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Gegensteuern gefragtWohnraum ist im linksrheinischen Rhein-Sieg-Kreis Mangelware

Lesezeit 6 Minuten

Der Wohnruam wird knapp.

Rhein-Sieg-Kreis – Wohnraum ist knapp, und das hat einen simplen Grund: Immer mehr Menschen leben in der Region, und längst nicht auf dem engen Raum wie frühere Generationen. 47,4 Quadratmeter Raum nimmt ein Mensch im Westen Deutschlands statistisch gesehen für sich als Wohnfläche in Anspruch. Vor 20 Jahren waren es 39,3 Quadratmeter, 1960 lediglich 19,4 Quadratmeter. Während 1961 aber in den sechs linksrheinischen Kommunen des Rhein-Sieg Kreises lediglich 73.102 Einwohner gezählt wurden, lebten 2011 hier schon 156.041. Und zum letzten Jahreswechsel waren dem Statistischen Landesamt aus dieser Region bereits 162.921 Einwohner bekannt. Vier von zehn wohnen alleine.

Hochschulen und Kulturangebote ziehen zudem immer mehr Menschen in Städte wie Köln, ebenfalls die Arbeitsgelegenheiten. Und weil in den Ballungsgebieten schon lange der Mangel an Wohnraum zu extrem hohen Mieten geführt hat, suchen Zuziehende und vertriebene Städter sowie die nächste Generation der Einheimischen im Vorgebirge und in der Voreifel eine Alternative. Investoren reagieren entsprechend, zielen aber der Rendite wegen auf betuchteres Publikum ab, während die Politik in aller Langsamkeit ihrer demokratischen Möglichkeiten Modelle erdenkt, mit denen sie meint, sozial oder auch nur öffentlichkeitswirksam nachsteuern zu können.

Die Rundschau hat darum schlaglichtartig einen Blick in die Region geworfen, wie sich verschiedene Parteien, das Gegensteuern vorstellen. Eines ist allen gemeinsam: sie wollen „bezahlbaren Wohnraum“.

Marktentwicklung

Die Corona-Krise hat laut der Immobilienmarkt-Beobachtung durch die Kreissparkasse Köln die nach oben treibenden Preise nicht stoppen können. Der enorme Bedarf an Wohnungen in Köln wirkt sich darum auch weiter im Umland stark auf die Miet und Kaufpreise für Immobilien aus.

Die Preise für mindestens fünf Jahre alte Eigentumswohnungen in Köln seien zwischen 2015 und 2019 um 42 Prozent angestiegen. In der gesamten Region seien Preise um 44,1 Prozent gewachsen, im benachbarten Rhein-Erft-Kreis sogar um 53,6 Prozent. Neubauten seien sogar während des Lockdown in unvermindertem Ausmaß gehandelt worden. In Köln liegt der mittlere Preis für eine Neubauwohnung mittlerweile bei 5530 Euro je Quadratmeter, im Rhein-Sieg-Kreis beträgt der Quadratmeterpreis im Schnitt 3632 Euro. (mfr)

Rhein-Sieg Kreis: Die SPD beantragte noch zum vorigen Kreistag „die Wohnungsbaupolitik des Kreises weiter zu konkretisieren“ – blitze damit aber ab. „All unsere Anträge wurden entweder abgelehnt oder in irgendwelche Ausschüsse verwiesen“, so Kreistagsmitglied Dietmar Tendler (SPD). Ziel des Antrags war es, so die SPD, die kreiseigene Wohnungsbaugesellschaft (GWG) in die Lage zu versetzen, „mindestens 500 neue Wohneinheiten pro Jahr“ zu errichten. Personal und Geld seien notwendig. Der Kreis solle zudem prüfen, in welcher Form er Wohnungen anmieten und weitervermieten könne. So hätten Eigentümer einen „sicheren Mieter“. Die SPD befürwortet auch weiterhin eine Quote, so dass 30 Prozent des Wohnungsbaus öffentlich gefördert sein sollten.

Alfter: Ausgelöst von einem Vorstoß der Grünen hat die Gemeinde nach jahrelangem politischen Gerangel um Formulierungen gerade erst Mitte Mai einen Leitsatz beschlossen, der die Hälfte des Baulands in Gemeindebesitz „gerecht und sozial verträglich für möglichst viele Bevölkerungsgruppen“ zugänglich machen soll. Ungewöhnlich sind dabei die Vergabekriterien: Die in Alfter lebenden und arbeitenden Menschen sollen nach einem Punktesystem in einem Vergabeverfahren bevorzugt werden. Auch ehrenamtliches Engagement in der Gemeinde soll dabei Punkte bringen. Geringes Einkommen bringt einen weiteren Bonus. Beim Baugebiet „Buschkauler Feld“ will die Gemeinde, die nach Einwohnerzahlen gerade die Größe einer Stadt hat, die Vorgaben erstmals anwenden. Künftige Bebauungspläne können erst starten, wenn die Gemeinde über 70 Prozent der vorgesehenen Bauflächen verfügt. Bauwillige werden „zur Entlastung der Allgemeinheit“ grundsätzlich an Planungs- und Entwicklungskosten eines Baugebietes beteiligt.

