges verändert und an mehreren Stellschrauben gedreht. Das fängt damit an, dass wir unsere Geschäftszeiten auf drei Tage beschränken. Künftig ist das ,Köhlz’ von Donnerstag bis Samstag ab 18 Uhr geöffnet. Sonntags sind wir aber nach wie vor für private Gesellschaften da. Außerdem haben wir in eine neue Gläserspülmaschine und eine virentötende Klimaanlage investiert. Darüber hinaus haben wir digitalisiert. Die Gäste können sich unsere Speise- und Getränkekarte nun am Tisch über einen QR-Code auf ihr Smartphone laden. Wer eine gedruckte Speisekarte in die Hand nehmen möchte, kann unser Angebot aber auch weiterhin auf Papier lesen. Außerdem haben wir komplett auf bargeldlose Zahlung umgestellt.

Warum öffnen Sie das Restaurant künftig nur noch an drei Tagen wöchentlich?

Gemeinsam mit einem Freund habe ich die Zeit genutzt, um ein zweites Standbein aufzubauen. Wir haben das Start-up-Unternehmen PolarFoxx.com gegründet. Der Hintergrund ist ganz einfach: Gastronomen müssen wie alle anderen Betriebe, die Lebensmittel aufbewahren, wie zum Beispiel Bäckereien, Eisdielen, Metzgereien, Caterer oder Lebensmitteldienstleister, die Lagertemperaturen einmal täglich dokumentieren. Mit einem Freund habe ich dazu eine digitale Methode mithilfe eines kabellosen Bluetooth Thermometers entwickelt. Der sogenannte Datenlogger, den wir mittlerweile in China herstellen lassen, ist ein batteriebetriebener Mini-Computer. Er wird einfach in das Kühlgerät gelegt. Über die kostenlose App kann man dank Bluetooth jederzeit seinen Temperaturbericht vollautomatisch auf dem Smartphone oder Tablet erzeugen. Wer unser System nutzt, ist jederzeit optimal auf Lebensmittelkontrollen vorbereitet. Zusätzlich können unsere Kunden mithilfe der App Reinigungspläne sowie Hygiene- und Mitarbeiterberichte erfassen.

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Wurde die Geschäftsidee während des Lockdowns geboren?

Dass wir unser Start-up parallel zum Lockdown vorantreiben konnten, war Zufall. Die erste Idee dazu hatte meine Frau schon im April 2019. Wir haben abends im Lokal gesessen und über das mühselige Prozedere gesprochen, Temperaturlisten zu erstellen und darüber gerätselt, wie sich der Prozess vereinfachen lässt. Wenn man einen guten Freund hat, der als IT-Berater arbeitet und zudem Kontrollsysteme für DAX-Unternehmen entwickelt, ist das eine gute Voraussetzung, dass solch eine Idee nicht versandet, sondern weiterverfolgt wird. Aber natürlich war die erzwungene Auszeit eine Steilvorlage, das Projekt voranzutreiben.

Sind Sie inzwischen bereits soweit, dass das kabellose Bluetooth Thermometer serienmäßig hergestellt wird?

Wir sind schon einen Schritt weiter. Zahlreiche Betriebe setzen unseren Datenlogger bereits ein. Unsere Kunden verteilen sich bundesweit. Sowohl in einer Mertener Eisdiele und einer Kölner Metzgerei als auch in einem Restaurant am Timmendorfer Strand kommt unser Chip zum Einsatz. Mittlerweile haben wir sogar weitere Kunden in Österreich und Frankreich gewonnen.

Wie blicken Sie über diese Geschäftsidee hinaus auf die vergangenen 15 Monate zurück, in denen ihr Restaurant weitgehend geschlossen war?

Ich muss zugeben, dass wir die Pandemie und ihre Wucht anfangs ein wenig unterschätzt haben. Dass der zweite Lockdown derart lange dauern würde, damit habe ich im Herbst nicht mehr gerechnet. Im vergangenen Frühjahr konnte ich der Auszeit noch etwas abgewinnen. Es gab weniger Druck und man hatte plötzlich Zeit, die vergangenen Jahre zu reflektieren und Raum für kreative Gedanken zu entwickeln. Aber wir haben gleichzeitig rasch gemerkt, wie belastend die Zeit im Homeoffice sein kann. Meine Frau hat sich noch intensiver um den Haushalt und unsere beiden Kinder gekümmert. Das war ein Fulltime-Job. Deshalb haben wir uns auch entschieden, Eltern zu unterstützen, die im Homeoffice sind und parallel ihre Kinder betreuen. Wenn sie sich mittags bei uns ihr Essen bestellt haben, gab es für die Kinder eine Mahlzeit gratis. Während des zweiten Lockdowns haben wir im Weihnachtsgeschäft wieder Speisen zum Mitnehmen angeboten. Ab Januar blieb das Restaurant allerdings geschlossen.

Wie ist es Ihrem Personal in dieser Zeit ergangen?

Ich muss vorwegschicken, dass wir ein tolles Team haben. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fangen schon mit 17 oder 18 Jahren im Service an und bleiben uns lange treu. Meine Küchenhilfe war in Kurzarbeit und kann jetzt wieder mitwirken. Von unseren Aushilfen hat die Mehrheit lange gezögert, eine andere Tätigkeit anzunehmen. Aber für einige war die Auszeit zu lange. Sie arbeiten jetzt woanders. Den Aderlass fängt meine Frau aktuell auf. Sie verbringt jetzt noch etwas mehr Zeit im Restaurant. Ich möchte hinzufügen, dass wir die Löhne angehoben haben. Unser Personal hat sehr viel entbehrt, deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür. Das hat allerdings den Nebeneffekt, dass wir unsere Preise leicht erhöhen mussten.

Waren Sie mit der staatlichen Unterstützung zufrieden?

Als etablierter Betrieb hat man es leichter. Dank unseres Fundaments sind wir mit den Hilfen, die wir erhalten haben, gut zurechtgekommen. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, ist es das Tempo, mit dem sowohl geschlossen als auch wiedereröffnet wurde. Wer nicht selber ein Restaurant führt, kann sich kaum vorstellen, wie viel Aufwand notwendig ist, einen gastronomischen Betrieb runter- und wieder hochzufahren. Vor allem unsere Wiedereröffnung hat mich an unsere Premiere im Jahr 2008 erinnert. Nur wussten wir damals noch nicht, was anschließend auf uns zukommt.

Hat sich die Sitzplatzkapazität verringert?

Wir haben im Innenbereich noch 50 Sitzplätze, zehn weniger als vorher. Auf der Terrasse mussten wir die Anzahl von 50 auf 36 Sitzgelegenheiten reduzieren.

Haben Sie im Laufe der Lockdowns irgendwann einmal daran gedacht, Ihr Restaurant zu schließen?

Nein, das war nie Teil unserer Überlegungen. Das Restaurant ist unser Baby. Egal, wie gut sich unser zweites Standbein auch entwickeln mag, am ,Köhlz’ werden wir auf jeden Fall festhalten.

Das Restaurant „Köhlz“, Martinstraße 63, 53332 Bornheim-Merten, Telefon (0 22 27) 41 70, www.koehlz.de, ist donnerstags bis samstags jeweils ab 18 Uhr geöffnet.

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