Haus NazarethBewohner sind in Ittenbach voll integriert

So selbstständig leben wie irgend möglich: Monika Wasner, Bewohnerin von Haus Nazareth in Königswinter-Ittenbach, in ihrem Zimmer beim Wäscheeinräumen.
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Königswinter-Ittenbach – Lena Prasse fühlt sich in ihrem Zuhause offenbar pudelwohl. „Ich bleibe bei Findus“, sagt die junge Frau und düst über den Flur in Richtung ihres Zimmers, nachdem sie der Besuchergruppe gerade die Technik der hochmodernen Badewanne im Pflegebad vorgeführt hat. Kurz darauf gewährt sie einen Blick in ihr gemütlich eingerichtetes Zimmer mit Bett, Schrank, Sitzhockern, Stereoanlage und Fernseher.
Haus Elisabeth musste schließen
Lena Prasse, 22 Jahre alt und geistig behindert, ist vor ein paar Monaten von Bad Honnef nach Ittenbach gezogen. Der Caritasverband Rhein-Sieg musste das Haus Elisabeth am Mühlenweg schließen, weil der Altbau nicht den neuen Anforderungen des Wohn- und Teilhabegesetzes entsprechend barrierefrei umgebaut werden konnte.

In Sichtweite der Ittenbacher Pfarrkirche befindet sich die Behinderteneinrichtung Haus Nazareth, die Ende 2015 um einen Neubau (hellrot hinter den Bäumen) erweitert wurde.
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Acht der zwölf Bewohner sind in den neuen Erweiterungsbau von Haus Nazareth in Ittenbach gezogen, der im Dezember 2015 für rund 1,12 Millionen Euro (inklusive Außenanlagen) fertiggestellt wurde. Und der nun auch Lena Prasses neues Zuhause ist. „Ich will nicht mehr zurück“, sagt die 22-Jährige. „Ich bleibe bei Findus“. Das ist der Hauskater der Einrichtung am Taubenbergweg.
Selbstständigkeit wird gefördert
„Es ist gar nicht so spektakulär, es ist ein ganz normales Haus“, sagt Dr. Helene Müller-Speer, die Bereichsleitung „Lebensräume Menschen mit Behinderung“ bei der Caritas. Das könnte man als langweilig verstehen. Doch bei der Behinderteneinrichtung, die mitten im historischen Ortskern angesiedelt ist, bedeutet es vor allem, dass Haus Nazareth und seine Bewohner in Ittenbach voll integriert sind, wie die Leiterin Teresa Wald (28) betont. Ein Beleg dafür: An einer Pinnwand hängt noch der Aufruf zur Teilnahme am Ittenbacher Karnevalszug. Das Motto lautete „Siedlertreck“. Seit ein paar Jahren machen die Bewohner beim Umzug mit. Und sie gehen etwa auch selbst in den Geschäften im Ort einkaufen, die es dank des neuen Einkaufszentrums ja wieder gibt. Darüber sei sie „heilfroh“, sagt Helene Müller-Speer.
Neubau im Jahr 2003
Schon 1978 wurde Haus Nazareth direkt neben der Pfarrkirche eröffnet, damals in einem kleinen Haus der Ordensschwestern für zwölf Bewohner. 2003 entstand der Neubau für 16 Menschen, nach der Erweiterung leben jetzt 24 geistig Behinderte in der Einrichtung. 14 Bewohner, darunter alle acht „Bad Honnefer“ im Erweiterungsbau, arbeiten wochentags in einer Werkstatt für Behinderte.
Drei Häuser
Der Caritasverband Rhein-Sieg bietet in drei Einrichtungen „Lebensräume für Menschen mit Behinderung“: Das Haus am Deich und Haus Hildegard sind in Niederkassel-Rheidt und haben je 24 beziehungsweise 21 Einzelzimmer in jeweils drei Wohngruppen.
Haus Nazareth in Ittenbach hat nach der Erweiterung 24 Einzelzimmer in drei Wohngruppen, 12 Zimmer sind rollstuhlgeeignet. Die acht Bewohner im Neubau, die in einer Werkstatt für Behinderte arbeiten, bilden zwei Gruppen. Jede verfügt über einen Aufenthaltsraum mit einer Küchenzeile, in der die Bewohner zum Beispiel ihr Frühstück zubereiten. Die Menschen in Haus Nazareth sind zwischen 18 und 70 Jahre alt. (csc)
www.caritas-rheinsieg.de
Zehn Bewohner sind bereits im Rentenalter. Insgesamt 19 Mitarbeiter kümmern sich rund um die Uhr um die Menschen in der Einrichtung. Sie helfen beim Kochen oder Frühstück zubereiten, machen Freizeitangebote, begleiten die Bewohner bei Arztbesuchen oder fahren mit ihnen in den Urlaub. An den Pinnwänden hängen schon die Pläne mit den Urlaubszielen 2016. Marienberg und die Eifel gehören dieses Jahr unter anderem dazu. Einige Bewohner haben sich schon eingetragen.
Selbstbestimmung trotz Hilfsbedürftigkeit
Die Behinderten bräuchten „Unterstützung und Hilfe“, sagt Müller-Speer, doch das müsse gleichzeitig mit „Selbstbestimmung und Freiheit“ einhergehen,. Mit möglichst wenig Einschränkungen und einem möglichst individuellen Lebensstil. Aber natürlich müsse man sich auch anpassen. Wie das eben so ist im Leben, wenn mehrere Menschen zusammen unter einem Dach leben.
Marcel Finette ist einer von ihnen. Und er will der Besuchergruppe an diesem Tag, an dem der Caritasverband seine erweiterte Einrichtung der Presse vorstellt, unbedingt auch sein Zimmer zeigen. Den Trubel mitsamt Fotografen findet der junge Mann offenkundig ziemlich aufregend.
Marcel Finette weist auf einen Plan, der an der Wand hinter seiner Zimmertür hängt, damit er weiß, wer Dienst hat und wer zu Besuch kommt. Den nächsten Nachtdienst hat Sofie. Dann bringt der junge Mann die Besucher aufgeregt noch schnell nach draußen zu den Mülltonnen. Denn es ist seine Aufgabe, sie an die Straße zu stellen, wenn die Müllabfuhr kommt.
„Er fragt bei mir nach, wann es so weit ist“, berichtet Hausleiterin Teresa Wald, die ihren ersten Kontakt zu Haus Nazareth während eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) hatte und nach ihrem Studium der Sozialen Arbeit in der Einrichtung angefangen hat, die sie nun mit nur 28 Jahren leitet. Rund 40 Prozent ihrer Zeit kann sie der pädagogischen Arbeit widmen und hat ansonsten mit Dokumentation, Angehörigenarbeit, Dienstplänen oder Personalgesprächen reichlich zu tun.
Was sie nach dem FSJ im Ittenbacher Haus Nazareth gehalten hat? Die enge Zusammenarbeit mit den Bewohnern und den Kollegen nennt die 28-jährige Oberdollendorfern als Gründe. Und die „sehr familiäre Atmosphäre“.