Bornheim: Der Stadtentwicklungsausschuss hat im Juni nach vielem Hin und Her einen ersten Schritt getan, um die Gründung einer Stadtentwicklungsgesellschaft vorzubereiten. Dabei steht ein Beschluss im Mittelpunkt, der zuvor als Antrag der SPD-Fraktion zum Zwischenerwerb von städtischen Grundstücken noch durch die konservative Ratsmehrheit brüsk abgelehnt wurde.

Der Beschluss sieht vor, dass im Wesentlichen künftig nur dort Bauland entwickelt werden soll, wo die Gesellschaft und/oder die Stadt über substanzielle Eigentumsanteile verfügt.

Nun muss der Stadtentwicklungsausschuss noch Farbe bekennen zu den seit geraumer Zeit vorliegenden Anträgen der SPD: Sie hatte einen Leitfaden für Investoren gefordert. Darin will sie ihre städtebaulichen Ziele festgeschrieben wissen: 30 Prozent der Wohnungen in jedem neuen „Investorenbaugebiet“ sollen demnach für geförderten Wohnungsbau vorgesehen sein. Im Sinne moderne Quartiersentwicklung soll auf einen Angebotsmix für Familien, Singles, Senioren und Mehrgenerationen-Projekte geachtet werden. Kompakte Bebauung und frei stehende Häuser sollten sich die Waage halten.

Rheinbach: Nach Auffassung der FDP muss die Stadt als Hauptgesellschafter der Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft (wfeg) deren Aufgaben um den Bereich „Wohnbaulandentwicklung“ erweitern. Die FDP hat im Rat die Einrichtung einer fraktionsübergreifenden Steuerungsgruppe gestellt. Diese solle „sozial motivierte Steuerungsmechanismen bei der Vergabe der Grundstücke“ sowie strategische Vorgaben zur Stadtgestaltung und -entwicklung diskutieren. Ideen für einen „revolvierendes Baulandmanagement“ sollten nach Meinung der FDP einbezogen werden, damit die Stadt von der Wertsteigerung von Grundstücken bei deren Ausweisung als Wohnbauland profitiere.

Die SPD fordert Augenmaß beim Ausschöpfen neuer Möglichkeiten durch verkleinerte Abstandsflächen. Nur drei Meter Abstand bei neun Meter hohen Häusern sei großstädtisch, aber nicht für Rheinbach passend. Im November war dem Stadtentwicklungsausschuss das „Handlungskonzept Wohnen Rheinbach 2030“ eines Kölner Planungsbüros vorgestellt worden. Darin wird eine komplette Umstrukturierung des Wohnraums nahegelegt, mit vielen barrierearmen Seniorenwohnungen im Zentrum. Zögen die Senioren um, werde Wohnraum für junge Familien frei.

Meckenheim: 150 Wohneinheiten sollen in den „Weinberger Gärten“ entstehen. Die öffentliche Auslegung der Pläne endete im April. Stadtplanerin Waltraud Leersch und der Technische Beigeordnete Heinz-Peter Witt verweisen auf den Bedarf an weiterem Wohnraum – vor allem für junge Familien.

Auf Basis einer Studie, wonach bis 2025 etwa 50 Wohneinheiten pro Jahr in Ein- und Zweifamilienhäusern sowie 23 in Mehrfamilienhäusern entstehen müssten, um den prognostizierten Zuzügen gerecht zu werden, will Meckenheim weiteres Bauland ausweisen. Eine Initiative will vor allem eine neue Bebauung am Lüftelberger Ortsrand verhindern, zumal viele alte Bauflächen, etwa in Merl, ungenutzt seien.

Swisttal: Bei der Gemeinde Swisttal fragen vor allem Bauträger nach Bauland an. Triebfeder ist auch dafür eine Studie, die 2017 voraussagte, dass bis 2030 noch 190 Wohneinheiten in der Kommune fehlen würden. Laut Wählergemeinschaft Bürger für Swisttal (BfS) ist der in der Studie angegebene Bedarf bereits weit übererfüllt, und die Gemeinde solle sich zuerst darum kümmern, die Infrastruktur für die schon ansässigen Bürger auf Vordermann zu bringen, bevor sie durch noch mehr Zuzüge, die neue Infrastruktur auch noch überfordere.

Wachtberg: Aus Sicht der Gemeindeverwaltung gibt es keinen akuten Mangel an Bauland. Es gebe genügend Baulücken, heißt es im Rathaus. So wird lediglich in Gimmersdorf „Auf dem Berg“ ein kleines Baugebiet von 1,5 Hektar für private Planer ausgewiesen. Anfragen würden auf den freien Markt verwiesen. Die Wählergemeinschaft „Unser Wachtberg“ stört sich indes daran wie „Ackerland“ als „Goldwährung“ missbraucht werde.